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Ausgabe:

1978

Spalte:

886-888

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Poulat, Émile

Titel/Untertitel:

Église contre bourgeoisie 1978

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 12

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nis von Welt und Weltverantwortung untersucht, die dem werden keine neuen Entdeckungen mehr gemaoht; sondern die
„Schema XIII" des Zweiton Vaticanums zugrundeliegen und in - seinerzeit oft leidenschaftlich verkündigten und verteidigten -
ihm zum Ausdruck kommen. Schon unmittelbar nach dem Konzil Forschungsergebnisse und Deutungen der Pionier-Generation
war vor einem knappen Jahrzehnt in Veröffentlichungen darüber werden mit ruhiger Hand zusammengetragen und systematisiert,
und speziell über die Pastoral-Konstitution auf den „teilhardi- wobei freilich ein manchmal etwas zu glattes und fugenloses Bild
sehen" Charakter oder zumindest Einfluß hingewiesen worden, entsteht. Andererseits sind hier auch alle Einseitigkeiten und
und diese Frage war schon damals explizites Thema von zwei Bei- Voreiligkeiten der Interpretation des ersten Jahrzehnts Überträgen
des Bischofs O. Spülbeck und des Rezensenten in J. Ch. wunden und ausgeglichen.

Hampes Konzilswerk „Die Autorität der Freiheit" (1967). Aber Eigentliches Thema dieses inhaltsreichen Buches ist die Analyse
gerade wer einmal lediglich die deutsche Ubersetzung der End- des teilhardschen Einflusses auf „Gaudium et spes Aber so wie
faasung auf Parallelen oder Unterschiede zu Teilhards Denken der zweite Teil auch unabhangtg von Teilhard für da* VersUnd-
abgehorcht hat, kann die große Leistung ermessen, die in W. Klein« nis der Pastoral-Konst.tut.on nützlich ist, so ist der 1. Teil auch
gründlicher Untersuchung steckt, und freut sich, daß d.e Ergeb- abgesehen vom „Schema XIII ein wertvoUer, weil Zusammennisse
seiner demgegenüber oberflächlichen Skizze hier bestätigt schauender und ausg eichender Betrag zum Verständnis von Te.l-
werden - von konfessionell bed.ngten anderen Akzentuierungen hards Gottes- und Weltanschauung.

und Wertungen abgesehen. Aachen Sigurd Martin Uaecke

Kleins Buch bietet also einerseits - in den sechs Kapiteln des
größeren zweiten Teils (etwa 200 Seiten) - sowohl eine gründliche
Analyse der verschiedenen Entwürfe und Textfassungen von

„Gaudium et spes" unter den Aspekten des „evolutiven Grund- . — ..»„.

Verständnisses", der „Weltentwicklung als Aufgabe des Men- |(|RCHEN- UND KON FESSIONSKUNDE

schon", der „Sozialisation als Einigungsprozeß", der „Kohärenz

von Schöpfung und Erlösung" und der christo'08i8chon"^„';" Poulat Emile: Eglise contre Bourgeois. Introduction au devenir

siologischen Aussagen als auch eine Untersuchung der I rage WW ro , » , Paris: Ca8terraan 1977. 291 S. 8o _

und wo Teilhards Theologie und Christelogte, .^-^äter L"g on t Societes", publ. par J. Maitre et E. Poulat. ffr. 65.-.

Eschatologie, Anthropologie und Kosmologie über KonzUsvater „iv*ng

und Berater, die diesem Denken nahestanden, die Pastoral-Konsti- ^ poulat> Forschungsdirektor am Centre national de la Recher-
tution beeinflußt haben - oder auch nicht. Das ist bereits eine gcjentifique in Paris und durch viele einschlägige Veröffent-
Loistung, für die nicht nur die Teilliard-Forschung, sondern die n ^ Jahren a,8 oin vorzüglicher Kenner der Stellung
gesamte evangelische dogmatischo und sozialethische Arbeit ^ katholischen Kirche zu den gesellschaftlichen Prozessen seit
dankbar sein kann. Denn bisher ist dieses grundlegende Uoku- ^ Französischen Revolution ausgewiesen, beschäftigt sich in der
ment der römisch-katholischen Auffassung vom Menschen und „enden Monographie in essayistischer Form noch einmal mit
seinem Handeln „in der Welt von heute" - also dem, was als poli- dic8em Problemkreis. Seine historischen Betrachtungen, untertische
bzw. Gesellschaftstheologie bezeichnet wird - noch niemals philosoph.ische Exkurse, verraten deutlich ihr aktu-
so systematisch unter den Fragestellungen auch der evangelischen ^ jntol.e88e: Poulat möchte, ohne in unzutreffende Verein-
Thoologio analysiert worden. Also auch abgesehen von der 1) rage . , Tmp)M zu verfaUen, der rechten Positionsbestimmung seiner
nach Teilhards Einfluß auf „Gaudium et spes" ist die l^Kture Kirch(;6in der gcgcnwärtigen Situation dienen. Er läßt in immer
dieses zweiten Teils für jeden an „politischer Theologie und ^ Anlaufon dor Beweisführung das Für und Wider aller
„Theologie dor Welt", an Anthropologie und SozialetniK inier- Grundrichtungen erkennbar werden, verleugnet dabei aber nicht
essierten oin Gewinn. weh» starke Sympathie für den sozialen Katholizismus, für die

