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Ausgabe:

1978

Spalte:

103-104

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wallis, Gerhard

Titel/Untertitel:

Seybold, Klaus, Bilder zum Tempelbau 1978

Rezensent:

Reventlow, Henning

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103

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2

104

Schnittpunkt der Windrichtungen allein der Zion. „Sachar-
jas Visionen stehen im Traditionsstrom der Zionstheologie"
(S.82).

Bleibt jedoch noch immer nach dem echten, eigentlichen
Erleben des Propheten zu fragen! So behandelt der Vf. im
9. Kapitel „Psychologische Aspekte" (S.86—93). Die geschauten
Bilder sind im wesentlichen an natürlichen Größenmaßstäben
orientiert, ihr Charakter ist eidetisch-drama-
tisch, kann aber nicht als halluzinatorisch angesprochen
werden. Die Symbolsprache bewegt sich ganz im Traditionellen
. Das 10. Kapitel „Perspektive und Intention" (S. 94
bis 106) schließt die eigentliche Darbietung ab und gipfelt
in der Erkenntnis: „So gesehen sind sie eine Art Heiligtumslegende
, eine Gründungs- und Legitimationsschrift
für den zweiten Tempel, ein
Hieros-Logos-Dokument..." (S. 100). Die Zusammenfassung
(S. 107—110) bemüht sich dann noch einmal,
die Ikonographie zu lokalisieren und sucht ihren Ursprung
direkt oder indirekt in der Bilddarstellung des Zweistromlandes
. Für die zeitliche Ansetzung gilt: „Eine Nacht bildet
den zeitlichen Rahmen der Erlebnisse, nicht der Gesichte"
(S. 109). „Die ersten Phasen zumindest sind im Umkreis des
zweiten Jerusalemer Tempels zu lokalisieren" (S. 110).

Der Leser wird feststellen müssen, daß der Autor auf dem
engen Raum eine Darstellung von beachtlicher Geschlossenheit
, Systematik und Eindrücklichkeit geboten hat, was andererseits
nicht bedeutet, daß er methodisch oder inhaltlich
wesentlich über bisherige Erkenntnisse hinausgeführt hat;
aber dies ist wohl auch gar nicht seine Absicht gewesen.
Vielmehr läßt das sehr reichhaltige Literaturverzeichnis
(S. 114—122) erkennen, daß der forschungsgeschichtliche
Abriß hier mit eigenen Aspekten verflochten werden soll.
Damit steht der Autor dieses Büchleins ebenso wie die Visionen
des Propheten Sacharja im großen Traditionsstrom
der Fragen nach Form und Inhalt. Dennoch bleibt die Frage
nach der Idee einer dramatisierenden Gestalt der Zukunftsweissagungen
ungeklärt, die ja eben nicht Träume oder
Visionen im eigentlichen Sinne sein wollen. Dennoch verlangt
diese Frage nach einer Antwort, die vielleicht nicht
aus dem Alten Testament selbst und allein abgeleitet werden
kann und soll. Die Wichtigkeit dieser Problematik ist
darin begründet, weil damit auch eine Antwort auf die
Frage nach Wesen und Herkunft der Apokalyptik möglich
wird.

Halle (Saale) Gerhard Wallis

Gooding, D. W.: Relics of Ancient Exegesis. A Study of the
Miscellanies in 3 Reigns 2. Cambridge — London — New
York — Melbourne: Cambridge University Press [1976].
VIII, 132 S. 8° = Society for Old Testament Study. Mono-
graph Series, ed. by R. E. Clements, 4. Lw. £ 5.80.

Dieses Buch ist ein Spezialissimum der Septuaginta-For-
schung. Gegenstand sind die beiden Erweiterungen, die der
LXX-Text im Anschluß an die Verse 3 Regn 2, 35 und 46
gegenüber der masoretischen Vorlage (lKön 2) in V. 35a—o
und 46a—1 aufweist. In minutiöser Kleinarbeit geht der Vf.
der Entstehung und Bedeutung dieser beiden Passagen nach,
wobei ihn die Grundbeobachtung leitet, daß sämtliche in
ihnen enthaltenen Materialien bis auf wenige Ausnahmen
(wie V. 35k) bestimmten, wenn auch an anderen Stellen befindlichen
masoretischen Versen entsprechen, daß sie teilweise
andere Ubersetzungen als der Haupttext der LXX
(oder in diesem gar nicht vorkommende) bieten, und daß
auch die Stellung dieser Abschnitte mit einer bestimmten
Absicht verknüpft zu sein scheint (3 f.). Bei näherer Untersuchung
(Kap. 3,18 ff.) stellen sich beide Abschnitte als Beispiele
typisch midraschischer (halachischer) Exegese heraus
, die paraphrasierend in den Text selbst geraten ist. Als
Absicht dieser Auslegung ergibt sich 1. eine gewollte, die

