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Ausgabe:

1978

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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911

Theologische Literaturzoitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 12

lung eines lebendigen Geschichtsbewußtsoins verzichten; denn
heilsgesehichtliche Aspekte sind auf diesen Verstehonshintergrund
angewiesen, ganz abgesehen von den Erfordernissen einer Erziehung
zu mitmenschlichem Verhalten und der Vorbereitung zur
Übernahme von Verantwortung in Kirche und Gesellschaft.

Kritisch setzt sich S. mit der Vorstellung einer heilen Welt eines
pädagogischen Froiraums auseinander, dessen gewollte Konflikt-
losigkeit kirchliche Jugendarbeit nach 1945 kennzeichnete. Gleichzeitig
sichert er den Begriff des Konflikts als eines der Prinzipien
der Jugendarbeit gegen mögliche Mißverständnisse ab. Nur eine
Jugendarbeit, in der eine Verbindung der beiden pädagogischen
Prinzipien Freiraum und Konflikt in christlicher Verantwortung
gelingt, wird zur Entfaltung einer christlichen Persönlichkeit und
ihrer Beheim itung in der Kirche beitragen, woraus sich auch
wichtige gesellschaftliche Aspekte ergeben.

Die vorliegende Untersuchung läßt uns erkennen, daß wir in
der Vergangenheit nicht genug darüber nachgedacht haben, wie
sehr unsere evangelische Jugendarbeit spezifischen Sinn- und
Handlungszusammenhängen der Erwachsenenarboit der Kirche,
speziell dem zentralen gottesdienstlichen Handeln zugeordnet war.
Die Bedeutung der Jugendarbeit wurde nur von ihrem engsten
Zusammenhang mit Erwachseneninstitution und -Organisation
Kirche und deren Erfordernissen der Nachwuchsarbeit gesehen.
Hier liegt eine Rückfrage an dio kirchliche Praxis zur Überprüfung
der bisherigen theologischen und didaktischen Ansätze vor, der
wir uns stellen müssen. Wie wird das kirchliche Handlungsfeld
der Arbeit mit Jugendlichen abgegrenzt und begründet? Welche
Auswirkungen ergeben sich daraus für die Kirche und ihre Vorstellungen
vom Aufbau lebendiger Gemeinde?

Aufschlußreich ist vor allem, wie S. eigenständige Zugänge zur
Jugendarbeit unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Interessen
der Jugendlichen erschließt.

Es erweist sich als hilfreich, die Dimension der Integration in
eine kirchliche Organisation einmal nicht als absolutes Ziel vorauszusetzen
und sich gründlicher als bisher über die Möglichkeiten
einer unkonventionellen Beteiligung der Jugendlichen am kirchlichen
Leben Gedanken zu machen. Mit der Angabe von theologischen
Zielen allein ist noch keine hinreichende Aussage über die
Wirklichkeit der Jugendarbeit gemacht. Aber das, „was die
Jugendlichen in evangelischen Jugendgruppen an theologischem
Wissen erwerben und für sich als ,wahr' anerkennen, das Maß an
ritueller Beteiligung am kirchlichen Leben, die Art religiöser Erfahrung
, die sie machen, die ethischen Konsequenzen, die sie für
notwendig halten - all dies wird u.a. auch davon abhängen, welche
theologischen Begründungen und Ziele der jeweiligen Gruppenarbeit
zugrunde gelegt wurden" (88).

Kritisch ist anzufragen, ob die Probleme moderner Jugendarbeit
nur noch unter Verwendung eines derart differenzierten Spezial-
vokabulars dargestellt werden können, wie es der Vf. benutzt.
Sollte man vorläufig nicht auch noch mit theologisch interessierten
Lesern rechnen, die kein soziologisches Spezialstudium absolviert
haben?

(JrelfBWMld Günther Kehnsohnrper

Essinger, Helmut: Friedenserziehung im Religionsunterricht. Probleme
, Methoden, Modelle (DtPfrBl 77, 1977 S. 699-702).

Fox, Helmut: Merkmale bzw. Kriterien für einen curricular strukturierten
Religionsunterricht und ihre kritische Würdigung
(TThZ86, 1977 S. 55-69).

Weiss, Bardo: Welche Rolle spielt die Kirche im geistlichen Leben
junger Christen (TThZ 86, 1977 S.42-54).

KIRCHENRECHT

Fikentscher, Wolfgang: Methoden des Rechts in vergleichender

Darstellung. I: Frühe und religiöse Rechte. Romanischer Rechtskreis
. XXXI, 590 S. Lw. Dn 130,-. II: Anglo-amerikanischer
Rechtskreis. XXI, 479 S. Lw. DM 115,-. III: Mitteleuropäischer
Rechtskreis. XXIV, 796 S. Lw. DM 168,-. IV: Dogmatischer

Teil, Anhang. XXV, 707 S. Lw. DM 159,-. V: Nachträge - Register
. XIX, 446 S. 1977. Lw. DM86,-. Tübingen: Mohr 1975
bis 77.

