Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1978

Spalte:

95-100

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Groos, Helmut

Titel/Untertitel:

Albert Schweitzer 1978

Rezensent:

Jenssen, Hans-Hinrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

95

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2

96

amicum vel inimicum, motus pro eo oras. Tunc benedicls in chari-
tate, quando detractori resistis, nulla alia causa quam quia fratrem,
amicum vel inimicum, animo complexus non potes ferre, ut eius
fama polluatur, inquam spe vel gloriae vel amiciciae sed purae
benevolentiae, qua Uli bonum optas. Sic caetera omnia in charitate
facis, quando in eis non nisi bonum et commodum proximi tui pror-
sus cuiuslibet, amici vel inimici, spectas.

" Si autem aliquid in nobis est, non nostrum sed dei donum est:
si autem dei donum est, iam charitati totum debetur, id est legi
Christi: si charitati debetur, iam non mihi sed aliis per ipsum ser-
viendum est. Ita mea eruditio non est mea, sed ineruditorum, qui-
bus eam debeo: mea Charitas non est mea, sed carne peccantium,
quibus per eam servire debeo, eam deo offerendo pro Ulis, eos sus-
cipiendo, excusando, ac sie mea honestate eorum turpidinem ve-
lando coram deo et hominibus, sicut i. Cor. xij. scribit, quod inho-
nesta membra per honestiora membra teguntur: sie sapientia mea
stultis, sie potentia oppressis, sie divitiae pauperibus, sie iusticia
peccatoribus, hae enim sunt formae dei, quas exinaniri oportet, ut
formae servi in nobis sint, quia his omnibus coram deo stare et me-
diare debemus pro Iis, qui ea non habent, tanquam aliena veste
induti, non secus ac sacerdos in sacro ornatu sibi alieno pro circum-
stantibus sacrificat, sed et coram hominibus adversus detractores
aut violentos eadem charitate Ulis servire debemus. Sic enim Christus
pro nobis feeit. Hic est ille caminus domini in Zion, dulcis illa
misericordia patris, qui tarn inaestimabili virtute nos copulare vo-
luit. Hac tessera, hoc symbolo, hac nota discemimur Christianl ab
omnibus populis, ut essemus deo in peculium et genus sacerdotale
et regale sacerdotium (WA 2, 606, 1 ff.).

" Ebd. 580, 24-581, 25. « Ebd. 580, 28 ff. «• Ebd. 580, 31 ff.

" Ebd. 581, 12 ff.

•* DS I 29—147. Natürlich hat Bucer in der Zeit bis dahin auch eine
umfassende Entwicklung erlebt. Nicht auf diese kommt es hier jedoch
an, sondern auf die Herausarbeitung der Kontinuität der systematischen
Grundgedanken.

" S. th., Prolog zu I 2: Quia lgitur principalis intentio hujus sacrae
doctrinae est Dei cognitionem tradere, et non solum secundum quod
in se est, sed etiam secundum quod est prineipium rerum et finis
earum, et specialiter rationalis creaturae, ad hujus doctrinae expo-
sitionem intendentes: primo tractabimus de Deo, secundo de motu
rationalis creaturae in Deum, tertio de Christo, qui, secundum quod
homo. via est nobis tendendi in Deum.

Ebd. Prolog zu 1 II: Postquam praedictum est de exemplari, sci-
licet de Deo et de his quae processerunt ex divina potestate secundum
ejus voluntatem, restat ut consideremus de ejus imagine, id
est de homine secundum quod et ipse est suorum operum prineipium
, quasi liberum arbitrium habens.

71 Zum Aufbau der s. th. vgl. M.-D. Chenu, 343-361. Die Frage, ob
Thomas dabei auf das exitus-reditus-Schema rekurrierte, kann für
unseren Zusammenhang auf sich beruhen.

7! Vgl. u. Kühn, 131 ff.

75 Gott hat alle ding umb seint willen geschaffen, darumb solten
sye alle uff yn gericht und ym dienstlich sein. DS I, 45, 12 f.

74 Z. B. ebd., 46. 12 ff.: Der hymel laufft und scheynt ym selb nit,
sonder allen andern geschöpfften. dergleich das ertrich tregt ym
selb nit, sonder den andern creaturen. Also all gewächs und alle
thyer was sye seind, haben, vermögen und thun. ist alls zu nutz und
fürderung andern creaturen und bevorab des menschen gerichtet.