tatsächliche historische Abfolge der Ereignisse verändernde
Einordnung der Notiz über die Heimführung der Pharaonentochter
in das für sie gebaute Haus, also ihre Heirat
durch Salomo (V. 35 f.), wodurch dieser Vorgang noch nach
dem Bau des Millo angesetzt und dadurch als Schlußpunkt
der Bautätigkeit des Königs dargestellt wird, u. a. mit der
Absicht, den Bau des Tempels vor dem des eigenen Palastes
Salomos erfolgen zu lassen und diesen dadurch in
rabbinischen Augen zu entlasten (19—21), sowie die auch
sonst in der rabbinischen Exegese belegbare Vorstellung,
daß sich der Herrschaftsbereich Salomos ständig eingeengt
habe, was der Midrasch durch die Anordnung der Verse 46b.
46f. 46k. 461 in der Weise suggeriert, daß Salomos Reich zuerst
ein Weltreich, schließlich auf Jerusalem beschränkt
gewesen sei — ebenfalls eine vollkommen unhistorische Betrachtungsweise
(23-29). Das folgende Kapitel 4 (30 ff.) behandelt
die verschiedenen Kategorien des Materials in den
beiden Abschnitten (Hinzufügungen, Anpassungen, verschiedene
Arten von Übersetzungen und Rückgriffe auf andere
Abschnitte des masoretischen Textes — besonders aus
Paralleltexten der Chronikbücher), Kap. 5 (50 ff.) behandelt
noch eingehender einige Spezialfälle, wie die abweichenden
Angaben über die Zahl von Salomos Frondienstaufsehern
in V. 35 d. h. gegenüber den masoretischen und im Haupttext
der LXX (5, 30) enthaltenen Nachrichten — wobei sich
der Text LXX 5, 30 als der Versuch einer Verbesserung der
unklaren masoretischen Angaben herausstellt — sowie
einige andere ähnliche Fälle. Kap. 6 (93 ff.) befaßt sich mit
einem (aus lKön 5,18 M genommenen) Zusatz im Lukiani-
schen Text in V. 46g, Kap. 7 (96 ff.) mit den beiden Fassungen
von lKön 2, 8—9 (dem ersten Teil der Simei-Geschichte)
in 3 Regn 2,8-9 (LXX-Haupttext) und 2,351-0 (Erweiterung
), wobei die Frage unentschieden bleibt, ob die zweite
Fassung, die mehrere Ubersetzungsirrtümer enthält, ursprünglich
ein Bestandteil des Haupttextes oder von Anfang
an der Erweiterung war.

Kap. 8 (106 ff.) faßt die Ergebnisse zusammen: die Erweiterungen
haben keine durchlaufende Tendenz; in ihrer mi-
draschischen Gestalt können sie Beispiel sein für die Art
von Textbearbeitung, wie sie auch sonst in Spuren in der
LXX festzustellen ist. Die Frage der Textautorität der Bibel
in der alten Kirche wird damit angesprochen: dort war, wie
auch im zeitgenössischen Judentum, der paraphrasierende
Charakter der LXX-Traditionen wohl bekannt, so daß die
Autorität des masoretischen Textes als letztlich allein maßgebliches
Korrektiv unbestritten blieb.

Wir haben in der besprochenen Arbeit eine Art von Kleinkunst
vor uns. Vieles ist sehr breit entwickelt, immer wieder
wird der LXX-Text ganz und in Abschnitten wörtlich
abgedruckt, an Raum ist nicht gespart. Das Ganze hätte sich
vermutlich auch in einem Zeitschriftenaufsatz unterbringen
lassen. Immerhin ein für die Einschätzung der zeitweilig
weit überschätzten LXX als Textzeuge erhellender Beitrag,
den allerdings wohl nur Spezialisten zur Kenntnis nehmen
müssen.

Bochum Henning Graf Reventlow

Mittmann, Siegfried: Deuteronomium Ii—63 literarkritisch
und traditionsgeschichtlich untersucht. Berlin—New York:
de Gruyter 1975. X, 189 S. gr. 8° = Beiheft zur Zeitschrift
für die alttestamentliche Wissenschaft, hrsg. von G. Fohrer
, 139. Lw. DM 88,-.

Diese Arbeit, der Abdruck einer Tübinger Habil.-Schrift
von 1971, reiht sich würdig in die stark angewachsene Deu-
teronomiumforschung (vgl. ThLZ 92, 1967 Sp. 751-754; 94,
1969 Sp. 260-262; 95, 1970 Sp. 260-262; 97, 1972 Sp. 825-827)
ein. Sie schließt darin eine Lücke, denn die betr. Kapitel
wurden noch nicht zusammenfassend monographisch untersucht
. Lediglich K. 1—3 waren schon von. J. G. Plöger (Lite-