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Ausgabe:

1978

Spalte:

72-74

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Schleiff, Hans

Titel/Untertitel:

Gottesgehorsam und Gottesreich 1978

Rezensent:

Schleiff, Hans

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

72

Schirr, Jörg: Motive und Methoden frühchristlicher Ketzerbekämpfung
. Diss. Greifswald 1976. XVIII, 195 S.

Das Ringen um die rechte Auslegung des Bekenntnisses zu
Jesus von Nazareth und die Suche nach der angemessenen
christlichen Praxis lassen schon in frühchristlicher Zeit die Notwendigkeit
, bestimmte Deutungen des Evangeliums als illegitim
abzuweisen, erkennen. Die vorliegende Arbeit unternimmt
es, einen Überblick über die allgemeinen Vorstellungen,
Verhaltensmuster und Maßnahmen zu geben, mit denen die
frühchristlichen Gemeinden dem Phänomen ,Häresie' begegnen.
Untersucht werden der neutestamentliche Kanon, die Apostolischen
Väter und die Epistula Apostolorum, d. h. der Zeitraum
bis etwa zur 1. Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts
.

I Das Phänomen 'Häresie' und seine terminologischen Bezeichnungen
in der frühchristlichen Literatur (S.l-19)

Am Anfang der Entwicklung des Christentums steht nicht
ein Dogma oder eine Lehre, sondern das Bekenntnis zu Jesus
von Nazareth in vielfältigen Variationen. Die sich daraus
ergebende Pluralität christlicher Traditionen kann in bestimmten
Fällen nicht ertragen werden. Von Anfang an kommt es
zur Abweisung bestimmter die Grenzen des Christlichen überschreitenden
Gruppen.

Keine der frühchristlichen Gemeinden, die sich in Auseinandersetzung
mit als illegitim verstandenen christlichen Strömungen
befinden, verwendet zur Kennzeichnung des jeweiligen
Gegenübers einen zusammenfassenden Begriff im Sinne
eines terminus technicus. Die Bezeichnungen hairesis, schisma,
dichostasia etc. werden erst von der Großkirche als termini
technici im antihäretischen Kampf genutzt. Das Phänomen
Häresie begegnet in der Frühzeit in vielschichtigen Dimensionen
und läßt sich nicht allein auf das Moment falscher Lehre
reduzieren. Häresie und Orthodoxie sind dynamische Begriffe,
die das sich je verändernde Verhältnis der sich in Auseinandersetzung
um Lehre und Praxis gegenüberstehenden christlichen
Gruppen anzeigen.

II Grundlegende Motive im Rahmen der frühchristlichen
Ketzerbekämpfung (S.20-95)

In einem ersten Hauptteil wird den traditionellen Vorstellungen
nachgegangen, mit denen die frühchristlichen Gemeinden
bei der Abwehr häretischer Strömungen immer wieder
operieren. Die Grundmotive lassen sich in drei Kategorien
gliedern:

1. Motive zur Beurteilung und Einordnung des Phänomens
'Häresie': Fast alle in Auseinandersetzung mit Erscheinungsformen
von Häresie befindlichen frühchristlichen Schriften
greifen zur theologischen Bewältigung des Phänomens Häresie
auf allgemeine, aus der Tradition übernommene und modifizierte
Vorstellungen zurück. Die Motive 'Satansmotiv', 'Endzeitmotiv
', 'Motiv von der dämonischen Abstammung der Irrlehrer
' kennzeichnen die Häresie als widergöttliche Bewegung,
die als bleibendes Gegenüber zur rechtgläubigen Gemeinde
verstanden wird.

2. Motive zur Differenzierung zwischen 'Rechtgläubigkeit'
und 'Häresie': Mit dem Motiv von der Erkennbarkeit der
Häretiker an ihrer Praxis (Fruchtmotiv) wird der Versuch
unternommen, Kriterien zur Differenzierung zwischen Orthodoxie
und Häresie zu erstellen.

3. Motive, die der Beantwortung der Frage nach dem Schicksal
der Anhänger der Häresie dienen: Die Vergeltung häretischen
Verhaltens wird durch die Motive vom 'Ausschluß aus
der basileia tou theou' und vom 'Gericht über die Irrlehrer'
als durch das göttliche Strafgericht festgelegt beschrieben. Mit
Ausnahme des Kolosserbriefes verzichtet keine der ketzerbekämpfenden
frühchristlichen Schriften auf die Anwendung
eines oder mehrerer dieser grundlegenden Motive. Sie bilden
die Basis, von der aus sich die konkrete Auseinandersetzung
mit der jeweiligen Form von Häresie vollziehen kann.

