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Ausgabe:

1978

Spalte:

840-842

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Jensen, Ole

Titel/Untertitel:

Theologie zwischen Illusion und Restriktion 1978

Rezensent:

Beintker, Michael

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 11

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mann, Helberg und Lauge, Kuli. 1920-1936, mit nachgestellter Band- und Seltenangabe
zitiert. Dio Übersetzungen aus dem Dänischen wie die aus den englischen
Artikeln stammen vom Rezensenten.

* Der Ordnung lialber sei erwähnt, daü sich In iid. IX ein ebcidalls auf das
Bibelstudium SK's bezogener Aufsatz des Rez. befindet: „Ausformung und
Vertiefung von Begriffen bei 8K als Folge seines Bibelstudiums" (IX, 75-83).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Bouyer, Louis: Das Wort ist der Sohn. Die Entfaltung der Christo-
logie, übers, v. H. U. v. Balthasar, G. Haeffner u. H. Schöndorf.
Einsiedeln: Johannes Verlag [1976]. 542 S. 8° = Theologia
Romanica, VIII.

In der Einleitung werden die Intentionen offengelegt: gegenüber
einer abstrakt-rationalistischen Theologie muß bei den konkreten
Erfahrungen des Volkes Gottes mit dem göttlichen Wort,
also mit einer Theologie des Wortes eingesetzt werden (12f., 43ff.);
gegenüber einer christomonistischen Theologie muß das Verhältnis
von Christus zu Gott einerseits und uns Menschen andererseits
bedacht werden (14ff.). Die Entfaltung dieser Christologie geschieht
in drei Schritten: Vorbereitungen (21ff.); Verkündigung
Jesu und seiner Zeugen (157ff.); Einsicht in den Glauben (351ff.).
Hinter dieser heilsgeschichtlichen Dreiteilung der Pädagogik
Gottes, nach welcher sich das Wort Gottes in der Welt ausprägt,
verbirgt sich natürlich ein bestimmtes christologisches Konzept,
das die Zeit der Erwartung des Volkes Israel durch die Zeit der
Erfüllung (Auftreten Jesu und Antwort der Apostel) und diese
durch die Zeit des naehapostolisch-kirchlichen Glaubens sich ablösen
läßt (unter Verweis auf O. Cullmanns Konzeption).

1. Vorbereitungen: Vf. fragt nach den Gestalten und Funktionen
des Wortes Gottes im Laufe der Geschichte Israels, um daraus den
Schluß zu ziehen: „Die Messiasgestalt löst sich von derpropheti-
schen Schau Israels und seines Königs in dem Augenblick los, da
diese in eine endzeitliche übergeht; gleichzeitig löst auch die Weisheit
gleichsam die Prophetie ab und geht ihrerseits ins Apokalyptische
über. Die Gottesknechtgestalt erscheint in diesem Zusammenhang
wie die Selbstübersteigung der Prophetie auf ihrer
eigenen Linie; die Menschensohngestalt dagegen als der apokalyptische
Beitrag zur Endzeitschau des Reiches Gottes und seiner
Ankunft." (137) Damit ist die Zeit des erfüllten, Mensch gewordenen
Wortes Gottes erreicht.

2. Verkündigung: „In Christus gewinnen die prophetischen
Umrisse Gestalt, und die eschatologische Menschheit erscheint in
einer Vorwegnahme. In ihm allein gewinnt die vorlaufende Heilsgeschichte
endlich ihren Gegenstand: Von ihm allein können die
schon gegenwärtigen Gaben des Geistes ausgehen, die Pfand und
Angeld der kommenden Welt und Menschheit sind." (158). Dieser .
Jesus Christus hat außer den Titeln des Messias und Gottesknechtes
alle anderen messianischen und hoheitlichen Titel wie Menschensohn
, Sohn Gottes, Kvoiog benützt (199ff.). Er hat die Kirche
gegründet (180ff.); er ist ihr Lehrer; sein Leben verläuft, wie es die
Biographien der Evangelien wiedergeben (220ff.); seine Auferstehung
ist (im Sinne Pannenbergs) historisch zu verstehen (242ff.)
die Christologie der Urkirche, wie sie von Petrus in den Reden der
Apostelgeschichte und in den Petrus-Briefen, von Paulus bes. in
Kol und Eph, von Mt, Lk, Hebr, Mk und Joh vorliegt, wird als in
sich lediglich nuancierende Christologie vorgestellt (258ff.). Kritische
Literatur etwa von Käsemann zu Hebr und Joh und neuere
Kommentare fehlen; Lk wir als Schüler des Paulus vorgestellt
(309); Joh und Mk haben die substantiell gleiche Christologie
(316) - ein harmonisches, freilich forschungsmäßig nichthaltbares
Bild.

