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Ausgabe:

1978

Spalte:

856-859

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Theologische Realenzyklopädie, Bd. I (5 Lfgn.)

Titel/Untertitel:

Aaron - Agende 1978

Rezensent:

Amberg, Ernst-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 12

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verschiedenen Wirklichkeitebereichen, dem von Sünde und Tod
und dem des Geistes, in dem jener aufgehoben ist.

Einige Einzelheiten mögen hier noch angemerkt werden. Das
Verhältnis zwischen der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes
in l,16f. und der Offenbarung des Zornes Gottes in 1,18 bleibt unklar
. Einerseits ist diese die „Kehrseite" von jener (S. 48), andererseits
handelt es sich in 1,18 um eine „andere Offenbarung" (ebd.).
Entsprechendes gilt für die Interpretation der Gerechtigkeit
Gottes auf S. 95: Wenn sie „das Waltenlassen seiner Bundestreue"
ist, wie kann sie dann „auch richterliche Gerechtigkeit" sein und
dem Ungerechten als rfpyij begegnen? Weder wird hier das schwere
Problem bedacht, was aus der Bundestreue Gottes wird, wo alle
Menschen ungerecht sind und demgemäß die Gottesgerechtigkeit
nur noch als „Strafgerechtigkeit" wirken könnte; noch auch wird
bedacht, daß von dieser Bestimmung aus das Verhältnis zwischen
1,17 und 1,18 völlig anders zu interpretieren wäre, als Schlier
zuvor diese Stelle interpretiert hat: nämlich so, daß in der Offenbarung
des Zornes die Gerechtigkeit Gottes offenbart werde!
In 3,26 wird denn auch das Gerecht-Sein Gottes als sein Gerichte-
walten interpretiert, so daß die Rechtfertigung aufgrund des
Glaubens zum Rätsel wird (zu S. 114). Man entgeht diesen Apo-
rien der Auslegung nur, wenn man die Gottesgerechtigkeit durchweg
als Gottes heilschaffende Bundestreue im Gegensatz zu seinem
Zorn versteht, die diesen in ihr selbst aufhebt.

In 2,14 meint eavroif eioiv vöfxos sicherlich nicht, daß die
betreffenden Heiden „auch Tora für andere werden" (S. 78),
sondern daß sie es für sich selbst sind, indem sie, ohne die Tora zu
haben, tun, was sie fordert. Weder 3,24 (S. 107 mit Anm. 8) noch
3,25 (S. 109) gelten als traditionell vorgegebene Formeln: was
3,24 betrifft, m. E. zu Recht (wie P. Stuhlmacher in der Festschrift
für W. G. Kümmel S. 315ff. m. E. erwiesen hat, welchen
Beitrag Schlier hier leider nicht erwähnt). Was dagegen 3,25
betrifft, so scheint mir die vorpaulinische Herkunft unwiderlegbar
zu sein. Daß Schlier in 3,25 den Bezug auf die kultische Sühne-
tradition bestreitet (S. 110f.), entspricht zwar einem breiten
common sense, ist hier aber m. E. ebenso wenig stringent begründet
wie sonst, - zumal Schlier diese zentrale soteriologische Aussage
des Römerbriefs (die zweifellos keineswegs ein Zwischengedanke
ist, wie er S. 114f. unverständlicherweise meint) der
Sache nach mit Recht im Sinne der Sühnevorstellung interpretiert:
Aber wie kann diese verstanden werden und soteriologisch Kontur
gewinnen ohne den Hintergrund der Struktur des kultischen
Sühnevorgangs? Die Zusammenfassung der Exegese auf S. 111 ist
entsprechend blaß und ohne eigentlich erklärende Kraft.

öfxoiiofxa in Rom 6,5 erklärt Schlier überzeugend: „Das .Abbild'
ist das Abgebildete und ist es doch nicht." (S. 195). Doch sieht er
das Moment von Ungleichheit innerhalb der konkreten Gleichheit
in der Differenz zwischen dem historischen Kreuzesgeschehen und
seiner sakramentalen Gegenwart, nicht - wie es von Phil 2 her
ungleich wahrscheinlicher ist - in der Differenz zwischen dem
göttlichen Wesen Christi und seinem menschlichen Todesgeschick
(vgl. auch 2 Kor 5,21). Auch das Verständnis von tijs ävaozdaeio;
eodfxe&a als „der Auferstehung zugehören" (S. 196) ist zwar
sprachlich möglich^^aber im Kontext des Satzes zumindest sehr
unwahrscheinlich, weil dann die mit äkXa xat hervorgehobene Entsprechung
zum voranstehenden et-Satz verlorengeht.

Zu 8,15 ttlßd (S. 253f.) vermißt man jede Erwägung, ob damit
auf das Vaterunser angespielt wird oder nicht. Bei der Interpretation
von xüoit in 8,19ff. im Sinne der gesamten Schöpfung
(S. 259) fehlt eine Auseinandersetzung mit Vögtles markant entgegenstehender
Deutung. Ob mit dem inotd^ag in 8,20 wirklich
Adam gemeint ist (S. 261), hat auch Schlier nicht überzeugend
begründet. Daß 8,31-35 als eine Folge von Fragen aufzufassen ist,
meint Schlier (S. 279) im Unterschied zu den meisten Kommentatoren
, rd ndvta in 8,32 muß jedoch von 1 Kor 3,21-23 her „das
All" meinen und nicht „alles Heil" (S. 277).