III Zentrale Motive der frühchristlichen Ketzerpolemik
(S.96-142)

Die Ketzerpolemik dient im Gegensatz zu den grundlegenden
Motiven der Ketzerbekämpfung nicht mehr dem Ziel, die

häretische Bewegung als komplexes Phänomen theologisch zu
bewältigen, sondern will bewußt die einzelnen Vertreter häretischer
Bewegungen theologisch und vor allem moralisch disqualifizieren
. Ketzerpolemik setzt nicht erst mit dem Judasbrief,
dem 2. Petrusbrief und den Pastoralbricfen ein, sondern begegnet
schon in den ersten Jahren des Christentums. Sie ist
immer ein letztes Mittel der im Abwehrkampf stehenden Gemeinden
, dient dem Ziel, das Selbstbewußtsein der in diesem
Kampf stehenden Gemeinden zu stärken und hängt stark von
der Position des jeweiligen Gegenübers ab.

Als zentrale Motive der Ketzerpolemik werden dargestellt:
die Verwendung von Lasterkatalogen, der Vorwurf der Unsitl-
lichkeit, der Vorwurf des besonderen Erfolgs bei Frauen, der
Vorwurf der Gewinnsucht, die Bestreitung der Ernsthaftigkeit
der gegnerischen Mission und der Vorwurf der Goctie.

Die frühe Christenheit bedient sich bei der Kctzerpolemik
der in der Umwelt vorfindlichen Modelle der Polemik, wie sie
das Judentum im Kampf gegen die Heiden und die griechische
Philosophie in der Debatte mit der Sophistik verwenden.
IV Konkrete Maßnahmen der Ketzerbekämpfung (S. 143-186)

Die in frühchristlicher Zeit nachweisbaren Modelle konkreter
Maßnahmen der Ketzerbekämpfung zeugen von dem Bemühen,
die Integrität der jeweiligen Gemeinden in Praxis und Lehre
durchzusetzen. Alle konkreten Maßnahmen der Ketzerbekämp
fung sind in Anlehnung an die vorgegebenen Beispiele frühchristlicher
Scclsorge, beginnender Kirchenzucht und jüdischer
Synagogalpraxis unter dem Eindruck der jeweiligen Situation
des antihäretischen Kampfes neugebildet worden und haben
keine Parallelen in der Umwelt. Durch sie gelingt eine erste,
sehr wirksame, freilich zeitlich und regional begrenzte Abweisung
häretischer Bewegungen.

Dargestellt werden u. a. die 'Mahnung zur Wachsamkeit',
'Anweisungen zur Prüfung der Rechtgläubigkeit', 'Anweisungen
zum Verhalten gegenüber dem erkannten Häretiker' (Verbot
des Kontakts, Verweigerung der Gastfreundschaft, katalogartige
Anweisungen zu einem stufenweisen Vorgehen gegen
Häretiker, Anweisungen zur Trennung zwischen Orthodoxie
und Häresie in den Ortsgemeinden, Verbot der Auseinandersetzungen
mit Häretikern, Bindung an die Autorität von Amtsträgern
).

In einem zusammenfassenden Abschnitt (V) werden die Ergebnisse
der Dissertation festgehalten und Erwägungen zur
bleibenden Bedeutung frühchristlicher Modelle der Ketzer-
bekämpfung angestellt (S.187-195).

Schleiff, Hans: Gottesgehorsam und Gottesreich. Eine theologische
Auseinandersetzung mit der Religionsphilosophie
Immanuel Kants. Diss. Halle 1975. III, 211 S.

Die Arbeit untersucht, ob und in welcher Weise das Denken
und das Erkennen des Menschen von seinem Ethos abhängen,
und sie geht von daher auf die Frage nach dem Verhältnis von
Philosophie und Theologie ein. Das Problem an diesem Verhältnis
entsteht dadurch, daß beide Disziplinen einen eigenen
Gottesbegriff haben und beider Gottesbegriffe doch, seit man
sich von Hegels System losgesagt hat, unvermittelt und ohne
inneres Verhältnis nebeneinanderstellen. Die Theologie verwirft
den Gottesbegriff der Philosophie als Weltweisheit und
verweist stattdessen auf den ganz anderen Gott, der als
Schöpfer und Erlöser über der Welt steht. In der Bibel findet
sie demgemäß keinen metaphysischen Gottesbegriff, sondern
den anredenden, berufenden und begnadigenden Gott, der sich
nie auf einen solchen Begriff bringen läßt.

Die Theologie hat sich damit über Hegels Synthese von
antiker Volksreligion und positivem Christentum erhoben. Will
man das Christentum allein zur Sprache bringen, so wird man
hinter diese Position der Theologie nicht wieder zurückgehen
können. Ein Weg über diese Position hinaus eröffnet sich aber
dann, wenn man bedenkt, daß für die Theologie in der Zeit
nach Hegel der Mensch erst zwischen Gott und Welt stand:
Nicht mehr in der Welt beheimatet, konnte er sich Gott und
Welt nicht mehr in ontologischer Kohärenz denken; noch in