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Ausgabe:

1978

Spalte:

771-772

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Blank, Josef

Titel/Untertitel:

Verändert Interpretation den Glauben? 1978

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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Seite 1

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771

Theologische Ltteraturzeitung 103. Jahrgang 1!)78 Nr. 10

772

Sohults, Hans-Jürgen: Kein hold Schneiders „Gedanken des
lüiodens" (Wort und Antwort 18, 1977 B. 83—9Ü).

Wirth, Güntor: Über Thomas Mann und Paul Tillich (CoiinnViut
19, 1970 S. 29—34).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

llliink, Josef: Verändert Interpretation den (duulirn? Freiburg-
liasel-Wion: Herder [1972]. 104 B. 8°. Kurt. DM 18.—.

Sieben schon in Zeitschriften oder Sammelbanden
veröffentlichte Aufsätze zur Hermeneutik werden vom
Vf. hier zusammengestellt. Im Vorwort begründet er seine
Absicht: „Das geschichtliche Denken und das theologische
Problem der Geschichte überhaupt sind so einschneidende
Momente, daß sie das ganze Gebäude der Theologie in
Bewegung bringen. . . Es ist meine gerado im Umgang mit
der Bibel gewonnene Überzeugung, daß geschichtliches
Denken, das nicht nur vergangene Geschichte reflektiert,
sondern die eigone geschichtliche Existenz als Uowegung,
als Unterwegs akzeptiert, mit allen seinen Implikationen
theologisch nicht nur legitim, sondern in höchstem Sinne
sachgemäß, .offenbarungsgomäß' ist. Biblischo Grundfigur
solchen Denkens ist die Abrahamsgestalt im Sinne von
Genesis 12—25; Römer 4 und Hebräer 11" (S. 5f.).

I. Geschichte und Heilstjeschichte (9—28): Seil dem Aufkommen
des neuzeitlichen geschichtlichen Denkens gill :
„Die Geschichte wird nicht mehr von der Bibel her verstanden
, sondern umgekehrt, die Bibel soll von der Geschichte
her vorstanden werden und sich in ihrer Sonderstellung
der Geschichte gegenüber ausweisen" (10). Das
„Besondere" der Bibel möchte Blank in einem durch
kritische Differenzierung gewonnenen Begriff der „Heils-
goschiohte" sehen: „Heilsgeschichte ist ... primär der in
der Schrift Alten und Neuen Testaments bezeugte Geschichtszusammenhang
der Offenbarung Gottes in Israel
und in Jesus Christus. . . Von Heilsgeschichte ist deshalb
zu sprochon, weil diese Geschichte den Heilswillen Gottes
für den Menschen und seine Verwirklichung in Christus
bezeugt" (14). Durch Stellvertretung und Repräsentation,
Konzentration und Expansion deutet sie die Weltgeschichte
„auf Christus hin", ohne doch das Ganze der Geschichte in
ein System pressen zu wollen oder zu können. Gott selbst
ist vielmehr geschichtlich zu denken: In der biblischen
Offenbarung wird die menschliche Geschichte unter dem
doppelten Zeichen von Gericht und Gnade in letzter,
eschatologischer Weise ernstgenommen. Gegen einen
Heilstatsachen-Fojjitivismua ist festzuhalten: ,,Dio Heilsereignisse
. . . erweisen sich als solche gerado dadurch, daß
sie eine im Wort sich gestaltende Wirkungs- und Aus-
legungsgeschichto in Gang bringen ; sie worden immer neu
interpretiert und aktualisiert" (28).

II. Was bleibt vom Worte Gottes ? (29 — 49): Im Emstnehmen
der historisch-kritischen Methodo erscheinen alle
biblischen Zeugnisse als geschichtlich bedingtes Menschenwort
. Dies ist nicht zurückzunehmen, weil gerade „im
Sinne der Bibel dos Immanentwerden, das geschichtliche
und menschliche Werden des Gotteswortes die entscheidende
Bewegung des Wortes Gottes ausmacht" (48).

III. Verändert Interpretation den Glauben 1 (50—79):
An der paulinischen Interpretation des Alten Testaments
in Rom 10, 3—10, an der Dogmengeschichto und am
Häresieproblem logt Blank dar, daß Interpretation
„keine Verlegenheit, sondern Mut zu einem Glaubenszeugnis
, in dem man sich selber engagiert", ist (79). Sie ist
legitim, ja sie ist Auftrag des Glaubens, „wo es um die
Identifizierbarkoit der christlichen Überlieferung im ganzen
mit der menschlichen und gesellschaftlichen Realität
von heute geht" (62). „Veränderung ist jedem Überlieferungsgesehehen
immanent ..." (03); Kontinuität und
Diskontinuität sind als dialektische Momente im Über-

lieferungsvorgang zu begreifen, der von Christen nicht
zur Selbstabschirmung, sondern zur Bezeugung der Liebe
Gottes für andere übernommen wird.

