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Ausgabe:

1978

Spalte:

808-810

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Otto, Eckart

Titel/Untertitel:

Fest und Freude 1978

Rezensent:

Schille, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 11

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ägyptisoher Parallelen zum biblischen Schöpfungsbericht bestand.
In dem Tübinger Ägyptologen Hellmut Brunner hatte er dabei
einen verständnisvollen Förderer und eine vielfach dankbar
zitierte Autorität.

Das Buch will eine Mafcerialsammlung sein. In übersichtlicher
Form wird in 24 Kapiteln am Text von Genesis 1 und 2 entlanggegangen
und zu Textpassagen und Begriffen das Vergleichsmaterial
in lesbarem flüssigen Text dargeboten, stellenweise unterstützt
durch Tabellen und Zeichnungen. Auf diese Weise ist fast
ein Handbuch ägyptischer Parallelen zu den Topoi des biblischen
Schöpfungsberichtes entstanden. Trotzdem bedauert man, daß
dem Buch kein Register beigegeben ist, das einen raschen Überblick
über die betreffenden ägyptischen Texte gestattet.

Zwar will das Buch keinen eigenen Beitrag zur Exegese liefern,
aber der Stil, in dem es geschrieben ist, hat zwangsläufig zur Folge,
daß vielfach massive Exegese getrieben wird; stellenweise werden
vom ägyptischen Material her dem biblischen Text Sachverhalte
gewollt oder ungewollt untergeschoben, die nicht durchweg haltbar
sind. Dabei berücksichtigt der Vf. eine selbstgewählte theoretische
Voraussetzung, die wohl aus dem Habitus eines Missionars
verständlich wird. Er fragt häufig, unter welchen Voraussetzungen
ein Ägypter den biblischen Text verstanden hätte. So kann er
etwa zu Anfang seines 13. Kapitels sagen (S.105): „Was im Vorwort
für die gesamte Studie gesagt wird, gilt insbesondere für die
Ausführungen dieses Kapitels: sie wollen nicht untersuchen, wie
ein Hebräer die Zusammenstellung der Gestirne, Pflanzen und
Tiere deutet, mit anderen Worten, wie ein Exeget diese Partien
auslegt, sondern wie ein ägyptischer Leser mitten in seinem
geistigen Lebensraum am Nil sie wohl auffassen würde."

Für den Missionar ist selbstverständlich die Einfühlung in
fremde Psyche eine Grundvoraussetzung für seinen Erfolg. Für
ihn ist es wichtig, wie die von ihm verwendete religiöse Sprach-
und Vorstellungswelt auf die anderen wirkt, was sie von ihren
eigenen Voraussetzungen her unter den Worten des Missionars
verstehen können oder müssen. Die Frage bleibt, ob eine so angesetzte
Blickrichtung Erkenntnisse für das wissenschaftliche Verständnis
verschiedener Religionen zu erbringen vermag. Man wird
das von vornherein nicht ausschließen dürfen. Aber im vorliegenden
Falle werden einige scheinbar gut begründete Einsichten des
Vfs. nur im Rahmen seiner besonderen Frageweise voll verständlich
.

So überrascht der Vf. S. 36-41 mit einer Parallelisierung der
Götterneunheit von Heliopolis und den acht Schöpfungswerken
aus Genl. An neunter Stelle stehe der Schöpfergott selbst, der in
der Bibel als unerschaffen anzusehen ist, in Ägypten aber als Re
oder Atum aus dem Urozean Nun emporsteige. Folgerung: „Der
eich selbst ,am Anfang' das Dasein gebende Schöpfergott Atum und
seine acht Werke machen die neunfache Schöpfung, die Neunheit,
aus." Und weiter: „Nach der Heiligen Schrift hingegen rückt an
Stelle ,des am Anfi»ng gewordenen Atum' der Satz ,Am Anfang
schuf Gott den Himmel und die Erde', was mit der nachfolgenden
achtfachen Schöpfung die biblische Neunheit der Schöpfungsaussagen
ergibt." Schließlich bricht das oben bezeichnete Prinzip
durch, wenn gesagt wird (S.40): „Der Grund, warum der biblische
Verfasser ebenfalls eine .Neunheit' gewählt hat, läge ägyptisch
gesehen in der großen Bedeutung der Neun begründet."

Das Beispiel zeigt die geistvolle Art, wie die durch Vergleich
gewonnenen Resultate miteinander verknüpft werden, dabei aber
der Charakter reiner „Materialsammlung" weit überschritten ist
und mit suggestiver Kraft bereits exegetische Folgerungen gezogen
werden. Eine auch anderwärts zu beobachtende Künstlichkeit der
Vergleichsführung ist an dem eben gezeigten formalen Beispiel
leichter zu erkennen als bei Behauptungen, die tiefer in die Substanz
der Aussagen selbst eindringen. Das ist im Zusammenhang
mit den Stellen zur „Gottebenbildlichkeit" der Fall.