" Etwa ebd., 48, 13 ff.: das also er, der mensch, auch seins gleichen
habe, dem er in beydem leiplichem und auch geistlichem, dieweil
sein natur beyder art ist, dyenen und fürständig sein möge.

71 So z. B. Frecht an Bucer über dessen Eheschrift (8. 1. 1534): Nova
quidem videbuntur pleraque nostris, sed ea prudentia Tu diluisti
hoc, ut non immerito piis omnibus vetustissima illa videri debeant.
Veesemeyer, Frechts Briefe (Kopien), Ulm U 9855, Bl. 61r.

77 5 3 . 24 ff. 7« 57, 10 ff.

™ Vgl. dazu jetzt (mit weiteren Literaturangaben): M. de Kroon,
De christelijke overheid in de schriftuitleg van Martin Bucer en Johannes
Calvijn. in: Festschrift van der Linde, Amsterdam 1976, 61
bis 74.

M DS I 58, 21 ff.

" Martini Buceri Opera Latina, Bd. 15, Paris 1955. Dazu: W. Pauck,
Das Reich Gottes auf Erden. Berlin-Leipzig 1928.

85 Vgl. dazu außer der in Anm. 49 und 50 genannten Literatur noch
L. W. Spitz, The Religious Renaissance of the German Humanists.
Cambridge, Mass. 1963.

" DS I 46, 1 ff.: also mögen und sollen wir seine creaturen ym in
disem regiment seiner gütigkeit dyenstlich sein. Nemlich das ein
yede creatur mit dem, das sye gott gemacht und ir geben hat, den
andern allen dyene zum guten, damit uffgang und allenthalb schein
diß sein lob.

" So z. B. 98, 12 ff. (Summary): Hört: das gesatz und die Propheten
ist, das ir den leüten thun sollent, nit gott, nit den heyigen, nit
den todten. Den leüten sollen ir thun und alles das thun, das ir
wollen, das sye auch eüch thuen. Das ist nit mesß, gesang und dergleichen
stifften, sonder, wie auch obgemelt, die hungerigen spey-
sen, die dürstigen trencken etc.

■> Ebd. 48, 31 ff. " Ebd. 48, 36 ff.; 49, 2 ff. 17 Ebd. 49, 22 ff.

" 50, 9 ff.; 25 ff. «• 50, 32-51, 7.

Besonders das „Summary" verdeutlicht dieses Verständnis des
sola scriptura auf Schritt und Tritt.

" Das zeigt bereits der erste Satz des Buches „Das ym selbs",
wenn Bucer mit Prov 16, 4 genau so wie Thomas den Bezug der
Schöpfung auf Gott belegt.

" Vgl. dazu meinen Aufsatz über Bucers Bücherverzeichnis von
1518 sowie das Register von DS II

" DS I 86, 15 ff. " Ebd. 87, 9 ff.

•s 125,19 ff. („Summary"); in der „Verantwortung" (zumeist nicht
ausgewiesen) vgl. u. a. 156, 3 f.; 174,12 ff.; 175, 22 ff; 176,11 f.; 179,
29 ff.; 183,15 ff.

" Diese Seite ist bisher zu wenig berücksichtigt worden, auch
nicht in der materialreichen Arbeit von W. P. Stephens. The Holy
Spirit in the Theology of Martin Bucer. Cambridge 1970.

" DS I 121, 9 so. •■ Ebd. 84, 4 ff. " Ebd. 84, 27 ff.

1M Ebd. 60, 1 ff. '" Ebd. 60, 6 ff.; 61, 7 ff.

Ebd. 61,1 ff.: Ja möchten wir nur glauben, solch durch Christum
widerbringen, versünen und verfassen, reychet auch an uns, on
zweifei wurde uns der geist der woren liebe widerfaren, die mitnichten
das ir, sonder in allen dingen die wolfart der nechsten bedächte
und suchet. Der besonders von J. Müller (Hermeneutik,
31-40 u. ö.) erhobene Vorwurf der Intellektualisierung der Theologie
durch Bucer ist allzu einseitig.

"» Ebd. 61, 7 ff. "' Ebd. 67, 2 ff.

115 So ebd. 65, 4 ff.: Und hyebey mag auch mänigklich wol lernen,
was er für ein glauben hat. Dann bringt er solche sein selbs ver-
leückung und begabung zu dyenst aller menschen, das er mitnichten
im selb hynfürt, sonder gäntzlich den nechsten gott zu lob lebe, nit,
so ist er auch kein worer rechtgeschaffner glaub, sonder tod ist er
und kein glaub. Bringt ers aber doch schwach und unvolkummen,
so ist der glaub auch schwach und unvolkummen.

