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Ausgabe:

1978

Spalte:

918-919

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Eichler, Ulrike

Titel/Untertitel:

Der klagende Jeremia 1978

Rezensent:

Eichler, Ulrike

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917

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 12

918

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Baldauf, Christfried: Läutern und prüfen im Alten Testament.
Begriffsgeschichtliche Untersuchung zu srp und bhn. Diss.
Greifswald 1970. VI, 180 S.

Die Arbeit untersucht die hebräischen Wurzeln srp und bhn.
Beide zusammen zu behandeln, legt sich von daher nahe, da sie
sich im AT vielfach berühren; zuweilen wurden sie als synonym
betrachtet, und auch im theologischen Sprachgebrauch werden
„prüfen" und „läutern" besonders im Zusammenhang der Leidensprüfung
oft eng nebeneinander verwendet. Demgegenüber gilt es,
beide genauer zu differenzieren. Die Aufgabe wird in einem einleitenden
Abschnitt (1-3) kurz umrissen. Es folgen die beiden
Hauptteile, in denen den beiden Begriffen gesondert nachgegangen
wird (I: srp, 3-75. II: bhn, 76-159). Beide Teile sind gleich gegliedert
. Sie behandeln unter A den statistischen Befund, etymologische
Fragen und den technologischen Hintergrund; sie bringen
unter B die Einzelexegese aller Stellen und unter C eine Zusammenfassung
.

srp, im AT 29mal belegt, steht in Verbindung mit akkadisch
saräpu, u. zw. gehört es nach Zimmern zu den Worten, die zwar
gemeinsemitisch sind, in einer bestimmten technischen Bedeutung
aber aus dem Akkadischen entlehnt. Diese ist hier „läutern durch
Schmelzen". Dabei steht es besonders in Beziehung zur Technologie
des Silbers (akk. sarpu), das durch läuterndes Schmelzen von
unedlen Bestandteilen gereinigt wird. Das Derivat mäsrep bezeichnet
den Schmelztiegel. Der Profangebrauch des Verbs wird
repräsentiert durch das Part, sorep als der Berufsbezeichnung für
den Gold- und Silberschmied. Nach dessen relativ häufigem Vorkommen
im AT handelt es sich um eine wohlbekannte Anschauungsebene
, wenn sein Tun sodann in theologischer Rede
bildhaft verwendet wird. Diese Bildreden beginnen bei Jesaja
(1,25) und kehren dann bei den Propheten immer wieder: Gott
läutert sein Volk durch sein richtendes Einschreiten, wodurch die
untauglichen Glieder vom Ganzen abgeschieden werden. Zum
Ende des AT hin erfolgt eine Verschiebung zu einer Reinigung des
einzelnen. Indem der Läuterungsgedanke auf ein Ziel weist, wird
er auch geeignet zur Bewältigung von Leiden, zunächst solcher in
der Vergangenheit wie das Exil, sodann aber auch noch bevorstehender
, nämlich in der der Heilszeit voraufgehenden Leidenszeit
. - Auch die von der Hauptbedeutung abweichenden Stellen
lassen sich von jenem technischen Gebrauch herleiten: Ri 7,4 als
eine frühere bildhafte Ableitung; eine Stellengruppe mit dem Part,
pass. im Sinne von „rein, frei von unedlen Bestandteilen";
Ps 105,19 als aktive Entsprechung dazu („als rein, zuverlässig erweisen
") und Ps 17,3; 26,2 als Annäherung an bhn.

bhn, 28mal im AT, leitet sich her von ägyptisch bhn als der
Bezeichnung für den Probierstein. Den technischen Hintergrund
bildet somit die Edelmetallstrichprobe, die besonders auf Gold
angewandt wurde. Sie ergibt auf dem Stein einen Goldstrich, an
dessen Earbe der Goldgehalt abgeschätzt werden kann. Es ist also
wesentlich ein Prüfen mit den Augen, nichts Gewaltsames. Dem
entspricht, daß das Verb an den gesicherten Stellen des Profangebrauchs
, bereits ins Geistige übertragen, ein Prüfen der Rede
bezeichnet, das nach deren Wahrheit fragt. Die umstrittene Zugehörigkeit
von bähän und bähün ist von der Grundbedeutung her
möglich. Ob bohän Jes 28,16 den Stein meint, bleibt offen. - Auch
in theologischer Rede vollzieht sich das Prüfen als ein Sehen und
Erkennen. Gott prüft die Menschen bis in ihr Innerstes. So begegnet
das Wort vor allem bei Jeremia und in den Psalmen. Die
Wendung von Jahwe als dem „Prüfer von Herz und Nieren" ist
wahrscheinlich von Jeremia gebildet. Sie wird meistens gebraucht,
wo ein Unschuldiger an Gott als gerechten Richter appelliert. Das
Wissen um sein Prüfen als Voraussetzung für sein gerechtes Eingreifen
gibt dem Angefochtenen Halt. In den Zusammenhang von
Leiden kommt das Wort erst, wo es mit einem anderen zusammensteht
, an dem dieser Gedanke haftet. Das sind vor allem die
Stellen mit srp und dem Schmelzbild. Dahinter steht die Erweiterung
dos technischen Gebrauchs auch auf die Feuerprobe. Hier ist
es ein das Schmelzen begleitendes Prüfen, das aber doch im wesentlichen
von diesem unterscheidbar bleibt, allerdings mit zunehmender
Annäherung. Ähnlich begegnet das Wort auch einmal neben
pkd, und schließlich gibt es auch eine Verflechtung mit nsh und
dem Veisuchungsgedanken einschließlich von dessen Umkehrung
in das Verhältnis Menschen - Gott.