Dio Widersprüchlichkeit der bundesdeutschen Rechtsquellenlehre
veranlaßte den Vf., durch ebenso umfassende wie intensive
Untersuchungen „zu einer Klärung bei(zu)trageu und nach Möglichkeit
zu einer in sich stimmigen und der Wirklichkeit Rechnung
tragenden Quellenlehre des Rechts vor(zu)dringen". Dieses anspruchsvolle
Ziel versucht er mit dem bisher kaum eingesetzten
Mittel der rochtsvergleichonden Methodenlehro zu erreichen,
wofür gerade der Vf. auf Grund seiner jahrelangen methodenvergleichenden
Studien in den USA, in England und Frankreich
sowie in den Niederlanden besonders prädestiniert erscheint. Es
geht also in dem mehrbändigen Werk um einen großangelegten
Vergleich der Denkwege, die sowohl zeitgenössische als auch
frühere Rechtsordnungen bei der Suche nach Gerechtigkeit eingeschlagen
haben. Damit soll gleichzeitig zum Ausdruck gebracht
werden, daß Vf. den Begriff Methode in einem umfassenden Sinne
verstanden wissen will, eben als „Denken über Recht". Die Frage,
ob ein Recht gerecht ist, die philosophische Frage also, soll und
kann hier nicht beantwortet werden; sie steht aber deutlich im
Hintergrund der Betrachtungen, weil, wie der Vf. m. E. richtig
formuliert, die „Rechtsmothodik von der rechtsphilosophischen
Grundlegung" abhängig ist (S. 23). Wie sich dieses Verhältnis in
den einzelnen 1 lechtsordnungen darstellt, gehört, wie auch die
Methodenbew ußtheit, wie die Beantwortung der Frage, was in den
einzelnen Ordnungen das Recht ausmacht, und wie die Haltung
zur Fortentwicklung des Rechts, zu den wichtigen Kriterien für
die Beurteilung von Rechtsordnungen, welche der Vf. an die einzelnen
Methodenlehren anlogt, um sie mit gleichen Maßstäben zu
messen. Überhaupt bereitet die einheitliche Beurteilung der verschiedenartigen
Rechtsordnungen bei einem zeitlich und territorial
sehr weit auseinanderliegendem Untorsuchungsgegenstand
außerordentliche Schwierigkeiten, weshalb Vf. in den einleitenden
Abschnitten eigentlich ständig bemüht ist und zugegebenermaßen
bemüht sein mußte, für seine häufig sehr diffizilen Untersuchungen
methodologisch und terminologisch einen gemeinsamen Nenner
zu finden. Typisch dafür sind die Ausführungen in Kapitel 1 des
1. Buches: Frühe und religiöse Rechte. Bevor Vf. die eigentliche
Thematik aufgreift, gibt er in diesem Kapitel auf 100 Seiten erst
eine methodologische Grundlegung, in der zunächst die Beziehungen
zur Anthropologie hergestellt, dann die sich aus der Beschäftigung
mit unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten ergebende Notwendigkeit
einer gemeinsamen, also einer eigenen Terminologieund
Gliederung begründet, ferner eine begriffliche Unterscheidung von
Sitte, Moralität und Religion in allgemein-anthropologischer und
auch in rechtsanthropologischer Sicht vorgenommen und schließlich
die historischen Gesellschaften nach dem Vorbild von Ludwig
Hamburger in fragmentierte und organisierte eingeordnet werden.
Letzterer Abschnitt ist vermutlich der umstrittenste der gesamten
Untersuchung, wobei mir die Einordnung des Marxismus sogar
nach den vom Vf. herausgearbeiteten Kriterien als sehr fraglich
erscheint. Jedenfalls wird das auf diese Weise gewonnene System
in den folgenden Ausführungen des Vfs. konsequent auf eine Vielzahl
von Rechtsordnungen angewandt, u. zw. in den Kapiteln 2
und 3 auf frühe und religiöse und in den Kapiteln 5 bis 29 auf
„moderne" Rechte. Dem Charakter dieser Zeitschrift entsprechend
soll hier besonders auf Kapitel 2, Methodologie früher und religiöser
Rechte, aufmerksam gemacht werden. Es ist dabei von vornherein
zu beachten, daß die vom Vf. gewählten Bezeichnungen
„früh" und „religiös" weniger im umgangssprachlichen Sinne zu
verstehen sind, sondern mehr einen wohlgemeinten Versuch darstellen
, den in der Literatur im Anschluß an A. S. Diamond häufig
benutzten, aber ungerecht abwertenden Ausdruck „primitive
laws" zu ersetzen. Im Kapitel 2 ist daher unter Religion in erster
Linie das allgemeine Selbstverständnis einer Kultur gemeint,
worunter dann aber auch areligiöse und atheistische Ordnungen
fallen, so daß wohl die Überlegung angebracht ist, ob hier nicht
die Formulierung „Methodologie im Recht früher Kulturen"
treffender sei. Sie käme dem vom Begründer der Rechtsethnologie
Henry Maine geprägten Begriff „ancient laws" doch wieder näher.