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Ausgabe:

1978

Spalte:

112-115

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Banks, Robert

Titel/Untertitel:

Jesus and the law in the synoptic tradition 1978

Rezensent:

Sellin, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2

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konsequent als hermeneutische Voraussetzung für die Ausführungen
des Apostels in Rom 8 verstanden, im einzelnen
dabei Rom 7, 7—24 als „theologisch-anthropologischer Kontext
", Rom 5,12—21 als „christologischer" und Rom 6,1 — 7, 6
als „ekklesiologischer Kontext" zu Rom 8 (S. 11). Im Verlauf
der Untersuchung werden dann auch noch weitere für
Rom 8 sachlich relevante Texte aus dem Corpus Paulinum
analysiert, so insbesondere 2 Kor 5,1—10 als Parallele zu
Rom 8,18-27 (S. 104 ff.) und Gal 4,1-7 zu Rom 8,14-17
(S. 129 ff.).

In der Durchführung solcher umfassenden Interpretation
von Rom 8 setzt der Vf. zunächst — in Teil A (S. 14—159) —
in der heute weithin üblichen Weise ein, indem er sich um
die Differenzierung von „Tradition und Redaktion in
Rom 8" bemüht. Einen eigenen Akzent setzt er immerhin
bereits hier dadurch, daß er „modo recedendi" verfährt
(S. 62), indem er mit dem resümierenden Schlußabschnitt
8, 31—39 beginnt und sodann rückschreitend die einzelnen
Sinnabschnitte von Rom 8 in der Reihenfolge 8, 28—30;
8,18-27; 8,14-17; 8,1-13 analysiert (zur Abgrenzung der
einzelnen Abschnitte vgl. S. 60-62). Solches Verfahren hat
den Vorteil, daß auf diese Weise, und zwar insbesondere
von 8, 31—39 und 8, 28—30 her, von vornherein Thema und
Fragestellung des ganzen Kapitels in den Gesichtskreis treten
. Es ist das (bereits traditionelle! vgl. S. 73 zu 8,28—30)
Thema der Heils- und Zukunftsgewißheit des Christen, und
zwar in der paulinischen Variation der Frage „nach der
Wirklichkeit des zugesagten Heils im Angesicht von Leiden
und Tod" (S. 53; vgl. auch S. 56.143 und bes. S. 226 ff.). So
vermag der Vf. bereits im ersten Teil seiner Untersuchungen
nicht nur die thematische Bedeutung von Rom 8,17b
für die Interpretation von 8,18—30 herauszustellen (S. 137
bis 139 und S. 139 ff.; vgl. auch S. 260 f.), sondern vor allem
auch den Antwortcharakter dieses Kapitels angesichts des
„Elendsrufes des unerlösten Menschen" in Rom 7, 24 (S. 56;
vgl. auch S. 236). — Was somit bereits im Teil A in den Blick
kommt, wird sodann im Teil B (S. 160—225) im einzelnen
aufgewiesen: „Die Bedeutung von Rom 5—7 für die Interpretation
von Rom 8". Als entscheidend für das eigene Anliegen
des Vfs. erweist sich dabei die eindringliche theologische
Analyse von Rom 7, 7—24 als der unmittelbaren Voraussetzung
für Rom 8 (S. 194-220), die dann schließlich zu
der These führt, daß die „paulinische Gesetzeslehre in Rom
5—7 als Funktion der Soteriologie des Apostels" zu verstehen
ist (S. 221-225). - Unter der Überschrift „Der Sohn und
die Söhne", womit noch einmal die entscheidende Bedeutung
der Gewißheitsaussagen in 8, 28—30 angesichts der
Fragestellung des Kapitels betont wird, bringt dann endlich
der Teil C (S. 226-319) im Rahmen und Zusammenhang
einer theologischen Gesamtinterpretation von Rom 8,1—39
(nunmehr in dieser Reihenfolge) die Schlußfolgerungen aus
dem bisher Erarbeiteten. Die hier vorgelegte Interpretation
von Rom 8 im Zusammenhang ist im ganzen wie im einzelnen
durchaus überzeugend. Im ganzen: indem hier noch
einmal eindrücklich deutlich wird, in welchem Maße und
Sinne die Kapitel 5—8 des Römerbriefes als sachliche Einheit
zu begreifen sind; im einzelnen gilt dies im Blick insbesondere
auf die Interpretation von 8,14—30 (S. 260—309)
unter der Überschrift „Die Freiheit vom Tode als Überwindung
im Leiden", zumal hier der Vf. seine Auffassung auch
noch durch Berücksichtigung der „paulinischen Leidenstexte
außerhalb des Römerbriefes" begründet (S. 287—309).
Uberzeugend ist dann endlich auch die Auslegung von Rom
8, 31-39 (S. 309-319). Indem der Vf. sie - in Entsprechung
zu Rom 5,11 — unter die Überschrift stellt „Kauchasthai en
tö theo dia kyriou Iesou Christou", wird noch einmal deutlich
, daß diese Verse nicht nur in formaler, sondern auch in
sachlicher Hinsicht den Höhepunkt des Kapitels — und damit
zugleich des ganzen Abschnitts Rom 5—8 — darstellen.
Denn gerade hier zeigt sich, in welchem Maße sämtliche
Aussagen in Rom 8,1—30 über „die erlösende Gegenwart
Jesu Christi im Geist" (S. 226 ff.) im Rahmen und Horizont
der christologisch begründeten Rechtfertigungstheologie des

