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Ausgabe:

1978

Spalte:

904-905

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Becker, Ingeborg

Titel/Untertitel:

Auf der Suche nach dem Partner 1978

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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903

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 12

»04

Vom Geheimnis der Gemeinde. Eine Handreichung zum Glaubensgespräch
, angenommen von der Generalsynode der Niederländischen
Reformierten Kirche auf ihrer Tagung am 18. Juni 1974.
Ubers, v. H.-U. Kirchhoff. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn [1976]. 63 S. 8°. DM 6,40.

Der Untertitel („Eine Handreichung zum Glaubensgespräch")
bringt mehr als nur eine praktische Zweckbestimmung zum Ausdruck
. Gemeinde ist „Lehr- und Lerngemeinschaft" (S. 45). Ein
wesentliches Mittel dazu ist das Gespräch (S. 25).

Schon 1971 wurde den Gemeinden eine Denkschrift über „Ge-
meindoformen und Qomoindeaufbau" als Gesprächsbeitrag vorgelegt
(Einführung, S. 7). Eine weitere über die „sozialethischen
Dimensionen des Gemeindeseins" sollte folgen. Die hier zu besprechende
mittlere konzentriert sich auf die theologischen
Aspekte, hat aber die Gesichtspunkte der ersten und dritten mit
im Blick.

Das 1. Kapitel (S. 9-19) handelt vom „Volk Gottes". Es setzt
beim „Geheimnis Israels" ein, geht dann zum „Geheimnis der
Christusgemeinde" über, stellt die „biblischen Bilder für die Gemeinde
" zusammen und kommt im letzten Abschnitt auf „Gottes
Volk unterwegs" zu sprechen. Dieser Ansatz wird in der ganzen
Schrift durchgehalten. Sie endet dementsprechend mit einem
Kapitel über „die Gemeinde auf dem Weg in die Zukunft" (S. 55
bis 60). Die Gemeinde ist „nicht für sich selbst da, sondern zur
Rettung der Welt. Sie bewegt sich nicht auf der Stelle, sondern
wandert weiter auf dem Wege zum Reich des Friedens und der
Gerechtigkeit, in welchem sie ihre Bestimmung und ihr Ziel erreicht
" (S. 60). Das Leitwort ist nicht „Kirche", auch nicht „Gemeinde
", sondern „Volk Gottes" - Gottes Volk mit dem Ziel seinos
„Reiches". Die Entfaltung geschieht vom Bundeszeugnis beider
Testamente, von der Christologie, vom Sendungsauftrag, von der
Eschatologie und damit insgesamt von der Geschichtlichkeit des
Handelns Gottes in dessen Weltbezug her.

In den beiden mittleren Kapiteln geht es um die Frage, woran
man die Gemeinde erkennt (8.20-30) und um ihre „vielfältigen
Lebensformen" (S. 31-54), d. h. um „die Vielfalt der Gestalten, in
denen sich die eine Gemeinde lebendig erweist" (S. 32). Hier (im
3. Kapitel) kommt das pneumatologische Erbe der reformierten
Kirche besonders zum Zuge. Ohne ein Idealbild von Gemeinde
malen zu wollen (S. 40), wird eine Fülle praktischer Orientierungen
angeboten („Institution und Bewegung"; „geistgewirkto Wirklichkeit
"; „der Apostolat"; „die ökumenische Gestalt"; „Prozeß des
Lehrens und Lernens"; „Gemeinde in Aktion"; „Gomeinde als
kulturelle und gesellschaftliche Realität"; und „Von den Grenzen
der Gemeinde"). Ganz bewußt aber wird im 2. Kapitel vorangestellt
, „was bei allem Wandel in den Lebensformen in jeder Zeit
zu den bleibenden Kennzeichen der Gemeinde gehört" (S. 20). Die
Vorkündigung - „Das befreiende Wort und unsere Antwort";
„Das Abendmahl und die Taufe"; „Die Prophetie" als „Anwendung
dos Gebotes Christi auf die konkrete Situation" - ist und
bleibt die erste nota der Gemeinde. Notae sind aber auch nicht nur
„Das Amt und die Ämter", sondern ebenso und schon zuvor die
„exemplarische", „ansteckende" und „engagierte Gemeinschaft"
sowie insgesamt der „Dienst an der Welt" (in „Solidarität und
Antithese") - dieser freilich „als Zeugnis, nicht als endgültige
Lösung" (S. 29f.).

„Vom Geheimnis der Gemeinde'" ist im ganzen die Rede. Ihre
„Glaubwürdigkeit. . . hängt leiten Endes nicht von dem ab, was
sie tut, sondern von dem, was sie auf Grund der Verheißung glauben
darf" (S. 18; weitere Zusammenfassungen auf S. 16, 31f., 35,
401'., 55, 58, 60).

Nicht nur in den Niederlanden befindet sich die Kirche in dem,
was man heute „Identitätskrise" nennt. Hier wird - für die Gemeinden
und von ihnen her! - ein Weg aus dieser Krise heraus
angezeigt.

