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Ausgabe:

1978

Spalte:

69-70

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Herlyn, Okko

Titel/Untertitel:

Wende zwischen dem Wort 1978

Rezensent:

Herlyn, Okko

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6g

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

70

Weltebene und in den USA geboten. An erster Stelle steht der
Bericht des von der Lambeth-Konferenz und dem Lutherischen
Weltbund autorisierten Dialogs (1970-1972), auch „Pullach-
Bericht" genannt nach dem Ort der letzten Sitzung, Pullach
bei München, 1972. Seine Themen sind: Quellen der Autorität,
Kirche, Wort und Sakrament, Amt und Gottesdienst. Das
Ergebnis ist ein hohes Maß gegenseitiger Anerkennung der
Apostolizität und Katholizität beider Kirchen und ihrer Ämter
mit Empfehlung der Interkommunion und dem erklärten Bemühen
um weitere Gemeinschaft. Besonders für den asiatischen
und afrikanischen Raum wird die Notwendigkeit rascherer
Schritte auf konkrete Einheit hin stark empfohlen. Eine gemeinsame
kleine Arbeitsgruppe wird weiteres veranlassen.

Dokument 2 ist der Bericht des entsprechenden Dialogs in
den USA 1969—1972. Das Ergebnis entspricht weitgehend dem
der Gespräche auf Weltebene mit Schlußfolgerungen und Empfehlungen
zur Entwicklung von communicatio in sacris.

Aus dem offiziellen anglikanisch-katholischen Gespräch auf
Weltebene, dem der 2. Hauptteil gewidmet ist (S.113—148),
werden insgesamt vier Dokumente mitgeteilt: die gemeinsame
Erklärung von Papst Paul VI. und dem Erzbischof von
Canterbury anläßlich ihres Zusammenseins in Rom vom
24. März 1966, mit dem der offizielle Dialog zwischen den
beiden Kirchen eigentlich begann; der Bericht der gemeinsamen
Vorbereitungskommission vom Januar 1968, der Vorschläge
für einen weitergehenden Dialog sowie für eine engere
Zusammenarbeit unterbreitete; und schließlich die beiden
ersten Ergebnisse der Beratungen in der daraufhin gebildeten
gemeinsamen Kommission, die Erklärung über die Lehre von
der Eucharistie (1971), das sog. „Windsor-Statement", und der
Konsensus-Text über Amt und Ordination (1973), das sog.
„Canterbury-Statement".

Gegenüber den Dokumenten aus den anglikanisch-lutherischen
Gesprächen sind diese Erklärungen deutlich zurückhaltender
, mehr beschreibend-feststellend als schon vorwärtsweisend
und weiteres intendierend. Das betrifft vor allem die
Frage der Anerkennung der anglikanischen Weihen durch die
katholische Kirche, die seit der Ungültigkeitserklärung durch
Papst Leo XIII. im Jahre 1896 besonders umstritten ist. Das

Thema wird zwar angesprochen (Nr. 17 S.146 f.), aber nicht
eigentlich behandelt. Auch .das weitverzweigte Problem der
Autorität" und die Frage des päpstlichen Primates wurden noch
nicht angegangen, sondern den nachfolgenden weiteren Gesprächen
vorbehalten.

Eine inhaltliche Würdigung der Gespräche und ihrer Ergebnisse
kann hier nicht erfolgen. Welches Gewicht ihnen eignet,
wird sich in der ökumenischen Praxis wie in den weiteren
Dialogen zu erweisen haben. Das Thema jedoch, unter dem die
Dokumente hier zusammengefaßt werden, deutet einiges zumindest
an: „Vom Dialog zur Gemeinschaft". Daß damit nicht
schon ein Ergebnis beschrieben werden soll, sondern ein Prozeß
, ein Weg, dürfte deutlich sein. Immerhin ist aber in den
anglikanisch-lutherischen Gesprächen inzwischen ein Status
erreicht, der eine organische Union bereits in den Bereich des
Möglichen rückt (S.69 f., vgl. o.) und deutliche Akzente in
dieser Richtung setzt.

Es wird auch abzuwarten sein, in welcher Richtung sich die
anglikanisch-katholischen Gespräche weiter entwickeln werden.
Immerhin sind die Akzente im Canterbury-Statement gegenüber
dem Pullach-Bericht um einiges verschoben (z.B. priesterliche
Terminologie, Verhältnis allgemeines Priestertum — Amts-
priestertum), was u.U. nicht nur auf den jeweils recht unterschiedlichen
Teilnehmerkreis bei den Gesprächen zurückgeführt
werden kann. Freilich ist damit zugleich die Frage der
Repräsentativität der Teilnehmer wie ihrer Gesprächsergebnisse
thematisiert. Zumindest sollte man wohl den einen Bericht
nicht ohne den anderen nehmen im Sinne gegenseitiger
Auslegung und vielleicht auch Einschränkung.

