Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1978

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

899

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 12

900

und trägt als Pilgernde die ,raacula et ruga' noch an sich. Die
Kirche bleibt in eine Spannung hineingestellt, die nicht einfach
als ein Nebeneinander von Sünde und Heiligkeit verstanden werden
darf, sondern sich als ,ein dynamisches Gespanntsein von
Unheiligkeit zu Heiligkeit, ein permanenter Versuch, zur Identität
zwischen Sein und Sollen zu gelangen und die Kluft zwischen
Schon und Noch-nicht aufzuheben' erweist" (S. 474f.). „Die Antwort
der Kirche auf das sündige Verhalten in ihrer Mitte kann nur
in der Distanzierung und Abwendung von der Sünde bestehen.
Insofern sie als Ganze sündig geworden ist und in allen ihren Gliedern
immer wieder gegen die Sünde ankämpfen muß, gehört die
Metanoia, die Umkehr und Buße, zum Grundvollzug kirchlichen
Lebens" (S. 475).

„Wo freilich ein Glied der Kirche durch seine sündige Tat dem
Bösen so sehr Raum gegeben hat, daß dieses Verhalten in totalem
Widerspruch zur Heiligkeit der Kirche steht und sich als entschiedenes
Nein gegenüber dem endgültigen Heil Gottes und damit
gegenüber dem irdisch-sichtbaren Zeichen dieses Heils dokumentiert
(Todsünde), sieht sich die Kirche gezwungen, das zu ratifizieren
, was der Sünder selbst getan hat, nämlich das ,vinculum
pacis' mit der Gemeinde der Heiligen zu brechen. Seit den Anfängen
einer kirchlichen Bußpraxis hat sie einen solchen Zustand des
Getrenntseins von Gott und der Gemeinschaft der Kirche infolge
der schwer sündhaften Tat zeichenhaft sichtbar gemacht, indem
sie den Sünder aus der Heilsgemeinschaft der Gläubigen, d. h.
konkret von der Eucharistiegemeinsehaft ausschloß. Mit einem
solchen Verstoß sollte freilich nichts anderes angestrebt werden,
als die Metanoia des Sünders und die erneute Zuwendung des Heils
in der Wiederversöhnung mit der Kirche" (S. 476). Daher ist das
Bußsakrament wesentlich das Sakrament der Wiederversöhnung
mit der Kirche (S. 481ff.). „Vor genau 50 Jahren hat der Theologe
B. Xiberta als vergessene Wahrheit die These aufgestellt: ,Recon-
ciliatio cum Ecclesia est res et sacramentum sacramenti poeniten-
tiae'. Nach anfänglicher Ablehnung hat sich seine Ansicht im
theologischen Denken immer mehr durchgesetzt, so daß das
II. Vatikanum ohne jeden Widerspruch die Aussage formuliert
hat, zugleich mit der Vergebung der Schuld vor Gott gewähre das
Bußsakrament auch die Wiederversöhnung mit der Kirche"
(S. 482). „Dabei ist der unmittelbare Vorgang der Versöhnung mit
der Kirche das eigentliche Zeichen des Sakraments (sacramentum
tantum); der Zustand der Rekonziliation mit der Kirche, der sich
in der vollen kirchlichen Lebensgemeinschaft (Eucharistiegemeinschaft
) verleiblicht, stellt das Mittlere und Vermittelnde
zugleich dar (res et sacramentum); und schließlich ist die neue oder
vermehrte Gabe des von der Schuld befreienden und mit Gott versöhnenden
Geistes, den der Sünder durch die ,pax cum Ecclesia'
erhält, die Wirkung des Sakraments (res sacramenti)" (S. 484).
Nur sehr kurz wird über die Formen der Buße gesprochen (S. 492
bis 508), viele Formen werden nur gerade genannt, so etwa:
Lesung des Wortes Gottes, Schriftgespräch, Laienbeichte, Versöhnungsbeichte
, Bußakt zu Beginn der Eucharistiefeier. Etwas
ausführlicher hält sich der Vf. beim gemeindlichen Bußgottesdienst
auf (S. 496-508). Er will daran festhalten, daß im Bußgottesdienst
echte Vergebung der Schuld geschieht (S. 497), daß er aber kein
Sakrament im Vollsinn sei (S. 504) und nicht die Pflicht des
Einzelbekenntnisses der subjektiv und objektiv schweren Sünden
(S. 502) aufhebe.

Über diese Pflicht des Einzelbekenntnisses werden keine weiteren
Ausführungen mehr gemacht. Schade! Hier müßten sich die
grundsätzlichen theologischen Erwägungen an der Ubereinstimmung
mit den kirchlichen Bußvorschriften messen lassen.