Andererseits aber geht dieser Untersuchung em etwa nunu ^ ^ ^ ßuche8 Zeugnis ablegt. Seine zeitkritischen

Seiton starker erster Teil voraus, der eine ausgezeichnete Cosa - Bemerku yor allom im ausführlichen Eingangsteil und am

Darstellung von Teilhards Donken bietet. In der Gcsamtkompo. - ^ Buches sind weithin Ausdruck der Krise der spät-

tion des Buches dient er der systematischen Grundlegl?g. bürgerlichen Gesellschaft, die hier freilich als eine Krise der

Einzelvergleicho des 2. Teils, geht aber über die dort<Wff"°m" okularen vom Rationalismus und der wissenschaftlich-techni-

nen Aspekte weit hinaus und könnte als komprimierter U Der Revolution bestimmten Gesellschaft erscheint,

über Teilhards Kosmologie und Anthropologie, Ineolog'eaUein interessant und erhellend ist vor allem dor Aufweis, daß die

Eschatologie sowie über dio Methode seines Denkens aucn Poiarisierung im Katholizismus seit der Französischen Revolution,

für sich gute Dienste leisten. Wort dio nicht nur den gesellschaftlichen Standort betrifft, sondern

Im Text läßt Kloin hauptsächlich Teilhard w™*.™^ ({fls den Kern des Dogmas erfaßte, durch Entstehen und Entkommen
- in einer sehr geschickten Komposition von l v wicklung der liberal-bürgerlichen wie der sozialistischen Bewegung
den deutschen Übersetzungen entnommen sind) mt bedingt wurde. Der Vf. wehrt sich dabei mit Recht gegen die Auf-
Überleitungen -, während in den zahlreichen A"merKU g ' e fag8Ung, es handle sich hier um einen simplen Dualismus; er sieht
im Durchschnitt fast die Hälfte der Seiten einnehmen, * vielmehr die piuralisierung des Katholizismus, obgleich er Bio
Spektrum der repräsentativen Sekundärliteratur eing ^ Orientierungslosigkeit beklagt, als eine fundamentale Gegebenwird
. Der Vf. selbst bleibt im Hintergrund und mterprctic r heit der Qegenwart an. Diese ergab sich daraus, daß der intransi-
direkt durch dio Auswahl der aus der Primär- und bekunua ^ ^ ^ ^ liberale KatholizismuB seit Anfang des 19. Jhs. einen
zitierten Stollen. Er hat daboi - aufgrund °ft(|nba(l: g daß das rechten und einen linken Flügel ausbildeten. Der liborale Katholi-
gründlicher Kenntnis der Texte - eine glückliche j*ang 'zuverla88ig zismus - antiklerikal, aber zutiefst erfüllt von seiner Mission, zeit-
von ihm zusammengestellte Teilhard-Bild durc "j^8 ^ ist gemäße, der individuellen Erkenntnis wie dem persönlichen Ge-
ist. Die einzige - unvermeidliche - Grenze dieser a . nden wissen verpflichtete Glaubensformen auszubilden - knüpfte posi-
durch deren Knappheit bedingt, die natürlich in ^ reuchung tiv an den Geist von 1789 an. Veranlaßt durch die geistigen
Aufgabe iimorhalb der Gesamtkomposition de gjschen Wandlungen des Bürgertums im Zusammenhang mit der Ent-
oegründet ist. Besonders die theologischen Scnopfung" wicklung des Kapitalismus sowie dem Aufkommen der sozialisti-
Ausführungen (otwa „Christus in einer evo u 1 verein- sehen Bewegung, grenzte er sich aber zunehmend nach links ab
und „Der Glaube bei Teilhard") wirkon da ^ ^ die ^ propagjert<j bald die Anpassung an den Geist bzw. Ungeist der
fachend und unvollständig - aber die im z^e Elemente von bestehenden kapitalistischen Gesellschaft. Er besaß kaum noch
Beurteilung dor Pastoral-Konstitution notwen "8^ ^ augge einen missionarischen Impuls zur Gestaltung des öffentlichen
Toilhards System werden ja dort erneut auigeg Lebens von den Leitbildern deB Glaubons hör und verzichtete auf
führt. n h s ein vorbildliches Beispiel die Gesatntdeutung der Welt von einer festen vorgegebenen Norm

Insgesamt ist der 1. Teil dieses Buche ^ Schreibpause - her, die Autorität im Namen der Freiheit bekämpfend sowie den

für dio jetzt - nach dor mehrjährigen e J :teratur: Hier Glauben individualisierend und spiritualisierend.
wohl beginnende zweite Generation der leiinaru m