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1978

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Ideologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 10

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müht, eine spezifisch .politische' Theologie oder auch nur
eine besondere christliche Ethik zu begründen. Wenn
Hübner Mk 7, 15, „ein sicherlich vom historischen Jesus
gesprochenes Logion" (S. 93), ,existential' interpretiert,
so läuft diese Interpretation auf einen ausgesprochenen
.kerygmatischen' Satz hinaus: „Jesus sagt Gott in die
offene Situation hinein zu. . . Vertrauen soll Angst ablösen
, Vertrauen, das auch um Vergebung vergangener
Schuld weiß, um dadurch frei zu sein für ein neues Leben
der Liebe" (S. 103f.).

Hübners Interesse richtet sich im Zusammenhang mit
der Frago nach dem historischen Jesus einmal auf den
gelungenen Nachweis, daß man auch nicht-mythologische
Worte Jesu existential interpretieren kann; zum anderen
will er mit den meisten Schülern Bultmanns die Inkonsequenz
des Lehrers überwinden, der einerseits den originalen
Worten des historischen Jesus den kerygmatischen Charakter
absprach, andererseits aber die Überlieferung dieser
Worte der kerygmatischen Gemeinde zutraute. Er gerät
dabei selbst freilich in das Dilemma, die noutostamoritliche
Differenz von Verkündigung Jesu und Christuskerygma
bzw. die fundamentale Relevanz des Osterkerygmas ignorieren
zu müssen. Daß der Rezensent durch einen neuen
historischen Ansatz aus diesem theologischen Dilemma,
herausführen will, hat der Vf. (S. 00—72) offenbar nur
unzureichend orfaßt.

Seiner Kritik a11 Frau Solle, die Bultmann Individualisierung
' vorwirft, ist dagegen im Ergebnis voll zuzustimmen
. Es kann ja gar keine Frage sein, daß Bultmanu wie
Heidegger den Menschen nie als isoliertes, in der Welt
hockendes Wesen angesehen hat, sondern ihn durch sein
,lu der Welt sein', durch Geschichto und Gemeinschaft
bestimmt sein läßt. Dem Vf. ist zu danken, daß er nachdrücklich
auf diosen Sachvorhalt hinweist. Er hätte sich
dabei allerdings zum Beispiel , Glaube und Verstellen' III
S. 183f. als Beleg nicht entgehen lassen sollen.

Man kann das von Hübner kritisierto geläufige Mißverständnis
Bultmanns als ein bei Frau Solle freilich
beinahe notwendiges gut verstehen. Für sie ist der Mensch
das höchste Wesen für den Menschen; er vertritt Gottes
Stelle. Der Mensch wird darum stets auf sich zurück-
geworfen. Sünde gilt ihr deshalb als (gesellschaftliche) Unmoral
, Glaube als gesellschaftsbezogene Ethik, Gnade als
Annahme des Menschen durch di u Menschen. Frau Sölles
,Jenseits' ist das, was jenseits der bereits verwirklichten
Möglichkeiten menschenmöglich ist; die gesellschaftliche
Utopie gilt als Evangelium; Gott ist die Aufhebung der
Bettelei.

Es gibt keine zwei Reiche, keine ttechtfertijmng des
Gottlosen, kein den Menschen von außerhalb alles Menschlichen
allererst zur Menschlichkeit befreiendes Wort.
Frömmigkeit ist von vornherein und ursprünglich polit isohe
.Frömmigkeit', zu welcher der .natürliche' Mensch frei ist.
Daß von da aus Bultmanns reformatorischer Ansatz, der
die politische Ethik wie selbstverständlich in der Zwei-
tieicho -Lehre verankert, als Lndividualistisch-verinner-
lichend (miß)verstanden werden muß, ist verständlich.
Mit Gott verschwindet, wie Hühner richtig sieht, Dialektik
und Paradoxie uns dem christlichen Weltverhältnis. Alles
Humane gilt als christlich; das Christliohe wird auf das
Moralische reduziert. Das se h damil aber di r christliche
Glaube selbst auflöst, auch wenn Formeln des Christlichen
bewahrt werden, hätte noch deutlicher gesagt werden
können.

Berlin (West) Walter Scluulthals

Agouridos, Savas: Die Gemeinschaft der Glaubenden als Ort
lebendiger Tradition (US 32, 1977 S. 156-105).

(Joste, R.: Progres sciontifiuuo et tochnologiquo et foi en
.lesus-Christ (NKTh 98, 1977 8. 77—93).

