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Ausgabe:

1978

Spalte:

874-878

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hasenfratz, Hans-Peter

Titel/Untertitel:

Die Rede von der Auferstehung Jesu Christi 1978

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 12

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würde. So dominieren in seinen Gesetzen Themen, die den Pharisäern
vor 70 wichtig waren. E. gehört also an das Ende des alten
Pharisäismus und nicht an den Beginn des neuen Rabbinismus. In
dem zu seiner Zeit erfolgenden Ubergang vom Pharisäismus zum
Rabbinismus gehörte er nicht zu denen, welche die neuen Ideen
entwickelten: die Ablösung des Opfers durch das Studium, des
Priesters durch den Rabbi, der Kultfrömmigkeit durch die mündliche
Thora usw. Ein Rabbi scheint z. B. Jochanan ben Zakkai
gewesen zu sein. Eliezer war ein Pharisäer, und was er lehrte, lief
auf eine Rationalisierung und Liberalisierung des pharisäischen
Gesetzes hinaus.

Der "Eliezer of Tradition", d. h. das von den wichtigsten Autoritäten
des 2. Jhs. geprägte Eliezer-Bild, unterscheidet sich nur
wenig von dem „historischen Eliezer". Zwei wichtige biographische
Themen kommen freilich hinzu: die enge Verbindung zu Jochanan
(M. Abot und M. Jadajim) und die Anspielung auf eine Art von
Exkommunikation. Neu ist in diesen Traditionen die Behauptung,
daß Eliezer für den Krieg und für eine Erweiterung des jüdischen
Territoriums gewesen sei. Der historische E. war gegen den Krieg.
Der militante Zug des Eliezer-Bildos wird erst nach Jabne aufgekommen
sein, zwischen 120 und 180, durch die Akiba-Schüler, die
für den Krieg Bar Kochbas eingetreten waren und übrigens auch
Jochanan ben Zakkai rückblickend als Militaristen hingestellt
hatten.

Der Eliezer der Legende ist erst ein Produkt der jüngeren
Schichten der Gemarot und der späteren Kompilationen der
Midraschim. Die Legenden enthalten biographische Züge, vor
allem durch drei wichtige Erzählungen: über die Herkunft, über
die Exkommunikation und (eng damit verwoben) über den Tod
Eliezers. Freilich erscheitt E. hierbei kaum als Individuum, sondern
eher als Teil einer redaktionellen Formel, zusammen mit
Josua oder Josua und Akiba. Die Verbindung zwischen E. und
Jochanan, die dem 3. Jh. wohl besonders wichtig war, wird in den
Legenden weiter ausgebaut.

Die einander widersprechende Haltung zum Krieg gegen Rom,
die E. und auch Jochanan in den verschiedenen Überlieferungsschichten
zugeschrieben wird, nötigt, auch die Tradition über die
Haltung Akibas in dieser Frage zu überprüfen. N. läßt hier einen
anderen Autor zu Worte kommen, den sowjetischen Wissenschaftler
G. S. Aleksandrow: Appendix I: The Role of 'Aqiba in the
Bar Kokhba Rebellion (S. 422-436). A. wendet sich gegen die fast
allgemein anerkannte Behauptung, Akiba sei der Inspirator des
Bar-Kochba-Aufstandes gewesen, die sich nur auf j.Taan. 68d
stützen kann, sowie gegen die oft geäußerte Annahme, die vielen
Reisen Akibas hätten mit der Vorbereitung des Aufstandes im
Zusammenhang gestanden. Auch stellt er den messianischen
Charakter der Bar-Kochba-Rebellion in Frage. Seine Thesen und
Argumento sind beachtenswert. Man darf gespannt auf die zu
erwartende gründliche Untersuchung der Akiba-Traditionen aus
Neusners Arbeitskreis sein, die sich gewiß den von A. aufgezeigten
Problemen stellen wird.

Ein zweiter Appendix bringt Berichtigungen und Erwägungen
zu Neusners Buch "Development of a Legend" (S. 437-458). Sie
zeigen, daß die Arbeit über Jochanan weiter im Fluß ist.

Gewiß werden auch bei dem vorliegenden zweibändigen Werk
einige Berichtigungen nötig sein. So scheinen mir nicht alle
Rechnungen und Zahlen exakt zu sein (etwa auf den Seiten 1, 4,
6, 18 von Band II). In Band II, S. 17 wird auf Part II und HI
Bezug genommen. Die beiden Teile des 2. Bandes werden aber in
Inhaltsangabe und Kapitelüberschriften nicht voneinander getrennt
. Die Darstellung ist nicht in allem ausgeglichen. So wird in
Bd. II auf S. 294 vom historischen Eliezer konstatiert, wir wüßten
nicht, wen er geheiratet hat, während auf S. 298 die Tradition, daß
er ilie Schwester Gamaliels geheiratet habe, offensichtlich für
zuverlässig gehalten wird.