Zu den Vorzügen der Denkschrift gehören ihre Übersichtlichkeit
und die Kürze der Unterabschnitte. Auch in Auswahl eignen sie
sich zum Gesprächsoinstieg in Gemeindekreisen. So könnte diose
Sohrift z. B. gute Hilfe zur Weitorarbeit am Thema unserer Görlitzer
Bundessynodo „Der Laie in Gemeinde und Kirche" leisten.

l'otsdum Horst Lahr

Becker, Ingeborg, u. Friedrich Winter: Auf der Suche nach dem
Partner. Zusammenwirken von Mann und Frau in christlicher
Sicht. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1976]. 123 S. 8°. Lw.
M4,60.

Das „Zusammenwirken von Mann und Frau in christlicher
Sicht" ist der Untertitel dieses Büchleins, das im wesentlichen die
Ergebnisse einer Übung im Sommersemester 1972 am Sprachen-
konvikt Berlin für interessierte Leser zur Verfügung stellt.

Das Vorwort umreißt den Problemhorizont: „Haben wir schon
alle Tabus überwunden, die uns im Wege standen? Sind wir in der
Kirche theoretisch und praktisch schon so weit, daß wir das Zusammenleben
und -arbeiten von Männern und Frauen in der sozialistischen
Gesellschaft bereits genügend kennen und angemessen
mithelfen? Es scheint so, als ob auf uns Christon noch eine große
Reihe von Problemen wartet. Es wird zwar viel, vielleicht zuviel,
von Partnerschaft gesprochen, aber wir meinen, daß noch wenig
davon unter uns verwirklicht wird. Weil wir in einer Zeit großer
gesellschaftlicher Wandlungen leben, ist auch die Rolle von Mann
und Frau ... nicht geringen Veränderungen unterworfen..." (S. 5f.)

In acht Abschnitten sind von Ingeborg Becker (1-3 und 6-7)
und Friedrich Winter (4-6 und 8) folgende Fragen untersucht
worden: 1. Die Sicht des Glaubens (9-13) setzt ein mit Barths Beschreibung
des Urverhältnisses der Mitmenschlichkeit im Gegenüber
der Geschlechter und kommt zu dem Ergebnis: „Das Anderssein
des Partners weckt schöpferisches Tun, gestaltet Neues, lehrt
Achtung vor dem anderen, leitet an zur Toleranz und hindert den
Menschen, sich rücksichtslos durchzusetzen. Wenn wir helfen
wollen, die Zukunft zu gestalten, dürfen wir als Menschen, die von
Gottes Schöpfung und Erhaltung etwas wissen, nicht darauf verzichten
, Gottes Gaben so zu gebrauchen, daß die Menschheit
erhalten werden und zum Heil kommen kann" (12f.).

2. Hilfe aus der Bibel (14^26): Ein informativer Uberblick über
Altes und Neues Testament zeigt Mannigfaltigkeit, historischen
Abstand und Wirkungsgeschichte der biblischen Aussagen über
die Goschlechterbeziehungen.

3. Einige Beispiele aus der Kirchengeschichte (27-32) zeigen den
mühseligen Eintritt der Frauen in die Geschieht© der Kirche.

4. Ehepartner (33-55): Hier wird die Veränderung der Traditionen
mit dem Nachwirken ihrer Rückstände geschildert. Dann folgen
Überlegungen zu den Ehephasen, zu konkreter Verwirklichung
von Partnerschaft als flexibler Aufgaben- und Lastenverteilung,
zu den „Außenfunktionen" der Ehe, zur Freizeitgestaltung, gemeinsamer
Berufsarbeit und geistlichem Lebensstil. In der Schlußüberlegung
über Verantwortung, Gewohnheiten und Konfliktbewältigung
heißt es: „Das Evangelium hilft dazu, wach und veränderungsbereit
zu bleiben. Denn die Nachricht von Jesus Christus
macht behutsam und offen für den Partner..." (54).

5. Familienylieder (56-75): Ausgehend von der Kleinfamilic
wird für ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Eltern und
Kindern plädiert, in dem das gemeinsame Spiel, die gemeinsame
Arbeit (auch zur Entlastung der berufstätigen Mutter) und die
„Arbeit mit dem Wort" besonders bedacht werden.

6. Alleinstehende (76-94): Die mit dem Verschwinden der alten
Großfamilie entstandenen sozialen Gruppen der Alleinstehenden
werden mit ihren Erfahrungen geschildert: Einsamkeit, Verspottung
, Roiionschwierigkeiten, Wohnungsproblemen. Dann wird
gefragt, welche Hilfen christliche Gemeinde und christliche Familien
hier geben können. Die Schwierigkeiten in den Beziehungen
zwischen Alleinstehenden und den zur Abkapselung neigenden
Familien werden von beiden Seiten her beleuchtet. Mit einer kritischen
Analyse moderner Formen der Großfumilie endet der
Abschnitt.

7. In der Gemeinde (95-112) zeigt sich, daß gesellschaftliche
Rollenvorändorungon von Mann und Frau kirchlich noch ungenügend
reflektiert und eingeholt sind. „Es bleibt noch viel zu wünschen
für die höchstmögliche Qualifizierung jeder Frau, um hui
allen Gebieten Partnerin des Mannes im vollen Sinne des Wortes
sein zu können" (112).

8. Im Beruf (113-123): Der Vorfassungsgrundsatz der DDR von
der Gleichberechtigung von Mann und Frau wird als Herausforderung
und Aufgabe gerndo der Christen beschrieben. Überlegungen
zur Borufsspezifik, zur Frauenfördening, zur Koedukation