Ausgehend von der zutreffenden Feststellung, daß der ägyptische
König als Abbild des Gottes oder einer bestimmten Gottheit
bezeichnet wird, ist Gen 1,26 voll und ganz auf dem Hintergrund
der Herrscherwürde des Königs interpretiert. „Jedermann ist,
weil Gottes Ebenbild, ein König, ohne jedoch wie der Pharao ein
leiblicher Sohn der Gottheit zu sein, wohl aber wie er ein Statthalter
Gottes" (S.133). Der Gedanke wird S. 137 noch weitergeführt
: „Gemäß der ägyptischen Königsideologie erweist sich der
Mensch als ein Ebenbild Gottes auch und gerade durch seine
Geburt (Abstammung) aus Gott: der ganze Mensch wird zum Bild
Gottes geprägt und wirkt göttlich, weil er mit Gott wesensverwandt
ist." Ob man in so ungebrochener Weise die Phraseologie
des ägyptischen Königtums als vorbildlich für die Formulierungen
von Gen 1,26-28 ansprechen darf, bleibt fraglich. So faszinierend
der Gedanke sein mag, Gott habe den Menschen als Herrscher
und Statthalter eingesetzt, so bleibt zu berücksichtigen, daß der
israelitische König niemals mit dem Prädikat eines „Abbildes der
Gottheit" versehen wurde. Wenn der biblische Verfasser dennoch
den Menschen als dem Bilde Gottes ähnlich bezeichnen konnte, so
gewiß nicht in der Absicht, alle Menschen zu Königen zu erheben
oder eine Wesensverwandtschaft des Menschen mit Gott festzustellen
, sondern um im Rahmen der Schöpfung die Stellung des
Menschen zwischen Gott und der Kreatur zu definieren. Der
Terminus „Bild Gottes" bot sich dazu an und wurde möglicherweise
sogar aus dem ägyptischen Bereich übernommen. Dabei war
aber sicher nicht der Gesichtspunkt maßgebend, ägyptische
Königsideologie mit allen Implikationen in das israelitische Bewußtsein
zu übertragen. Woher sollten die Israeliten das verstehen,
wenn ihr eigener König nicht als Gottes Abbild bezeichnet wurde?
Eine differenziertere Behandlung der Materie wäre hier auf alle
Fälle geboten gewesen, und man bedauert, daß gerade zu diesem
wichtigen Thema die abgewogenen Ausführungen von Eberh.
Otto, „Der Mensch als Geschöpf und Bild Gottes in Ägypten"
(Probleme Biblischer Theologie, Festschrift G. v. Rad, 1971,
335-348) keine Berücksichtigung gefunden haben. Ein Mangel der
Darstellung besteht auch darin, daß vielfach Belege aus verschiedenen
Epochen zitiert und interpretiert sind, ohne daß auf inner-
ägyptische Entwicklungen und Zeitverhältnisse Bezug genommen
ist.

Die wenigen Beispiele mögen Ertrag und Grenzen der vorgelegten
Materialsammlung zeigen. Der Benutzer wird zweifellos Gewinn
daraus ziehen, aber auch zwischen dem dargebotenen Material
selbst und der vom Vf. angeregten Interpretation vorsichtig
unterscheiden müssen. Da das Werk in eine Buchreihe Aufnahme
gefunden hat, die auch fijr weitere Kreise gedacht ist, haben die
Professoren Hellmut Brunner und Herbert Haag, letzterer als
Mitherausgeber der Reihe, Geleitworte vorangestellt, die die Verdienste
des Vfs. herausheben, seine Darlegungen jedoch nicht als
neue Interpretation von Genl verstanden wissen wollen. Daß
jedoch, wie H. Brunner schreibt, der Vf. seine „Materialvorlage
von Verarbeitung und Deutung freigehalten" habe, stimmt nicht
ganz. Er hat mindestens einigen Fehlinterpretationen Vorschub
geleistet.

Bochum Siegfried Herrmann

BIBELWISSENSCHAFT

Otto, Eckart, u. Tim Schramm: Fest und Freude. Stuttgart-
Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer [1977]. 168 S. kl. 8° = Kohlhammer
Taschenbücher. Biblische Konfrontationen, 1003. Kart.
DM 10,-.

Seit H. Obx' „Das Fest der Narren" liegt das Thema Gottesdienst
in der Luft. Der Kohlhammer-Verlag hat sich dankenswerterweise
entschlossen, Privatdozent E. Otto für den alttestament-
lichen und Professor T. Schramm für den neutestamentlichen Teil
um eine Bearbeitung der biblischen Grundlagen zu bitten. Nach
dem Rückentext geht es um die durch Freude und Fest erschlossenen
Bereiche menschlicher Wirklichkeit. Die Erwartung ist demgemäß
hochgespannt, zumal es schon länger keine knappe Zusammenfassung
mehr gab, was alles Gottesdienst biblisch war und
wollte und wie er sich entwickelt hat.

Man wird nicht enttäuscht, zumindest was den ersten Teil
angeht (S.9-76, dazu, wenn man etwa 7 Nummern allgemeiner
Art abzieht, 54 Nummern des Literaturverzeichnisses). Otto bespricht
jeweils die ältesten einschlägigen Texte. Die Passa-Bege-
hung will zunächst den Aufbruch zum Weidewechsel vor dem Zug