'•• Ebd. 66, 6 ff.

1,7 Lambert Leyssen hat in seiner Studie: Martin Bucer, de Theologie
van de Romeinenbriefcommentaar en de invloed van Thomas
van Aquino, Löwen 1968, auf diesen Traditionsstrom aufmerksam
gemacht. Wichtiger wäre eine Untersuchung der bucerschen Auslegung
im Vergleich zu den Werken anderer zeitgenössischer Dominikaner
wie Johannes Dietenberger (Phimostomus Scripturariorum,
1532), Johannes Mensing (Antapologie,.2 Bde., 1533-1535), Cajetan
(De flde et operibus, 1532) und Michael Vehe (Assertio sacrorum
quorundam axiomatum, 1535). Diese Hinweise verdanke ich V. Pfnür,
Einig in der Rechtfertigungslehre? Wiesbaden 1970, 273-384.

'•• Vgl. WA 2, 497, 25 ff.

"" Als ein Beispiel für viele sei DS I 99, 28 ff. („Summary") genannt
.

"• So der Kommentar zum „Summary" in DS I 70-147.
111 Anders, nämlich in betont alternativen Deutungen, verstehen
die Kommentare zu DS I diesen Sachverhalt.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Groos, Helmut: Albert Schweitzer. Größe und Grenzen. Eine
kritische Würdigung des Forschers und Denkers. München
-Basel: Reinhardt 1974. 841 S. gr. 8°. Lw. DM 58,-.

Der Autor stellt sich dem Leser gleich auf den ersten Seiten
seiner durchaus monumental zu nennenden Monographie
folgendermaßen vor: „Wenn er vielleicht manchem als
Schweitzers schärfster Kritiker erscheinen wird, so hält er
sich doch zugleich für einen seiner überzeugtesten Bewunderer
und Verehrer" (S. 13). Läßt man den Superlativ einmal
unbeachtet, ist jedenfalls zu sagen, daß H. Groos in der
Tat mit umfangreicher und scharfer Munition angetreten
ist, um Schweitzers Grenzen vor allem als neutestament-
licher Forscher und philosophischer Denker aufzuzeigen,
ohne seine Größe insbesondere als Mensch, aber auch als
Forscher und Denker zu verkennen. Für alle, die Albert
Schweitzer nicht nur als überragenden Menschen verehren,
sondern gerade auch, — wie er es selbst getan hat —, sein
Denken als zukunftweisend ansehen, stellt das Buch von
Groos eine ganz erhebliche Herausforderung im besten
Sinne des Wortes dar, kommt es doch zu dem Ergebnis, „daß
Schweitzer unserer Zeit kein sicherer Führer bei der Klärung
der Grundfragen der religiösen Weltanschauung und
auf dem Gebiete der Ethik geworden ist. Er hat weder auf
die Frage, was der heutige Mensch glauben kann, noch auf
die, was er tun soll, eine insgesamt befriedigende, d. h. sowohl
unanfechtbare als auch einigermaßen erschöpfende
Antwort gegeben" (S. 798). Zu kapitulieren brauchen sie, —
jedenfalls nach Auffassung des Rezensenten —, keineswegs.
Während Harald Steffahn in seinem ebenfalls von uns besprochenen
Schweitzerbuch „Du aber folge mir nach", Paul
Haupt 1974, grundsätzlich dem Votum Schweitzers beipflichtet
: „Das bleibende Haus, so hoffe ich, wird mein Denken
sein", urteilt H. Groos, „daß es sich in Wahrheit doch wohl
umgekehrt verhält: Lambarene ist das Größte an ihm, das
Bleibende von ihm — wie immer es mit dieser Institution
weitergehen mag —, bleibend auf jeden Fall als ein weithin
sichtbares Symbol der Menschlichkeit", wenn auch der Denker
und Forscher „nicht über Gebühr zurücktreten" dürfe
(S. 803).

Während Groos im Anschluß an entsprechende Urteile
von Neutestamentlern Schweitzers „Mystik des Apostels
Paulus" verhältnismäßig positiv wertet, kritisiert er mit
starkem Engagement und einer imponierenden Belesenheit
auf rund 260 Seiten die Position der konsequenten Eschato-
logie, mit der Schweitzer die Probleme der Leben-Jesu-