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Ausgabe:

1978

Spalte:

110-112

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Osten-Sacken, Peter von der

Titel/Untertitel:

Römer 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie 1978

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2

110

Die Überschrift des Teils II, „Aspekte der .Hellenisierung'
des Judentums", entspricht dem Untertitel des Opus; darin
kündet sich die Bedeutung von II innerhalb des Bandes an.
Hengel zeigt in II (73-115) die Vielfalt der Gesichtspunkte
auf, unter denen insgesamt die als „Hellenisierung" (H. setzt
die Wortgruppe gern in Anführungszeichen)1 bezeichneten
Vorgänge zu sehen sind, sowohl in den verschiedenen zeitlichen
Etappen wie in den verschiedenen geographischen
Bezirken und nicht zuletzt in den unterschiedlichen Bereichen
von Politik, Wirtschaft, Kultur. Staatlicherseits wird
z. B. durchaus nicht ohne weiteres das gleichberechtigte Teilhaben
der nichtgriechischen Bevölkerung an den Errungenschaften
der Oberschicht der „Griechen" angestrebt (so
wichtig es etwa ist, daß die Untertanen die griechische
Sprache kennen). Das Verlangen, daran teilzunehmen, geht
insbesondere von den Nichtgriechen aus, zumal von deren
oberen bzw. nach oben drängenden Schichten2, wie neuerdings
selbst für die Vorgänge in Jerusalem unter Anti-
ochos IV. ab 175 v. Chr. betont wird. H. zeigt, daß das Problem
der Hellenisierung des Judentums3 trotz seiner Besonderheiten
im großen Rahmen der Hellenisierung seiner
Umwelt zu sehen ist; er führt das gerade auch für das palästinische
Judentum vor (schon in I). Auf die Weiträumigkeit
der Problemstellung weist bereits der Obertitel des
Buches1; in ihm deutet sich das Bewußtsein der Eigenständigkeit
der Judenschaft an (daß man nicht zu den Barbaren
gehört, ist für das Judentum insbesondere der Diaspora bedeutsam
, das die hellenistische Zivilisation und Kultur weitgehend
übernimmt).

Eine besondere Rolle spielen politische, gesellschaftliche
und wirtschaftliche Faktoren in dem einleitenden Teil I,
„Die politische und soziale Geschichte Palästinas von Alexander
bis Antiochos III. (333-187 v.Chr.)", die vor allem
als eine Geschichte des Einflusses der hellenistischen Großmächte
auf Palästina und damit auf dessen Judenschaft erkennbar
wird (11—72). Trotz der Begrenztheit des Materials
ergibt sich durch die Auswertung der mannigfachen zeitgenössischen
Quellen in Papyri, Inschriften, archäologischen
Funden und den kritisch verarbeiteten Texten ein anschauliches
Bild der Geschichte der Judenschaft mitten in den
politischen und geistigen Auseinandersetzungen dieser anderthalb
Jahrhunderte. Zugleich wird in der Zeit weitgehend
der Grund gelegt für die Diaspora innerhalb der
hellenistischen Großreiche.

Dabei ist anfangs die Ansetzung von Juden als Militärsiedler
besonders bedeutsam; sie finden aber auch ihr Brot
als Landarbeiter und Handwerker (116-126). Schon in diesem
Zusammenhang (§ 9) werden die Probleme der „Juden
in einer griechischsprechenden Umwelt" (Obertitel des §)
sichtbar. Besonderes Anschauungsmaterial für „Die Übernahme
griechischer Sprache und Bildung ..." liefert Ägypten
(§ 10, begrenzt auf das der Ptolemäer). Hier ist eingehender
von der LXX die Rede (128-133), deren Einfüh-
>"ung die Ptolemäer nach H. aus Gründen der Staatsraison
gefördert haben dürften. H. kennzeichnet sie „als solide
.handwerkliche' Übersetzung" (131). Weiterhin «wird die
jüdische Literatur alexandrinischen Ursprungs (vor Philon)
besprochen. ..Zur Hellenisierung der Diaspora außerhalb
Ägyptens" (§11) können vor allem Inschriften zum Reden
gebracht werden (144-152). Die §§ 9-12 machen Teil III aus:
••Die Begegnung zwischen Judentum und Hellenismus in
der Diaspora und im Mutterland". Aus der Darstellung
selbst ergibt sich, daß diese sich dort und hier zumindest
zum Teil in verschiedener Weise vollzog.

