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Ausgabe:

1978

Spalte:

810-811

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Dammann, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Übersetzung der Bibel in afrikanische Sprachen 1978

Rezensent:

Lehmann, Arno

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 11

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in das für den Nomaden schwierige Kulturland bewältigen helfen.
Hier ließ sich später die Teilerfahrung der Rettung aus Ägypten
wegen der ähnlichen Auf bruchssituation einbauen. Anders formuliert
das Mazzotfest von Gilgal mit Hilfe einer idealen Landnahme-
Begehung den Anspruch auf das gesamte Kulturland zu dem Zeitpunkt
, als die fruchtbaren Ebenen durch die Kanaanäer blockiert
waren. Durch die wiederkehrende Darstellung wird ein Zwölfstämme
-, also Volksbewußtsein geprägt, aus dem sich realpolitische
Folgen ergeben. Im dritten Hauptabschnitt gibt Otto einen
Forschungsbericht zur Frage eines eventuellen Jerusalemer Thronbesteigungsfestes
Gottes. Er hält es für geboten, die These
S. Mowinckels sowohl gegen die Ausweitung (im Sinne eines ge-
mein-kanaanäischen cultic pattern) durch seine Schüler als auch
gegen die Abgrenzung seitens der deutschen Forschung abzusichern
: Aus der Verschmelzung jebusitischer Traditionen mit dem
Jahweglauben und der Nötigung zur Einrichtung eines Königtums
sei es in Jerusalem zur Ausbildung einer Thronbesteigungsliturgie
gekommen, die das Herbst-Neujahrsfest prägte. Charakteristisch
dafür sei die Schöpfungstheologie und die Ausweitung im kosmischen
Maßstab auf alle Völker der Erde. Damit wird der partiku-
laristischen Gilgal-Tradition, welche Saul durch einen Ansatz zur
Kanaanäer-Ausrottung durchzusetzen versuchte, ein starkes Gegengewicht
entgegengestellt. Die weitere politische und liturgische
Entwicklung ließe sich dann aus dem Ringen der beiden Konzeptionen
gegeneinander erklären. In der josianischen Tempelreform
setzen sich starke partikularistische Züge durch, nachdem die
Königszeit durch die Aushöhlung des Sozialprogrammes im Dienste
der vorisraelitischen Latifundienordnung gleichzeitig ihren Beitrag
zur Aushöhlung des kosmischen Gedankens geleistet hatte. Die
Tempelzerstörung mußte auf diesem Hintergrund wie das notwendige
Endglied einer prophetisch angekündigten Strafexpedition
Gottes selbst erscheinen. Damit ist einer Neuinterpretation
des Herbstfestes durch die Einrichtung des Versöhnungstages der
Boden bereitet. So bewältigt die Gemeinschaft zunächst die
Schwierigkeiten beim Weidewechsel durch einen Gemeinschaftsakt
, später das Defizit des eigenen Kulturlandprogrammes, in
Judäa die neuartige Situation des Königtums und schließlich den
Schuldkomplex im gottesdienstlichen gemeinsamen Fest.

Der breitere (S. 77-162) neutestamentliche Teil fällt demgegenüber
stark ab. Darf man Otto gleichsam in der Werkstatt über die
Schultern Behauen, so bietet uns Schramm ein auf Hochglanz
poliertes Fertigprodukt an. Trotz der hohen Zahl von 52 Nummern
im Literaturverzeichnis ist irgendeine Gegenstimme nirgends verzeichnet
; wer diesen Teil liest, erfährt nicht einmal, ob Schramm
selbst diese Gegenstimmen kennt. Anmerkungen (3 Seiten) wie
bei Otto hat dieser Teil nicht nötig. Auf S.144 unterrichtet
Schramm den Leser, er beschränke sich auf Paulus: „seine Aussagen
zur Sache werden - in Auswahl! - erinnert, mit dem Ziel,
Aspekte christlicher Festlichkeit zu benennen". Hier ist jede Einzelwendung
ein Programm! Dem entspricht die Durchführung.
Außer dem Allbekannten erfährt man über das Was neutestament-
licher Versammlungen so wenig wie möglich. Um so breiter werden
die (bekanntesten) Texte zitiert, ein klein wenig kommentatorisch
gerahmt, so daß sich alles mehr wie ein Lektionar zum Thema
„Freude" liest. Nicht das Historische, sondern die Theologie dominiert
wie in einem Begriffs-Absatz einer Theologie des NT. Das
Thema „Fest" fand ich trotzdem, im ganzen dreimal: S. 127 in
einem Schlußsatz, der das Vorangehende nachträglich etikettiert
als „Fest der gelingenden Liebe zum Nächsten". Da habe ich nicht
ganz begriffen, ob die gelingende Liebe dies Fest sozusagen mit
sich selbst allein feiert. S.141 setzt Paulus in 1 Kor 14 „diesem
gnostisch bestimmten chaotischen Fest das kommunikative Fest
entgegen". Ich begreife nicht, inwiefern die Wendung vom chaotischen
Fest Harvey Cox' Leitthese aufgreift. Schlägt sie dieser
nicht eher die Faust in die Zähne? Ich will davon schweigen, daß
eine solche Begrifflichkeit den Streitfall von 1 Kor 14 verständlich
zu machen schwerlich geeignet ist. Was interessant gewesen wäre:
die historischen und praktischen Fragen urchristlicher Versammlungen
, fehlt. Das Thema wird nicht historisch, sondern streng
systematisch abgehandelt: „mitten darin (seil, im „Alltag der
Welt") steht auch die Versammlung der Gemeinde" sagt S.151.
Aber wozu hat man denn Versammlungen überhaupt benötigt?