Überzeugend verteidigt und vertieft Schlier (S. 350ff.) seine
frühere Auslegung von nn^axaXä» i5,uSf. . . dia t&v oixiiQfiü>v toü
9eo0 und kritisiert S. 385 Anm. 63 mit beachtlichen Gründen
Käsemanns Interpretation des ganzen Abschnitte im Sinne von
„Gottesdienst im Alltag der Welt". 13,1-7 erscheint Schlier wie
den meisten Exegeten als „ein gewichtiges Zwischenstück"
(S. 386). Meine Kontext-Analyse (vgl. Rechtfertigung als Freiheit

S. 205-216) hat ihn offenbar nicht überzeugt; daß er sie ignoriert,
finde ich bedauerlich. Auch die dämonologische Interpretation
von 13,1 erscheint Schlier offenbar nicht einmal einer Erwälmung
wert. Zu 13,6 geht er auf die Frage des Verhältnisses zu Mk 12,13ff.
mit keinem Wort ein. Um welcherart Leute es sich bei den
„Schwachen" in 14,lff. handelt, wird S. 403-406 umsichtig diskutiert
. Schlier hebt die Erörterung sowohl von 1 Kor 8-10 als
auch von Gal 4,8ff. und Kol 2,16 ab, so daß zur Erklärung jegliche
Vergleichstexte fehlen und der Vorgang in Rom im historischen
Nebel bleiben muß. Schließlich: Den sehr auffallenden Tatbestand,
daß Paulus nach 15,31 die Zurückweisung der Kollekte seiner
Gemeinden von Seiten der Urgemeinde befürchten muß, konstatiert
Schlier S. 483 lediglich, ohne nach den möglichen Gründon
zu fragen.

Die Zahl der Druck- bzw. Manuskriptfehler Ist beträchtlich. Aufgefallen Ist
mir vor allem: 8. 2 Anm. 6 steht an falscher Stelle; das nichtige steht S. 3.
Ebenso verhält es sich mit S. 85 Anm. 11, die sich auf das 8. 86 Ausgeführte
bezieht, sowie mit S. 109 Anm. 11, die zum folgenden Satz gehört. Der Titel des
Buches von C. Bussmann heißt: ,,Themen" (nicht Thesen) der paulintschen
Missionspredigt usw.". 3,1 Ist zu übersetzen „der Vorzug du Juden" (nicht: „der
Juden"). 8.92-94 steht konstant riVsf statt II»HC. 8. 97 fehlt der Akzent. Der
letzte Satz von S. 126 Anm. 25 erübrigt sich, well dasselbe im Text steht. S. 139
Zeile 1 der Erklärung ist „ein" wohl zu streichen. S. 222 ist das Zitat Joh 1,15
offensichtlich falsch; ist Joh 8,44 gemeint? S. 806 Zeile 15 v. u. ist „als er (?)
sie im Glauben ergreift" unverständlich.

Alles in allem: In diesem Werk haben wir einen zweiten großen
katholischen Römerbrief kommentar von Rang neben dem (bislang
leider unvollständig gebliebenen) von Kuss erhalten. Daß er jeden
aufmerksamen Benutzer vielfach belehrt, anregt und erfreut, ist
ebenso hervorzuheben, wie daß er ihn trotz seiner ruhigen, unaufdringlichen
, liebevoll am Detail orientierten Darstellungsart auch
im Grundsätzlich-Theologischen vielfach zu Zustimmung oder
eben Widerspruch provoziert. Wir Jüngeren haben dem verehrten
Altmeister dafür sehr zu danken.

Schlier, Heinrich: Der Römerbrief. Kommentar. Frelburg-Basel-Wlen:
Herder 1977. XX, 455 S. gr. 8° = Herders theologischer Kommentar zum
Neuen Testament, hrsg. v. A. Wikeuhauser t, A. Vögtle, B. Schnackenburg,
VI. Lw. DM 98,-.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Theologische Realenzyklopädie, hrsg. v. Gerhard Krause u. Gerhard
Müller. Bd. I (5 Lfgn.): Aaron-Agende. Berlin-New York:
de Gruyter [1976/77]. IX, 803 S. gr. 8°.

Abkürzungsverzeichnis, zusammengestellt v. S. Schwertner,
ebd. 1976. XVIII, 398 S. gr. 8°.

Die Theologische Realenzyklopädie (TRE) des Verlages Walter
de Gruyter ist auf 25 Bände mit insgesamt etwa 3000 Stichwörtern
berechnet. Sie knüpft an die 3. Auflage der Realencyklopädie für
Theologie und Kirche (RE3) (abgeschlossen durch zwei Ergänzungsbände
1913) an, unterscheidet sich aber von dieser bereits
im Prinzip durch die angestrebte „oekumenische Weite" sowie
besonders durch Internationalität und Interkonfessionalität von
Herausgeberkollegium und (soviel bisher ersichtlich) Mitarbeiterkreis
. Als Fachgebiete werden neben den klassischen theologischen
Disziplinen noch Philosophie, Religionsgeschichte und Judentum
genannt. Bereits in der Vorankündigung wird gesagt: „Es geht
um eine Enzyklopädie, in der das gesamte Christentum Gegenstand
der Darstellung ist". Von dieser neuen Enzyklopädie heißt es
weiter, daß sie „nicht eine Summierung aller Einzelheiten bieten
will, sondern die Personen, Ereignisse und Begriffe nach ihrer
Repräsentanz geschichtlich wirksamer Ausprägungen des Christentums
auswählt und darstellt. In den Artikeln wird an die .Realia'
angeknüpft, die das von Kirche und Theologie ausgehende Geschehen
bestimmen und noch heute tragen". Der Gesichtspunkt
der Auswahl gewinnt damit für diese Enzyklopädie wie für die
meisten nicht einfach „summierenden" Nachschlagewerke entscheidende
Bedeutung, und zwar wohl nicht nur äußerlich (Anzahl
der Artikel und Umfang), sondern zugleich und vor allem inhaltlich
: es werden dadurch Akzente gesetzt, Profile gezeichnet und