Ein abschließender Abschnitt (160-167) nimmt beide Begriffe
noch einmal zusammen in den Blick. Sie sind nicht synonym. Zwar
sind beide von der Metallurgie hergenommen, aber gerade dort
bezeichnen sie durchaus unterschiedliche Tätigkeiten. Die Verschiedenheit
läßt sich auch in den theologischen Gebrauch hinein
verfolgen, auch wenn sie im Laufe der Entwicklung ihre Bedeutung
variieren, sich einander annähern und auch Begtiffselemente voneinander
übernehmen. Der Gedanke an Leiden haftet an srp, nicht
aber von vornherein auch an bhn. Auch wo das Prüfen zusammen
mit dem Läutern und damit in Verbindung mit Leiden erfolgt,
sind diese nicht auferlegt, nur um zu kontrollieren, sondern um
des Ziels der Läuterung willen. Beide Begriffe sind wesentlich
positiver ausgerichtet, als es von der Verbindung mit dem Leidensgedanken
her scheinen könnte. Bei srp ist diese positive Ausrichtung
durch die Orientierung an einem Ziel gegeben, bei bhn
dadurch, daß es im ursprünglichen Sinn nichts Schmerzhaftes bedeutet
, sondern vielmehr ein Tun Gottes, das dem Angefochtenen
Halt bietet. Insofern bezeichnen beide nicht etwas, was Anfechtung
wirkt, sondern dienen zur Formulierung von Gedanken, die
die Anfechtung bewältigen helfen.

Eichler, Ulrike: Der klagende Jeremia. Eine Untersuchung zu den
Klagen Jeremias und ihrer Bedeutung zum Verstehen seines
Leidens. Diss. Heidelberg 1978, 238 S.

Der Anlaß dieser Arbeit hat zunächst praktisch-theologische
Gründe. Im heutigen Sprachgebrauch wird unter Klagen meist ein
lamentierendes Sich-Beklagen verstanden, im alttestamentlichen
Sprachgebrauch dagegen ein zu Gott hingewandtes Reden, bestehend
aus Anklage Gottes, Feindklagc, Ichklage, Bitte und
hoffender Ausrichtung (Bekenntnis der Zuversicht). Dieser Charakter
einer Klage des einzelnen ist für die Psalmen schon nachgewiesen
(C. Westermann), wird aber in der bisherigen Forschung
für die Klagen Jeremias bestritten. Sie werden 1. literarkritisch
aus späterer Zeit heraus gedeutet und von daher zu einem theologischen
Reflexionsgebilde (Gerstenberger, Gunneweg, P.Welten),
2. vom Gesamtzusammenhang der Gerichtsverkündigung Jeremias
her isoliert (Wellhausen, Duhm, Erbt) oder mit ihr auf gleiche
Ebene gesetzt (Mowinckel, Reventlow), und 3. wird der oben angegebene
Aufbau für die Klagen Jeremias bestritten (Ahuis).
Daraus ergeben sich folgende Aufgabenstellungen:

1. Eine literarkritische Grundlegung der Klagen Jeremias.
Methodisch ging Vfn. so vor, daß sie zunächst einen deutlich als
deuteronomistisch zu kennzeichnenden Text auf seine deuterono-
mistischen (dtr.) Kennzeichen hin untersuchte und die dabei gefundenen
Kriterien auf Jer 1-20 anwandte. Davon konnte sie nun
spezifisch jeremianisches Reden abheben:

1. in der Anklage:

1.1 Aufnahme von Einwänden der Hörer als Zitat in die Anklage

1.2 Verbindung von direkter Anrede und Bericht

1.3 Intime Bezeichnungen Israels im Kontrast zu seinem Vergehen

1.4 Auseinandersetzung des Propheten mit Jahwe

1.5 Selbsteinwand Jahwes

2. in der Gerichtsankündigung:

2.1 die Gerichtsschilderung (aus dem Seherspruch entstanden)

2.2 die Beteiligung von Hörergruppen als Zeugen in der Gerichtsschilderung
.

Die Verbindung Jeremias zum Deuteronomium und zur deu-
teronomischon Bewegung muß trotz dieser Abgrenzung festgehalten
werden. Es ergibt sich bei der Untersuchung, daß Jeremia
positiv zu Josias Reformbowegung stand. Er setzt das Deuteronomium
(nicht in allen Teilen) voraus, zieht aber gegen seinen falschen
Gebrauch zu Felde.

In einem letzten Abschnitt dieses Kapitels wird die Art dtr.
Redaktionsarbeit an den Klagen herausgearbeitet.