Paulus zu verstehen sind und daß eben von daher letztlich
auch die Grundfrage des Kapitels — die Frage „nach der
Wirklichkeit des zugesagten Heils im Angesicht von Leiden
und Tod" — beantwortet wird. Soweit dies in der vorliegenden
Arbeit dargelegt und begründet wird, wird ihr Vf.
weithin mit grundsätzlichem Einverständnis rechnen können
. Anders dagegen dürfte es sich mit seiner Bestimmung
des Verhältnisses von „Gesetz" und „Geist" verhalten, wie
er sie aus dem Verhältnis von Rom 7 zu Rom 8 schlußfolgert
. Denn hier geht es nicht mehr nur darum, den Antwortcharakter
von Rom 8 im Verhältnis zu Rom 7, 7—24 herauszustellen
und in diesem Sinne die paulinische Gesetzesdeutung
als eine „Funktion der Soteriologie" zu erweisen (S. 221
bis 225), sondern letztlich darum, zu einer konsequent einheitlichen
Interpretation von nomos = Tora zu gelangen,
und zwar nicht nur im Blick auf die unmittelbar an Rom 7
anschließenden Aussagen in 8,1 ff., sondern darüber hinaus
im Blick auf das Verständnis von nomos bei Paulus überhaupt
(vgl. dazu bes. den Exkurs S. 245 ff.: „Rom 8,1—13 im
Spiegel paulinischer Aussagen über das Gesetz außerhalb
von Rom 5—8"). Es mag in diesem Zusammenhang angesichts
der gegenwärtig vorherrschenden Auslegung als zwar
ungewöhnlich, aber doch in jedem Falle anregend erscheinen
, wenn in Rom 10, 4 die Aussage über Christus als telos
nomou im Sinne der „Erfüllung des Gesetzes" verstanden
wird (S. 250 ff.; man korrigiere in diesem Zusammenhang
die Vertauschung einiger Zeilen S. 253, Z. 15-26!). Als fraglich
jedoch erscheint es, ob sich von solchem Ansatz her —
man vergleiche in diesem Zusammenhang z. B. den Satz:
„So bleibt das Gesetz das Maß der christlichen Existenz"
(S. 244) — noch die eigene Auffassung des Vfs. von der paulinischen
Gesetzeslehre als „Funktion der Soteriologie"
durchhalten läßt oder ob hier nicht vielmehr die Gefahr besteht
, daß die Soteriologie ihrerseits als eine Funktion der
Gesetzeslehre erscheint?! Es ist offensichtlich, daß hier
Grundfragen der Theologie des Paulus zur Debatte stehen,
wie sich nicht zuletzt auch im „Ausblick" (S. 321 f.) zeigt:
Hier erhebt der Vf. schließlich die Forderung, das traditionelle
Kategorienpaar „Gesetz und Evangelium" — von Paulus
her — durch die „soteriologisch bestimmte Trias .Verheißung
Gesetz und Evangelium" zu ersetzen, wobei er
„Verheißung" und „Gesetz" als die „beiden Seiten des einen
Evangeliums" versteht (S. 322). Angesichts dessen, daß Paulus
selbst eindeutig zwischen „Gesetz" und „Verheißung"
unterscheidet, ist man auch hier wieder geneigt, Fragezeichen
zu setzen, und die vorliegende Arbeit gibt darüber
hinaus für einen solchen weitreichenden Ausblick gewiß
nicht die zureichende Begründung. Andererseits zeigt sich
aber an dieser Stelle noch einmal, daß von Rom 8 her — interpretiert
als „Beispiel paulinischer Soteriologie" — letztlich
das Ganze der paulinischen Theologie in den Blick
kommt. Dies im einzelnen deutlich gemacht zu haben, ist
das entscheidende Verdienst des Vfs., und angesichts dessen
wird dann auch der kritische Leser die in diesem Buch vorgetragenen
ungewöhnlichen und der gegenwärtig vorherrschenden
Auslegungsrichtung entgegenlaufenden Thesen
weniger als einen Mangel buchen als vielmehr als eine Anregung
zum erneuten Durchdenken der Grundprobleme der
paulinischen Theologie — insbesondere der paulinischen
„Theologie des Gesetzes" — betrachten.
Rostock Hans-Friedrich Weiß

Banks, Robert: Jesus and the Law in the Synoptic Tradition.

Cambridge — London — New York — Melbourne: Cambridge
University Press [1975]. X, 310 S. 8° = Society for
New Testament Studies, Monograph Series, ed. by
M. Black, and R. McL. Wilson, 28. Lw. =g 8.75.

Die Einleitung (1—9) dieses auf einer 1969 in Cambridge
eingereichten Dissertation basierenden Buches des Australiers
macht Appetit auf ein großes Thema: Wie sah die neu-