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Ausgabe:

1978

Spalte:

64-67

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Thust, Karl Christian

Titel/Untertitel:

Das Kirchen-Lied der Gegenwart 1978

Rezensent:

Albrecht, Christoph

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

hl

Kreativität, e) Die liturgische Ordnung. 4. Leben und Liturgie,
a) Das Heilige und das Profane, b) Diakonie und Liturgie,

c) Der politische Kultus, d) Gegen ein Christentum ohne
Kultus? 5. Das liturgische Fest, a) Das Fest des afrikanischen
Menschen, b) Das biblische Fest, c) Unser liturgisches Fest,

d) Die Liturgie und der Tag des Herrn.

Ein Verstehen des christlichen Gottesdienstes kann es für Vf.
nicht geben, abgesehen von der „Tatsache, dar) dies liturgische
Geschehen vor allem ein göttliches Geheimnis ist" (15); denn
der Gottesdienst ist „das Sakrament der Gegenwart und des
Handelns des Herrn unter uns" (14). Das weiß man freilich
nur im Glauben, aber „wenn wir das Mysterium aus dem
Auge verlieren, werden wir unfähig, das Eigentliche des christlichen
Kultus zu erfassen, das ihn von jeder anderen Manifestation
des menschlichen und sozialen Lebens unterscheidet"
(15). „Dies göttliche Geheimnis oder Sakrament wird Schöpfer
menschlicher Gemeinschaft" (15). „Mais la constatation dechec
ou en tout cas de faiblesse de la communication dans lc cultc
doit devenir un stimulant pour la reforme de la liturgie afin
que cellc-ci donnc pleinemcnt tout ce qu'elle pourrait donncr"
(20). Diese Gemeinschaft muß zur Welt hin geöffnet sein: „Es
handelt sich darum, einen realen Kontakt zwischen der Liturgie
und der Welt, die uns umgibt, zu suchen und zu fördern. Die
Gläubigen sind die stellvertretenden Liturgen für diese Welt"
(22). Doch all das wird nur möglich, soweit sich im Gottesdienst
die Erkenntnis realisiert: Der Heilige Geist ist „konstitutiv
für die Liturgie wie übrigens für das ganze christliche
Leben, ebenso für das individuelle wie für das gemeinschaftliche
" (36). Darum begrüßt es Vf., daß die protestantischen
Kirchen und die katholische Kirche die Epiklesc zurückgewonnen
haben. „Sie ist in der Liturgie eine sehr nützliche und
wichtige Erinnerung an unsere Abhängigkeit vom Heiligen
Geist für das gottesdienstliche Ereignis" (41). In dessen Ernstnehmen
müssen im Gottesdienst auch aufbrechende Gnadengaben
wie improvisierte Gebete und Zungenrede ihren Platz
finden können (44). Nüchtern weiß Vf. auch um die damit
gegebenen Gefahren: „Elle (sc. la creativite liturgique) n'est
non plus ä confondre avec un goüt pour l'cxtravagant qui
recherche la nouveaute pour elle-meme" (45). Eindrucksvoll
ist, wie Vf. immer wieder die tiefe Einheit von Gottesdienst
und Leben unterstreicht: „Tout la vie chretiennc se veut une
vie liturgique illuminee par la gräce de Dieu toujours presente,
qui devient offrande de tout ce que nous sommes et faisons"
(51). Trotzdem hebt das die Unterschiedenheit des Heiligen
und des Profanen nicht auf: „Das Heilige hat eine in Bezogcn-
heit auf die Totalität des Lebens repräsentative Funktion" (49).
Mit diesen Hinweisen auf das Grundverständnis des Vfs. vom
christlichen Gottesdienst muß ich mich hier begnügen. Im Blick
auf den II. Hauptteil wird es von daher selbstverständlich,
daß er in der Frage nach den kirchlichen Handlungsträgern
vom „priesterlichen Volk" ausgeht. Der kirchliche Amtsträger
ist im strengen Sinn nur wirklich „Diener" an Wort und Mahl,
doch gerade so Hinweis auf Christi Gegenwart inmitten seines
Volkes. Daß der „innerlich vollständige Gottesdienst" (vgl.
K. Barth) Wort und Mahl umschließen sollte, ist für Vf. keine
Frage. Wenn die protestantischen Kirchen weithin jetzt
wenigstens monatlich so den Gottesdienst feiern, begrüßt er es
als Schritt auf dem Weg zur sonntäglichen Mahlfeier (35) j
denn es ist für ihn keine Frage, „daß unsere traditionellen
Liturgien an einer Hyperthrophie des Wortes leiden" (79).
Demgegenüber kann schon der menschliche Gesang „mitunter
besser das Geheimnis des göttlichen Wortes ausdrücken, als es
arme Worte tun, die wir sagen, stets bedroht von Intellektualismus
und Beschränktheit" (95). Die Forderung nach der
Einheit von Wort und Mahl bedeutet jedoch bei Bürki keinesfalls
eine Abwertung des Wortes: „Die Predigt ist nicht allein
eine Vorbereitung auf das heilige Mahl, sie ist selbst wahrer
Gottesdienst" (33).