Vollzogen die ersten Christen (Schramm nennt dafür drei luka-
nische, ich wiederhole: lukanische Texte) anfangs den synagogalen
Gottesdienst mit, warum haben die Christen denn Einsetzungsworte
für Herrenmahl und Taufe schon vor Paulus ausgeformt?
Des Groben zu viel, eröffnet Schramm S.77: „Die Galater müssen
sich von Paulus sagen lassen, daß ein Halten der Termine des alt-
testamentlich-jüdischen Festkalenders einem Rückfall in den
Götzendienst gleichkommt." Ja, wohnten denn die Galater in
Palästina, daß sie so anfällig waren für Mond- und andere Tagesbegehungen
? Oder sind hier die schlichtesten Differenzierungen
unterblieben?

Während man mit Otto zum Verständnis des Festes geführt
wird, erlebt man, in Abwandlung des Titels, am neutestament-
lichen Teil keine Freude. Das aber scheint mir tiefer begründet zu
sein, etwa im weiten Vorsprung der gegenwärtigen alttestament-
lichen Forschung! Dadurch, daß der Verlag die beiden biblischen
Disziplinen so hart nebeneinander zu Wort kommen ließ, hat er
gleichzeitig auf die enorme Distanz dieser Disziplinen aufmerksam
gemacht. Wer hier wo stehengeblieben ist, mögen Berufenere
befinden. Nur so viel sofort: Daß die Wiederholung bekannter
Dinge mit ausführlicher Belegzitation für den Praktiker nicht viel
einbringt, zumal wenn sie im Stil eines Begriffs-Artikels erfolgt, sei
mir anzumerken erlaubt. Nicht die historisch-kritische Forschung
frustriert, sondern das Angebot fertiger Produkte, die niemand
mehr hinterfragen darf.

Boradorf b. Leipzig Gottfried Schille

Dammann, Ernst: Die Übersetzung der Bibel in afrikanische
Sprachen. München: Fink 1975. 167 S. gr. 8° = Abhandlungen
der Marburger Gelehrten Gesellschaft, Jahrgang 1972, Nr. 3.
Kart. DM 38,-.

In Afrika werden „mindestens acht- bis neunhundert Sprachen
gesprochen" (7), deren größter Teil von Missionaren erforscht, zur
Schriftsprache erhoben und mit erstmaligen Wörterbüchern und
Grammatiken belegt worden ist. Ende 1973 gab es in afrikanischen
Sprachen 89 Vollbibeln, 131 Neue Testamente und 235 einzelne
biblische Bücher. Die Übersetzungsarbeit geht weiter, heute auch
zunehmend in evang.-kath. Arbeitskreisen, und ebenso auch die
aller 30-40Jahre nötige Revision bereits vorliegender Übersetzungen
. „Es ist bisher keine afrikanische Sprache bekannt geworden,
in der es nicht möglich gewesen wäre, die Bibel oder Teile von ihr
zu übersetzen" (11).

Der Vf., Theologe und Afrikanist mit langjähriger „Felderfahrung
", bereichert mit dieser Arbeit die zeitlich und stofflich
ausgedehnte Fachliteratur. Er gibt einen Einblick in einen Teil
der afrikanischen Sprachwelt und der Übersetzungen (denn alle
Sprachen und alle Übersetzungen kann kein Mensch kennen): in.
die Erfordernisse, die Schwierigkeiten und die oft überraschenden
Lösungen. Das Gute für den Leser ist, daß dieses grundgelehrte
Werk doch lesbar ist. Der Leser hat auch Gelegenheit, seine Vorstellungen
von jenen angeblich „primitiven" Sprachen zu korrigieren
, deren Reichtum an Wörtern und Formen oft den unserer
Sprachen „um ein Vielfaches übertrifft" (11. Cf. dazu Joh. Warneck
: Das Wort läuft durch die Lande, o. J., S.9f.:.....37 Tempora
... und in vielen wieder hat jedes Tempus 20 verschiedene
Formen für die einzelnen Personen").

Die Wissensanhäufung wird erleichtert durch klare Aufgliederung
: Nach der Erwähnung der Ubersetzungen im grauen Altertum
und nach grundsätzlichen Erwägungen für die Ubersetzungsarbeit
folgen Erörterungen über den „Sprachzwang" (über die
Laute und ihre Bedeutung für die Wiedergabe biblischer Eigennamen
). Äußerst lehrreich sind die Ausführungen über die Grammatik
, wozu auch (wie im südindischen Tamil und in Neuguinea)
beim „wir" d'e Differenzierung von Exklusiv und Inklusiv (des
Angesprochenen) gehört - welche Form also wäre anzuwenden bei
dem „Herr, hilf uns, wir verderben" in Mt8,25 (35)?

Weiter wird erörtert die so wichtige Wortwahl in den Bereichen
der Natur, der Kultur, der Himmelsrichtungen, des sozialen Bereichs
, der geistigen Welt (Gewissen!) und vor allem im religiösen
Bereich: Gott, Ämter und Einrichtungen und Abstrakta (glauben,