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Ausgabe:

1978

Spalte:

759-761

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Um den geraden Kurs 1978

Rezensent:

Meier, Kurt

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Theologische Literaturzcitung 103. Jahrgang 1078 Nr. 10

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tmtläuschto dfton freilich die Erwartungen, <li<- BeM auf
iliu als neuen David setzte.

Epilog: Die zeitgeschichtliche Deutung der Psalmen
brachte die Protestanten näher an Lyra als an Augustiii
und Lofevre. Dabei kam es zu dem unglücklichen Ergebnis,
die Differenzen zwischen Christen zu betonen und offenen
Kampf zu rechtfertigen. Demgegenüber soll eine weitere
Studie zeigen, wie im 10. Jh. David und dio Psalmen zur
Förderung von religiöser Versöhnung und Wicdervereini-
L'iing benutzt werden, besonders in den neuplatonisch-
hermotischon Bewegungen in Italien und Frankreich und
in der Psalmenmusik, dio erregte Gemüter besänftigt.

Vf. informiert gut über die Ansichten der ausgewählten
Psalmoiikommontatoron. Es worden Beispiele geboten, die
für den Botreffondon charakteristisch sind. Auch werden
dos öfteren an demselben Psalm die Doutungsunterschiedo
exemplifiziert. Interessant ist dio Beobachtung, daß Lyra,
stark auf Haselli sich stützend, Psalmen zeitgeschichtlich
gedeutet bat (auf Petrus, Beckot, Hilarion, Franz v.
Assisi), S. 37. Ebenso hat es der Helmstodter Orientalist
Herrn, v. d. Hardt (1600—1740) mit alttestamentlichen
Gestalten gemacht. Auch er war stark von Rasohi beeinflußt
, und vielleicht beruht das Ergebnis nicht nur auf
Parallelität zu Lyra, sondern auf Abhängigkeit von ihm.
Vf. gibt selber zu (S. 8 Anin. 14), daß der Titel des Buches
etwas irreführend ist. Von Davids Zug nach Jerusalem
ist um /lim Schluß die Hede im Gegenbeispiel zum Einzug
Heinrichs v. Navarrain Paris. Allenfalls fühlt man sich l«i
Lyras Deutung von David als viator an den bekannten
Buchtitel „Pilgrims pro gross" erinnert. Mit Recht wird
hervorgehoben, daU bei den Protestanten die schon gewonnene
und eingenommene politische Haltung die Grundlage
für die Psalmendeutung bildet (und nicht umgekehrt
die politische Einstellung aus der Psalmendeutung erwuchs
). Eigenartig ist, wie Augustin bei Erklärung hebräischer
Namen das Konstruktusverhältnis umkehrt (S. 13:
Absalom = pax patris; Achithophol = „Verderb seines
Bruders"; S. 20: Abimelech = Königtum meines Vaters).
Mit kath. Fachgelehrten hält Vf. die Bedeutung des lo-
Dawid für unsicher und schreibt nur sechs Psalmen
Dav id zu (S. 7). Heim Überblick über Davids Loben wird
irrtümlich (S. 2) gesagt, David habe Absalom getötet,
vgl. dagegen 2Sain 18,5.12.14; 19,1 — 5. Zu einseitig wird
Beza zum Exponenten dos Protestantismus gemacht.
Wenn Luther nur ganz kurz gestreift wird, so wohl nicht
nur deshalb, weil er seilen ausgiebig bearbeitet wurde
(S. :>). sondern weil bei ihm nicht viel zu linden sein wird,
wiis zu Bezas Schau hinführt. Ks wäre wohl reizvoll gewesen
, <lie zum Kreuzzug aufrufenden Franziskaner und die
zum bewaffne toi »Kampfantretenden Hugenotten einander
gegenüber zu stellen.

Trebitz/Elbe II uns Möller

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Nicuiiüllor, Wilhelm [Hrsg.]: Ulli (Ion geraden Kurs. IJi<- Konferenz
der zerstörten Kirchen in 15ad Oeynhausen. Text —
Dokumente — Berichte. Bielefeld: Beohauf [1077]. 113 S.
gr. 8°.

D. Wilhelm Niemöller, der am 7. April 1078 seinen 80.
Geburtstag feiern konnte, seit 1930 Pfarrer in Bielefeld,
nach 1945 durch zahlreiche Kirchenkampfpublikationen
hervorgetreten, verdient auch durch das von ihm geschaffene
„Bielefelder Archiv" zur Geschichte des Kirchenkampfes
(vorwiegend BK-Material), dessen Sammlungen
sich jetzt weitgehend als Bestand 5, 1 im Archiv der Evang.
Kirche von Westfalen in Bielefeld befinden, setzt mit der
Herausgabe der Protokolle und Berichte zur „Konferenz
der zerstörten Kirchen", die am 22. und 23. Mai 1935 in