3. Einsicht in den Glauben: „Der Weg des Wortes Gottes durch
das Alte Testament hat sich uns von seinem Ende her als die langsame
Gewöhnung des Sohnes Gottes an ein Leben mit den Menschenkindern
(Irenäus) oder auch als die schrittweise Vorbereitung
der Menschheit auf seine Ankunft enthüllt. Im Neuen Testament
sehen wir, wie dieses Wort, das nun und für immer selbst ein
Mensch geworden ist, sich durch die unmittelbare Ausstrahlung
seines Daseins ganz an uns verschenkt. Nun bleibt noch darzustellen
, wie sich dio durch diese Begegnung und Selbsthingabo
erneuerte Menschheit dem Licht des fleischgewordenen Wortes
öffnet und in der bis auf uns gekommenen Überlieferung der
Kirche ein klar umrissenes Bewußtsein dieses Geheimnisses gewinnt
." (351). Dieses Wort wurde nach seinem Auftreten erst allmählich
verstanden, christologisch dargestellt zwischen den Extremen
eines Monophysitismus des Verstandes und eines Nestoria-
nismus des Gefühls (354), die sich in den Etappen christologischen
Denkens ständig wiederholen:

1. vom Glauben der Apostel bis 381: die Gottheit Christi in Absetzung
von Gott-Vater;

2. von Konstantinopel bis zur Scholastik: die Menschheit Christi;

3. das Mittelalter: der Gottmensch in der westlichen Theologie;

4. der Weg zur Neuzeit: von der Metaphysik zur Psychologie, der
als Prozeß der Entgöttlichung Jesu seinerseits wieder zur onto-
logischen Fassung der Christologie zurückführt, etwa bei Blon-
del (474ff.).

Dann wird die christologische Grundfrage erörtert (478ff.): inwieweit
Jesus Christus als „das Wort Gottes in einem einzelnen
Menschen unserer Geschichte... uns alle betreffen" kann. Vf. setzt
sich dabei mit Bulgakovs göttlichem Humanismus, mit Tillichs
liberalem, Bultmanns existentiellem, Rahners transzendentalem
und Teilhards dynamischem Humanismus auseinander (503ff.).
Gegen alle diese christologischen Humanismen ist die Ungeschul-
detheit der mit Gottes Wort empfangenen Gnado ins Feld zu
führen. Und so wendet sich der Gedankengang wieder zur anfänglichen
Beschäftigung mit dem Wort Gottes, „das in Jesus Christus
zu seiner Aussage gelangt" (526): „Jede mögliche künftige Christologie
kann nichts Besseres tun, als versuchen, sich etwas von dem
anzueignen, was uns Jesus allein nach seiner eigenen Lektüre des
Gotteswortes an Israel im Blick auf die ganze Welt enthüllen
konnte" (527).

Abschließend nur einige kritische Anmerkungen. Diese Christologie
lebt von einem kerygmatischen Ansatz, der mittels einer
heilsgeschichtlichen Schau spekulativ ausgeweitet wird bis zur
immanenten Trinität. Leider fehlen exakte sprachtheoretische
Erörterungen. Umgekehrt läßt sich ein gewisser bekenntnishafter
Bezug nicht verkennen, der sich durch Bouyers Wendung zum
französischen Katholizismus in einer bestimmten konservativen
und konfessionellen Gestalt verstehen läßt. Die Deutung der Heilsgeschichte
schwankt zwischen Historismus (etwa in exegetischen
Fragen unter Verweis auf J. Jeremias) und weltgeschichtlicher,
an apokalyptischer Weisheit orientierter Gesamtschau (etwa unter
Verweis auf Pannenberg und Teilhard). Das Problem des Humanismus
(etwa in der Formulierung des anonymen Christentums bei
Rahner) wird vorschnell integriert und damit abgebogen. - Da sich
dieses Buch nicht in eine einzige Schule einordnen läßt, sei noch
auf einige interessante christologische Interpretamente hingewiesen
: Abbau der Diastase zwischen historischem Jesus und keryg-
matischem Christus (178ff.); historische Deutung der Auferstehung
Jesu; das pädagogische Moment des Handelns Gottes durch sein
Wort; die Einbettung der Christologie in Anthropologie und
Menschheitsgeschichte. Trotzdem bleiben vor allem für den evangelischen
Leser viele Defizite offen.

Stadt Rehburg Uwe Gerber

Jensen, Ole: Theologie zwischen Illusion und Restriktion. Analyse
und Kritik der existenz-kritizistischen Theologie bei dem jungen
Wilhelm Herrmann und bei Rudolf Bultmann. Mit einer dänischen
Zusammenfassung. München: Kaiser 1975. 305 S. 8° =
Beiträge zur evangelischen Theologie, hrsg. v. E. Jüngel und
R. Smend, 71. Kart. DM44,-.

Ole Jensens umfangreiche Studie ist nicht primär für die Bereicherung
der speziellen Herrmann- und Bultmann-Forschung
geschrieben worden. Kein isoliert theologiegeschichtliches Interesse
, sondern die Erfahrungen und Herausforderungen der ökologischen
Krise haben den Autor zu diesem Buch veranlaßt. Die
Hilflosigkeit der Theologie gegenüber „jener Ideologie..., die