Die Folgerungen, die aus dem Befund der unterdrückten Traditionen
in Kap. XI gezogen werden, stehen in einer gewissen Spannung
zur Auswertung dieser Traditionen im historischen Teil des
Werkes. Bei der Erörterung der Traditionen wird immer wieder
nach der Tendenz gegenüber Eliezer - ob freundlich, ob feindlich,
ob neutral - gefragt, woboi der Auffassung einer verbreiteten
Feindschaft gegen E. entgegengetreten wird. Man gewinnt den
Eindruck, daß dieses Frageschema vom Autor allmählich, da einei

historischen Erfassung nicht überall förderlich, verlassen worden
ist. Am merklichsten durchkreuzen sich die verschiedenen Intentionen
des Vfs. m. E. bei den unterdrückten Traditionen.

Diese Anmerkungen sind als Anregungen für künftige "recon-
siderations" gedacht. Die Spannungen in der Darstellung schmälern
nicht den Wert des großangelegten Werkes, das für die Erhellung
der Neuformation des Judentums im Zeitalter der beiden
großen jüdischen Aufstände einen entscheidenden Beitrag leistet.
Das Werk wird durch gründliche umfangreiche Indices (S. 459 bis
528) abgeschlossen.

Berlin Ludwig Wächter

NEUES TESTAMENT

Hasenfratz, Hans-Peter: Die Rede von der Auferstehung Jesu
Christi. Ein methodologischer Versuch. Bonn: Linguistica
Biblica 1975. 271 S. 8° = Forum Theologiae Linguisticae, hrsg.
v. E. Güttgemanns, 10. DM 23,75.

Berger, Klaus: Die Auferstehung des Propheten und die Erhöhung
des Mengchensohnes. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen
zur Deutung des Geschickes Jesu in frühchristlichen Texten.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1976]. 650 S. gr. 8°
= Studien zur Umwelt des Neuen Testaments, hrsg. v. K. G.
Kuhn, 13. Kart. DM 98,-.

Beide Bücher versuchen, die Aussage von der Auferstehung Jesu
zu klären; freilich in völlig verschiedener Weise. Hasenfratz
schreibt in ungewohnter Frische, aus reichen sprachlichen (Akka-
disch und Sanskrit), naturwissenschaftlichen, rechtlichen, wirtschaftlichen
, sozialen Kenntnissen heraus und stellt das Problem
in eine grundsätzliche Erörterung thoologischer Methoden hinein.
Wenn ich als der, der die Arbeit betreut hat, sie auch bespreche,
dann darum, weil ich sie für höchst anregend halte und fast durchweg
anderer Meinung bin. Wissenschaft wird im ersten Teil im
Gefolge Reichenbachs und Bochenskis neopositivistisch verstanden
, Sprache als Konvention. Auferstehung soll ohne Rücksicht
auf ihren historischen oder dogmatischen Stellenwert nur daraufhin
befragt werden, wie sie im Neuen Testament „erscheint"
(Husserl). Da der Satz von der Auferstehung als nicht vorif izierba-
rer sinnlos ist, aber als literarisches Faktum existiert, ist das Problem
gegeben. Nun würde der Vf. nicht leugnen, daß auf einer
anderen Sprachebene, z. B. in der Verkündigung, auch nicht
(naturwissenschaftlich) verifizierbare Aussagen möglich sind;
dennoch scheint mir schon diese radikale Eingrenzung der theologischer
Arbeit zugänglichen Wirklichkeit alle Ergebnisse zu verfälschen
. Als Gegenschlag gegen eine extrem existentialistisch-
subjektivo Exegese mag diese Position verständlich sein; doch
kommen darin entscheidende Dimensionen menschlicher Wirklichkeit
, wie sie doch auch in Philosophie und Psychologie, Kunst-,
Literatur- und Geschichtswissenschaft erforscht werden, überhaupt
nicht mehr in den Blick. Doch kann das Problem des Wissenschaftsverständnisses
hier natürlich nicht ausführlich erörtert
werden. Wenden wir uns also der noutestamentlichen These des
zweiten Teils zu.

Die Analyse ist „konsequent traditionsgeschichtlich" und
scheidet die Schichten „supersteril". Mk 16,1-8 ist Entrückungs-
legende, von der alle Erscheinungserzählungon sekundär abzuleiten
sind. Für hellenistischen Ursprung sprechen: Frauen als Zeugen
und Betreuerinnen der Leiche, Salbung mit Spezereien, Beglaubigung
durch Engel (oventuell Nachwirkung jüdischer Grabengel
), offenes Grab ohne Erscheinungen. Früho Markusschichten
kennen daher nur Erhöhung, nicht Auferstehung Jesu. Die pauli-
nische Pistisformel 1 Kor 15,3-8 stammt aus dem hellenistischen
Judentum (Antiochia?). Die Erscheinung vor den über 500 ist
identisch mit Pfingsten, so daß Erhöhung Jesu ebenso gut als
Geistmitteilung wie als Auferstehung interpretiert werden kann.
Erst bei Paulus worden Auferweckung Jesu und allgemeine Toton-
auferstchung vorknüpft. Q keimt wedor Passions- noch Aufor-
stehungsaussagen; Johannes ist von den Synoptikern abhängig.
Ursprung der Auferstehiuigslegonde ist der Enthusiasmus, in dem