Mit § 12, in dem ..D^r Einfluß der hellenistischen Zivilisation
im jüdischen Palästina..." skizziert wird (152-175)
- den der Vf. als nicht unerheblich betrachtet (u. a. auch
von der Diaspora und den Rückwanderern her) —. kehrt H.
in gewisser Weise zurück zu seinem opus grande, „Judentum
und Hellenismus"5. Auch wenn H. mannigfachen An-
Jaß hat. im neuen Buch auf ausführlichere Darlegungen
dort zu verweisen, ist dieses insgesamt keineswegs nur eine
Kurzfassung, sondern eine Weiterführung und Ergänzung

(7) des Standardwerkes6; es verwertet z. T. neues Material
(7) und ist völlig neu geschrieben. Der — Elias Bickerman
gewidmete — Band „ist die wesentlich erweiterte Zusammenfassung
zweier Beiträge, die ... in der Cambridge
History of Judaism erscheinen werden" (7). Er zeigt in der
Tat einerseits zumal durch seine Übersichtlichkeit die Vorzüge
der Darstellung eines Handbuchs, verbindet damit
aber andererseits eine weitgehende Dokumentation aus den
Quellen und eine Fülle von Hinweisen auf die moderne Literatur7
. Durch die Eigenständigkeit in der Beurteilung und
der Verarbeitung der Quellen — bei der volle Sorgfalt an
die exakte zeitliche Einordnung des Materials gewendet
wird — gibt er weit mehr als eine Einführung (gegen H. 8).
Seine Bedeutung zumal auch für die sogenannte neutesta-
mentliche Zeitgeschichte leuchtet vielfältig durch, im Blick
sowohl auf das palästinische Judentum wie auf das der Diaspora8
.

Halle (Saale) Gerhard Delling

• „Der Begriff der Hellenisierung Ist ... teilweise widersprüchlich
", 104 (kursiv), entsprechend 77. Immerhin s. u. A. 3.

' Untertitel des § 7: „Der Kampf um den politischen und sozialen
Status".

1 Eine Umschreibung für „Hellenisierung des Judentums" gibt
H. 73: „gegenseitige(n) Durchdringung von Judentum und hellenistischer
Kultur" (vgl. 7).

1 Variiert aufgenommen in der Uberschrift des § 7: „Hellenen, Barbaren
und Juden". Zu der — in aller Form offenbar nicht belegten,
aber der Sache nach begegnenden — Dreigliederung s. 93. 113.

• Tübingen 1969, '1973; s. dazu H.-F. Weiß, ThLZ 95, 1970 Sp. 343-346.

• Eine Epitome zu diesem wäre schon im Blick auf dessen Reichtum
nicht möglich.

' Für die nächste Auflage wäre ein Verzeichnis der wichtigeren
Abkürzungen (Zeitschriften, PRECA usw.) wünschenswert.

• Exemplarisch sichtbar macht H. den Ertrag solcher Forschungen
für das Verständnis der Geschichte des Urchristentums etwa in seinem
Aufsatz Zwischen Jesus und Paulus, ZThK 72, 1975, 151-206.

NEUES TESTAMENT

Osten-Sacken, Peter von der: Römer 8 als Beispiel pawlinl-
scher Soteriolofrie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1975. 339 S. gr. 8° = Forschungen zur Religion und Literatur
des Alten und Neuen Testaments, hrsg. von E. Käsemann
und E. Würthwein, 112. DM 68,—; Lw. DM 74,—.

Das vorliegende Buch - eine Göttinger Habilitationsschrift
vom Jahre 1973 - scheint zunächst nur die Reihe
jener exegetischen Untersuchungen fortzusetzen, die in den
letzten Jahren erschienen sind und ein zunehmendes Interesse
an diesem für den Römerbrief wie auch für das theologische
Denken des Paulus insgesamt zentralen Kapitel erkennen
lassen. In methodischer wie in sachlicher Hinsicht
knüpft es an die Ergebnisse und Fragestellungen der bisherigen
Literatur an und kann angesichts der äußerst detailliert
geführten Auseinandersetzung mit ihr geradezu als
ein Kompendium der gegenwärtigen exegetischen Diskussion
zu Römer 8 gelten. Gleichwohl zeigt bereits sein Titel
an, daß hier das 8. Kapitel des Römerbriefes in einem umfassenderen
Horizont gesehen wird als in sämtlichen bisher
zu diesem Textzusammenhang erschienenen Untersuchungen
: „Römer 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie" — So-
teriologie hier verstanden im Sinne der „unlöslichen Einheit
von Christologie, Pneumatologie und Eschatologie"
(S. 12 f. sowie S. 319-321) -, dies setzt nicht nur die Erkenntnis
der Einheitlichkeit dieses Kapitels voraus, sondern darüber
hinaus auch die Einsicht in die grundlegende Bedeutung
des Kontextes von Rom 8 als des hermeneutischen
Horizontes, innerhalb dessen allein eine sachgemäße Interpretation
der einzelnen Aussagen von Rom 8 möglich und
legitim ist (S. 10 f.). In diesem Sinne wird in dem vorliegenden
Buch nicht nur die Erkenntnis von Rom 5—8 als
einer „Ringkomposition" erneut zur Geltung gebracht (S. 57
bis 60 sowie S. 157-159), sondern darüber hinaus Röm 5-7