Keil, Krnst: Christlicher Glaube ohne Religion J Zur Theologie
Dietrich BonhooffeiB (US 32, 1977 S. 214 -227).

Just, Wolf-Dieter: Definitionen in der Theologie (ZEli 21,
1977 S. 257—275).

Kullis, Anastasios: Volk Gottes und Lohrautorität (US 32,
1977 S. 139—151).

König, Otto: Was ist ein DogmaT Zur Diskussion zwischen
Edouard Le Roy und Maurice Blondol um eine „pragmatische
" Interpretation des kirchlichen Dogmas (ThPh 52,
1977 S. 498—524).

Fannonberg, Wolfhart: Aggression und die theologische Lohre
von der Siindo (ZEE 21, 1977 S. 161—173).

I'edersen, Sigfrcd: Die Kanonfrage als historisches und theologisches
Problem (StTh 31, 1977 S. 83—136).

Schaeffler, R.: Was ist Geschichte — Offenbarung und Geschichte
(Kl 8, 1976 S. 217—246).

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Düslerteld, Toter, u. Holmuth Kultes [Hrsg.]: Unsere lloffmiiig.

Prodigtmodelle zu einem Bekenntnis des Glaubons in dieser
Zeit. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag [1976]. 186 S. 8°.
Kart. DM 19.80.

„Im November 11(7.5 verabschiedete die Gemeinsame
Synode in Würzburg ihr theologisches GrundsatzdokumenI
,Unsere Hoffnung*. Während der Entstehungsgeschichte
und auch nach der Verabschiedung hat dieser Text ein
lebhaftes Echo, auch in nichtkatholischen und außerkirchlichen
Bereichen, ausgelöst. Die Originalität de s
Textes wurde im Hinblick auf seine theologische Qualität
und auch auf seine geistliche Dimension allgemein anerkannt
." (Vorwort S. 11).

Der Gedanke, die Wirksamkeit und den Weg einer
Synodenerklärung über das Forum, das ihn beschlossen
hat, hinaus zu verfolgen, verdiont Anerkennung. Der vorliegende
Band vereinigt einundfünfzig Predigten, denen
Abschnitte des Synodontoxtes zugrunde liegen. Der Beschluß
im Anhang enthält nach einem Vorwort vier sehr
unterschiedlich lange Abschnitte: I. Zeugnis der Hoffnung
in unserer Gesellschaft; II. Das eine Zeugnis und die
vielen Träger der Hoffnung; III. Wege in die Nachfolge;
IV. Sendungen für Gesamtkirche und Gesamtgosellschaft.
Der Abschnitt I ist so lang, weil darin eine Kerndogmatik
von Schöpfung bis zum Jüngsten Tag enthalten ist; von
der Gesellschaft weniger die Rede. — Die Umsetzung
dieses Dokuments der- Auseinandersetzung der Kirche mit
dem ,,laut losen Abfall" rundum in die Sprache der Verkündigung
ging so vor sich, daß die Prediger, meist
wissenschaftlich tätige Leute aus Systematik und Praktischer
Theologie, dazu einige Laien, den Synodentext als
ganzen reflektierten und meditierten und dann anhand von
Themenstellungen in Form von Lernzielen Predigten ausarbeiteten
. Dabei war jeweils ein Aspekt besonders herausgehoben
. Was bei diesem Versuch herausgekommen ist,
ist vielgestaltig und unterscheidet sich von dem, was die
Homiletik im evangelischen Bereich anstrebt, mitunter
erheblich. Der in der älteren kath. Predigt ohnehin spürbare
Zug, Glaubensgrundsätzo einzuprägen, wird durch
die vorliegende Aufgabenstellung noch verstärkt. So wirkt
der Beitrag von M. Dirks, ausgerechnet einer Publizistin,
eher wie eine Fachabhandlung über homiletische Fehlgriffe
, für Fachleute interessanter als für die eigentlich
gemeinten einfachen Predigthörer.

Die Rollo der herangezogenen Bibelstollen ist sehr
unterschiedlich und anders, als man traditionell und
konfessionell gewohnt ist. Das Problem ist, ob die Hl.
Schrift dazu da ist, Synodentoxto auszulegen, oder ob es
umgekehrt ist, wie man es bei Predigten erwarten darf.
Scharf gestellt wird m. E. diese Frage bei dem Beitrag
von K. Schäfer (ev.), wenn er mit dem Synodensatz „Das
Reich Gottes ist nicht indifferent gegenüber den Welt-
handelspreisen" mit erklärter Absicht wirtschaftspolitische
Agitation treibt, gowiU nicht ohne einige biblische Rück-