Was im III. Hauptteil als „Die Elemente unserer Liturgie"
bedacht wird, wie sie den protestantischen Gottesdienstformen
Afrikas im wesentlichen gemeinsam sind, entspricht einer
Grundstruktur der Liturgie, wie sie sich in der altkirchlichen
Tradition herausgebildet hat und von den orthodoxen wie den

katholischen Kirchen einerseits, den größeren protestantischen
Kirchen andererseits weitergebildet wurde. Wie Vf. bereits im
Teil I ausgesprochen hat, sieht er darin „eine typische Ordnung
des Sonntagsgottesdienstes mit den verschiedenen Elementen,
die, nach unserer Meinung, notwendig sind für den Kult der
Kirche Christi in unserem afrikanischen Kontext" (47). Bürki
kommt dabei zur gleichen Feststellung wie Luykz, daß die
orientalische liturgische Tradition afrikanischem Empfinden
nähersteht als die okzidentale (173). Das kann bei aller Hochschätzung
der Tradition für Bürki jedoch nicht deren Verabsolu-
ticrung bedeuten: „Dans toutes les rcligions, mais egalcmcnt
dans l'Eglisc chretiennc, le culte est le domaine par cxccllencc
de la tradition. Or, il nous faut apprendre que TEsprit de Dieu
vivant fait du culte un lieu de liberte et cfinnovation per-
petuellc. Des cxpericnccs nouvellcs sont lc propre cTunc
liturgie qui est animee par l'Esprit du Seigncur" (44). Dabei
vergesse man aber nicht: „Unsere Kirchen haben eine liturgische
Erziehung nötig, und dann (vom Rez. gesperrt) werden
uns die Afrikanisation der Liturgie und die Anpassung
dieser Liturgie an immer neue Situationen gegeben werden
wie im Zuwachs" (197). In diesem Sinn schließt das Buch mit
der Mahnung zu liturgischer Erziehung der Pastoren wie der
Gemeinden und Hinweisen auf deren Möglichkeiten.

Das Buch läßt es weder an Offenheit des Gottesdienstes zur
Welt hin fehlen noch an dessen bewußter Bczogcnhcit auf die
sozialen Lebensformen, den sprachlichen Ausdruck und überhaupt
die Kultur der Umwelt, sobald es um Fragen liturgischer
Gestaltung geht. Um so mehr fällt ins Gewicht, wenn trotzdem
nicht sensationell neue Formen für den Gottesdienst erstrebt
werden, sondern das alles in die aus der Tradition überkommene
und vom Evangelium her gerechtfertigte Struktur
der Liturgie eingebracht wird. Aber der protestantische Sonntagsgottesdienst
in Afrika wird eben durch ein bei Bürki
unverkennbares Ernstnehmen der Pneumatologie und Eschato-
logie so lebendig, und daran fehlt es weithin bei uns. Man
scheidet deshalb von diesem Buch, nicht ohne sich von Luthers
ernster Mahnung in der Schrift „An die Ratsherrn aller Städte
deutschen Landes ..." betroffen zu fühlen: „Gottis wort und
gnade ist ein farender platz regen, der nicht wider kompt, wo
er cyn mal gewesen ist ..." (WA 15,32)!

Nicht unerwähnt bleibe, daß das Werk sowohl eine „Bibliographie
generale" (10 wie einen „Index des matieres" (198—200)
bietet.

Grcifswald William Nagel

Thust, Karl Christian: Das Kirchen-Lied der Gegenwart.

Kritische Bestandsaufnahme, Würdigung und Situationsbestimmung
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (1976). IX,
902 S. gr. 8° = Veröffentlichungen der Evangelischen Gesellschaft
für Liturgieforschung, hrsg. v. O. Söhngen, 21. Kart.
DM 39,-.

Thust bietet mit seiner Mainzer Dissertation so etwas wie
eine Enzyklopädie des neueren und neuen Kirchenliedes von
Rudolf Alexander Schröder bis zum Jahre 1971. 615 Liedertexte
ergeben das primäre Arbeitsmaterial. 366 Titel Sekundärliteratur
(zuzüglich einer Fülle von Zeitschriftenaufsätzen, die
nur an den jeweiligen Stellen erwähnt werden) werden im
Textteil der Abhandlung sowie in 3706 Anmerkungen erschlossen
, so daß der Benutzer dieses Buches sich an jeder Stelle
über die Publikationen zu den einzelnen Sachgebieten hinlänglich
informieren kann.

Mit der Schreibweise „Kirchen-Lied" will der Vf. deutlich
machen, daß es ihm in umfassenderem Sinne um alle im Raum
und im Umkreis der Kirche entstandenen Lieder geht, während
die übliche Schreibweise „Kirchenlied" nach seiner Meinung
eine Einengung bedeutet hätte (etwa vergleichbar den beiden
Schreibweisen von „Gottcs-Dienst" im weiteren und „Gottesdienst
" im engeren Sinne).

Nach einer kurzen Situationsbestimmung werden zunächst
die Texte der Lieder untersucht, sowohl nach ihrem theologischen
Gehalt (S.55—262) als auch hinsichtlich ihrer dichte-