Damit wäre im Grunde genommen aber nur wieder neu eine
Forderung gefunden, der je länger desto mehr das interkonfessionelle
Gespräch ganz allgemein unterliegt. Ausschließlich
zweiseitig dürfte es nirgends mehr zu führen sein. Stets werden
weitere Kirchen zwar als stumme Partner nur indirekt
aber doch unmißverständlich ihre Beiträge einbringen. Und
die Beiträge aus dem anglikanischen Bereich verdienen unsere
Beachtung.

Schöneiche bei Berlin Hubert Kirchner

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Herlyn, Okko: Wende zwischen dem Wort. Barths Lehre vom
Gebet als ethische Folge seiner Lehre von der Religion. Diss.
Tübingen 1977. 169 S.

Karl Barths Theologie steht in dem unrühmlichen Ruf, zum
Thema .Religion" nicht mehr als „Nein!" gesagt und damit
die derzeitige kirchliche und theologische Situation in einer
von ihm selbst geschürten Unruhe letztlich allein gelassen zu
haben. Die religiöse Entwicklung der Gegenwart habe allerdings
gezeigt, daß die mit jenem vermeintlichen „Nein!"
inaugurierte Frage nach einem „religionslosen Christentum"
(Bonhoeffer) sich ohne Barths Zutun gewissermaßen von selbst
erledigt habe. Diesem allenthalben, zumal von Seiten der
Religionspädagogik mit Fleiß kolportierten Image der BARTH-
schen Theologie versucht der vorliegende Beitrag mit dem
Aufweis entgegenzutreten, daß Barths Nachdenken über das
Problem der Religion mitnichten etwa mit § 17 der Kirchlichen
Dogmatik abbricht, sondern seine sehr präzise positive Fortsetzung
in seiner Lehre vom Gebet erfährt. Hier kommt tatsächlich
ethisch zur Sprache, was zuvor dogmatisch unausgesprochen
schien, nämlich wie Kirche und Theologie - nach dem
.Ende" ihrer Religion - nun eigentlich in praxi zu verbleiben
haben.

Freilich, daß der BARTHschen Lehre von der Religion gerade
seine Lehre vom Gebet folgt, muß an den Texten eigens entdeckt
werden. Das liegt vor allem daran, daß beide Lehren
weder in einer vergleichbaren Systematik vorliegen, noch von
Barth selbst ausdrücklich aufeinanderzu konzipiert wurden.
Will man also auf jene von Barth provozierte Frage bei diesem
selbst entsprechende Antwort erhalten, so ist das nur auf den
Umwegen zweier jeweils in sich relativ geschlossenen Darstel

lungcn seiner Lehren von der Religion und vom Gebet möglich
, um das beide verbindende innere Verhältnis erst alsdann
ans Licht bringen zu können. Dabei legt der vorliegende Textbestand
nahe, BARTHS Lehre von der Religion mehr „biographisch
", seine Lehre vom Gebet indes von vornherein
„systematisch" darzustellen. Die Inanspruchnahme seiner
Rechtfertigungslehre und die konsequente Anwendung der von
Barth selbst ausgiebig benutzten gedanklichen Struktur von
„Sache" und „Zeichen" ermöglicht es schließlich, seine Lehre
vom Gebet als die - von ihm selbst zwar nicht so explizierte,
der Sache nach wohl aber so gemeinte - ethische Folge seiner
Lehre von der Religion zur Geltung zu bringen. Was in der
Lehre von der Religion in merkwürdig unbewegter Dialektik
von „wahr werdend" und „unwahr bleibend" zu verharren
scheint, das wird hier - in der Lehre vom Gebet - in eine
konkrete ethische Bewegung überführt. Denn indem die iusti
peccatores beten, geben sie mit einer - menschlichen! - Wende
von der Religion tatkräftig Zeugnis von dem - göttlichen!
- Ende der Religion - ohne dabei von sich aus die Solidarität
der Sünder, d. h. der Religion, zu verlassen. Daß gerade das
Gebet die Tat ist, in der sich der Mensch i n seiner Religion
von seiner Religion wegbewegt, liegt daran, daß sich der
Beter mit seinem Anruf genau zwischen dem „zuerst und
eigentlich" betenden Jesus Christus einerseits und der überhaupt
nicht betenden Welt andererseits befindet. Jene - mittlerweile
leider zu einem pseudotheologischen Reizwort degenerierte
- Frage nach einem „religionslosen Christentum" erhält
auf diese Weise ihren theologischen Sinn, nämlich den einer
zwar begrenzten, aber gleichwohl unerläßlichen Aufgabe kirchlichen
Zeugendienstes.