Stattdessen folgt in einem zweiten Paragraphen (S. 509-547)
noch eine Beurteilung der Bußtheologie von Lauber, Pittroff,
Giftschütz und Schwarzel von der heutigen Sicht her. Gewürdigt
wird, daß alle vier Entwürfe gegen einen routinemäßig-mechanistischen
Vollzug des Sakraments anzugehen versuchen (S. 542).
Dabei haben sie nach Meinung des Vfs. allerdings den „menschlichen
Anteil am Bußgeschehen überbewertet" (S. 542). Folge
davon war, „ein Übersehen des heilschaffenden Christusgeheimnisses
und der heilsvermittelnden Funktion der Kirche im buß-
sakramentlichen Vorgang", d. h. eine „Vernachlässigung der
christologischen und ekklesiologischen Dimension" der Buße

(S. 544). Dadurch wird die Buße in der Praxis zu einem Mittel der
sittlichen Besserung (Pittroff, Giftschütz, Schwarzel) oder zur
Krönung menschlichen Vollkommenheitsstrebens (Lauber), was
nach Meinung des Vfs. in der heutigen Bußpraxis noch nachwirkt.

Eine abschließende Würdigung dieses immens fleißigen Werkes
wird für einen nicht römisch-katholischen Leser kaum möglich
sein, ohne einige grundsätzliche kontroverstheologische Fragen
aufzuwerfen. Das kann hier nicht geschehen. Dennoch erlaube ich
mir, der Freude Ausdruck zu geben über die entschieden christo-
zentrische und die besonnen ekklesiologische Ausrichtung dieser
neuen Bußtheologie, aber auch einem leisen Zweifel, ob diese
Theologie je die Praxis einholen und gestalten wird, oder ob es sich
hier nur um eine Theorie im Vorfeld handelt, die der Praxis letztlich
nicht gefährlich werden kann, da für diese andere Faktoren bestimmend
sind als zwingende theologische Argumente.

Wuppertal Susi Hausammau

Bourassa, Francois: L'Esprit Saint, „communion" du Pere et du

Fils (ScEs 29, 1977 S. 251-281; 30, 1978 S. 1-37).
Horvath, Tibor: A structural understanding of the magisterium

of the church (ScEs 29, 1977 S. 283-311).
Kim, Dai Sil: Irenaeus of Lyons and Teilhard de Chardin: a com-

parative study of "recapitulation" and "omega" (JES 13, 1976

S. 69-93).

Neuhaus, Richard John: A passion for the presence: the eucharist

today (Currents in theology and mission 5, 1978 S. 4-15).
Osborne, Kenan B.: Contemporary understanding of the eucharist

(JES 13, 1976 S. 192-201).
Thiemann, Ronald F.: Matthew's christology: a resource for

systematic theology (Currents in theology and mission 4, 1977

S. 350-362).

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Otto, Gert: Predigt als Rede. Über die Wechselwirkungen von
Homiletik und Rhetorik. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer
[1976]. 184 S. 8° = Kohlhammer Urban-Taschenbücher
T-Reihe, 628. Kart. DM 12,-.

Die Rhetorik, spätestens seit Augustin konstitutive Grundlage
jeder homiletischen Theorie und Praxis, ist im Gefolge der dialektischen
Theologie vernachlässigt worden. G. Otto gebührt das
Verdienst, als erster die verstreuten Neuansätze der letzten Jahre
zu einem Arbeitsbuch gebündelt zu haben.

Das Buch ist anhand von Praxis für die Praxis entstanden, zugleich
aber mit dem Anspruch begleitet, ein neues Predigtverständnis
zur Debatte zu stellen (5), und deshalb mit Literaturhinweisen
reichlich versehen. In zwei Kapiteln demonstriert der
Vf. seine Thesen an Beispielen aus der eigenen homiletischen Tätigkeit
, nämlich einmal am protokollierten Ablauf einer Predigtvorbereitung
(72ff.), sodann an elf kommentierten Predigten, die er
selber gehalten hat (113ff.). Diese Beispiele sollen gerade dem
Praktiker helfen, den eigenen Arbeitsprozeß zu reflektieren, und
entsprechen damit der zentralen Absicht des Buches, „das die
Praxis verändern, verbessern" will (10).

Dieses praktische Interesse zeigt freilich ein bestimmtes Profil.
Es geht dem Vf. nicht um eine ästhetische Perfektionierung der
Predigt, auch wenn er den Zusammenhang zwischen „Poesie und
Rede" im Anschluß an P. Hacks ausdrücklich thematisiert (53ff.)-
Ebensowenig zielt die neue Rezeption der Rhetorik rein sozial-
technologisch auf eine kommunikative Optimierung der monologischen
Kanzelrede, obwohl Otto Fragestellungen aus Kommunikationsforschung
und Soziolinguistik in seine Überlegungen
selbstverständlich einbezieht (41ff.). Am ehesten läßt sich sein
Anliegen wohl mit dem Stichwort „didaktisch-emanzipatorisch"
charakterisieren, wenn man die Formulierung gegen das naheliegende
Mißverständnis als doktrinäre Belehrung von oben herab
von vornherein abgrenzt. In der Zusammenfassung des entschei-