IV. Das politische Element in der historisch-kritischen
Methode (80— 101): „Die Annahme, Papst und Bischöfe als
Amtsträger würden ohne weiteres den jeweils fortgeschrittensten
Stund theologischen und kirchlichen Bewußtseins
repräsentieren, läßt sich kaum mehr halten. . . Inwiefern
ist die historisch-kritischo Methode, insbesondere der
Schriftoxegese, politisch? Wo ist der Ort, an dein die
Kritik Bewußtsein und Wirklichkeit zu verändern beginnt
?" (81) Die Bibol selbst ist ein höchst kritisches
Buch. Die reformatorischo Theologie hat dies immer
betont (F. C. Baur, G. Ebeling, E. Käsemann werden dargestellt
). In dieser biblischen Rückbiudung gilt: „Historische
Kritik zwingt das kirchliche Bewußtsein dazu, das
Verhältnis zu Jesus Christus immer neu zu überprüfen"
(98). Kritik ist heilsame Notwendigkeit.

V. Die Praxis ist das Kriterium (102—112): Gegen die
kirchliche Vergesetzlichung der christlichen Ethik und
gegen die Verabsolutierung eines orthodoxen Dogmen-
glaubons wird Mt 7,21 — 23 ausgelegt: „Der Wille des
himmlischen Vaters (ist) nichts anderes als die radikale
Liobo, deren absoluter Maßstab das göttliche Verhalten
selber ist. ." (103).

VI. Geht es mit der Bibel weiter ? (113—137): Von der
zunehmend ökumenischen Orientierung der exegetischen
und hermeneutisohen Theologie aus kommt Blank zu
einer außerordentlich kirchenklitischen Prognose: Der
universale Heilsaspekt des Evangeliums hat Vorrang vor
allen introvertierten Kirchenproblemen. Kirchliche Macht-
ausübung hat ehrlichem Dienst zu weichen. Theologie muß
wieder produktives Sprachgeschehen worden. Die kritische
Punktion des neutestamentlichon Christuszeugnisses ist
auf die gesamte Traditions-, Interpretations- und Kirchen-
geschiehte anzuwenden. „Dem aufmerksamen Beobachter
kann nicht entgehen, daß die regressiven und reaktionären
Tendenzen im Wachsen begriffen sind. . . Diese altbekannten
Machtmittel haben allerdings am Neuen
Testament und an der Person Jesu nicht den geringsten
Anhalt. . . Interessant ist und bleibt das Christentum nur
durch Jesus und sein Evangelium, durch die Hoffnungen,
die sieh daran entzünden..." (137).

VII. Die biblischen Wunderberichte als Kerygma und cd»
GldubenageaohicJUen (138—159): Nach hermeneutisohen
Erwägungen folgen einige Interpretationen; sie laufen auf
„Kriterien zur Beurteilung von Wundern" (158) zu. Als
homiletische Aufgabe wird abschließend beschrieben,
„nach dein Ort des Glaubons heute zu fragen, nach dem
Ort, wo es da rauf ankommt, mit der rot t enden Nähe Gottes
heute zu rechnen" (159).

Dieser interessante, nicht nur für Pachtheologen gut
lesbare Aufsatzband kann als das katholische Pendant zu
Ernst Käsemanns „Ruf der Freiheit" verstanden werden,
auf den sich Josef Blank auch ausdrücklich beruft (93ff.).
Möge sein Engagement wirksamer werden als die „regressiven
und reaktionären Tendenzen".

Wittenberg Munsjilrgen Schulz

Hühner, Hans: Politische Theologie und existentielle Interpretation
. Zur Auseinandersetzung üorothee Sollos mit
Rudolf Bultmann. Witten: Luther-Verlag 1973. 120 S. 8°
= Glaube und Lehre, 9.

Der vorliegende theologische Versuch hat „zwei antithetische
Spitzen, nämlich gegen das Mißverständnis von
Bultmanns existentialer Interpretation durch Vertreter
der politischen Theologie und gegen Bultmanns Abwertung
des historischen Jesus" (S. 7).

Beide Spitzen stehen nur in relativ lockerer Verbindung
miteinander, da der Vf. den historischen Jesus nicht be-