und bei Bud Oeynhausen (Gemeinden Gohfeld und lierg-
kirchen) stattfand, seine Editionen fort. Bei der Konferenz
handelt os sich zwar nicht um eine Bekonntnissynode, sondern
um das Zusammentreffen von Bruderratsmitgliedern
der altprouüiseben Union und ihrer Kircheriprovinzen wie
auch anderer „zerstörter" Kirchen (Pfalz, Braunschweig,
Bremen, Kurhessen-Waldeck, Hamburg, Lübeck, Mecklenburg
, Nassau-Hessen, Oldenburg, Freistaat Sachsen, Thüringen
, Baden und Schleswig-Holstein, die — wie die APU —
wegen ihrer deutsohohristlich orientierten Kirchenleitungen
im Unterschied zu den „intakten" bekenntniskirchlich
orientierten Landeskirchen Hannover, Bayern und Würt-
tomberg als „zerstört" galten. Auch Gäste waren anwesend,
unter ihnen auch Vertreter aus den „intakten" Kirchen.

Da die von Landesbischof Moiser gowünschten Voraussetzungen
für eine in seiner bayerischen Landeskirche
abzuhaltende Reichsbekenntnissynodo nicht kurzfristig
realisierbar waren und andererseits dio Reichstagseröffnung
am 21. Mai 1035 ein „autoritäres Wort" Hitlers zur
Kirchenfrago erwarten ließ, auf das man so kurzfristig nicht
replizieren zu können meinte, wenn dio Synode am gleichen
Tage bogänno, konnte dio 3. Bekenntnissynodo der DEk
orst vom 4. bis 0. Juni 1035 in Augsburg tagen. Präses
Karl Koch hat sich aber auf vielfachen Wunsch dazu
verstanden, zum ursprünglichen Synodaltermin dio „Konferenz
der zerstörton Kirchen" einzuberufen, nus der die
von P. Heinz Kloppenburg geleitete „Arbeitsgemeinschaft
der Kirchen mit noch nicht staatlich anerkanntem Kir-
ehenregiment" hervorging, dio ihro Fortsetzung später in
der „Konferenz der Landesbruderräte" (— Kodlah) fand.
Die Konferenz der zerstörten Kirchen am 22. und 23. Mai
1035 gewährt oinon guten Einblick in die spaniiuugsroiche
Situation des Frühjahrs 1035: Bestrebungen des NS-
Staates, ein „Kirchendirektorium" zu bilden (S. 10), Inhaftierung
von nassau-hessischon und sächsischen Geistlichen
im KZ Dachau und Sachsonburg wegen als staatsabträglich
geworteten Kanzelabkündigungeii im Zusammenhang
mit der deutschgläubigen Bewegung, Probleme
der Ausweisung von Pfarrern durch dio Gestapo usw., auch
Schwierigkeiten beim Versuch konsequenter Durchset-
zung der Dahlemcr Notrechtsbescblüsse in einzelnen
Laudeskirchen (hoho kirchenamtliche Geldstrafen in
Sachsen) verunsicherten dio Bekenntniskräfto und ließen
die brüderliohe Beratung und bekenntnissynodale Weg-
weisung unaufschiebbar erscheinen.

Die Protokolle der zweitägigen Beratungen dieser
Konferenz im Vorfeld der Ausgburger Bekenntnissynode
wie auch vorgängigo Besprechungen und nachfolgende
Ueratungsorgebnisse zeigen die dringlichen Anliegen dieser
unter kirchenbehördlichem Druck stehenden Bruderräte
und der ihnen zugeordneten Gemeinden in den einzelnen
Landeskirchen. Sie wiesen aber sehr charakteristisch auch
auf dio verschiedenen Daseinsbedingungeii der intakten
und zerstörten Kirchen hin, durch die diese Kirchengebiete
vor unterschiedlichen Aufgaben standen (S. 21
u. ö.). Die Neigung, die Sonderanliegen der zerstörten
Kirchen in einem besonderen Zusammenschluß zu betreiben
, wurde allerdings unter den Teilnehmern selbst ambivalent
beurteilt. Pfr. Fritz Müller (Dahlem), der nachmalige
Vorsitzende der 2. bekenntniskirchlichen Vorläufigen
Leitung, meinte zwar wie auch andere, ein solcher
Bund in formaler Analogie zum Lutherischen Hat und zur
Freien Reformierton Synode, aber ohne konfessionelle
Aufgabenstellung, bedeute keine Sprengung des bekennt-
uiskirchlichen Gosamtbereichs, bilde vielmehr einen Eini-
guugsfaktor angesichts des höchst spannungsvollen Miteinander
» der Bekenntniskräfte seit der Bildung der 1. Vorläufigen
Kirchenleitung (20. November 1034) unter Bischof
Marahrens, die auch vom Hrsg. nur kritisch gesehen wird.

Domgegenüber sah ein namentlich nicht ermittelter
Teilnehmer der Konferenz in dieser Versammlung der
Vertreter der zerstörten Kirchengebiete die Gefahr der
Zerstörung der Bekennenden Kirche gegeben, wenn inun