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Ausgabe:

1978

Spalte:

53-54

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Shofner, Robert D.

Titel/Untertitel:

Anselm revisited 1978

Rezensent:

Pranger, Marinus B.

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

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Buches. Was die Logik des Sprechens von der Auferstehung
anbetrifft, so avanciert jedenfalls sein Zeugnisbegriff zur
Normativität. Denn er hält fest: daß der Ursprung sagbar wird,
geschichtliche Gestalt annimmt, liegt am Ursprung selbst. Daß
dagegen die Ursprünglichkeit des Ursprungs bei Bultmann,
Ebeling und Pannenberg reduzierend beschrieben wird, ist
dem Vf. eine ausgemachte Sache: „Nur wenn Gott bedeutsam
für die ,Existenz' wird, tritt er für Bultmann in die Geschichte
ein, die ihrerseits auch auf Existenz bezogen ist. Nur wenn
Gott in den Horizont der Sprachlichkeit eingeht, kommt er für
Ebeling in der menschlichen Kommunikationsgemeinschaft vor,
wird er mitteilbar und für die Existenz kommunizierbar; nur
wenn sich die Geschichte als der ursprüngliche Raum der
Offenbarung Gottes erweist, wird Gott für Pannenberg in
unserer Wirklichkeit mächtig. Die Gestalt der Erscheinung
Gottes wird jeweils auf solche Weise mit dem Gottesbegriff
identifiziert, dafj die Gestalt selbst gleicherma5en Bedingung
Gottes wird, indem sie sich ihres Ursprungs, das ist Gottes,
bemächtigt, ihn entgründend sich selbst als Grund setzt, so
dafj das Ursprungsgeschehen bzw. Offenbarungsgeschehen von
ihrer Gestalt her definiert wird" (260). Die Überwindung
dieser Reduktion hält der Vf. für möglich, wenn man Ursprung
und Gestalt im Zeugnisgeschehen vermittelt sein läßt. „Zeugnis
ist Fundamentalbezüglichkeit. Zeugnis gründet in Bezüglichkeit
und ist Ausdruck dieser Bezüglichkeil" (260). Und zwar
geht es um eine Bezüglichkeit als „Konstitutions-Geschehen"
zwischen Gott und Mensch. Die Bezüglichkeit Gottes auf den
Menschen hin wird im Sohn Wirklichkeit. Andererseits definiert
sich die menschliche Gegebenheit und Ursprünglichkeit
aus ihrem Transzensus auf Gott hin; „denn wenn Gott ,ist'
und sich als Ursprung bezeugt hat, dann ist die ganze Wirklichkeit
der Welt und des Menschen nur noch aus dieser
ursprünglichen Bezüglichkeit auf Gott hin zu begreifen.
Existenz, Wort und Geschichte sind Signum der aus dem ersten
Ursprung freigesetzten Ursprünglichkeit" (261).

Das alles sind zweifellos sehr erwägenswerte Überlegungen,
soweit das Bedenken der Struktur von Zeugnis phänomenologisch
jene „Grundverhältnisse" reflektiert und sie untereinander
ins rechte Verhältnis setzt (261). Es fragt sich aber,
ob die Sprechweisen von Auferstehung bei Bultmann, Ebeling
und Pannenberg mit Recht als defizient bezeichnet werden,
solange der Vf. sie mit der eigenen Sprechweise nicht inhaltlich
konfrontiert, worauf die Arbeit jedoch bewu5t weniger
abzielt (261). Diese Fraglichkeit wird um so größer, als man ja
nicht übersehen kann (wovon der Vf. freilich nicht spricht),
dafj Lukas in theologisch sehr problematischer Weise von der
Auferstehung als von der Korrektur des Kreuzes spricht. Das
Eingehen auf diese Inhalte würde möglicherweise den luka-
nischen Zeugnisbegriff hinsichtlich seiner hier behaupteten
Normativität empfindlich tangieren — und damit auch das
Ergebnis des vorliegenden Buches überhaupt. Das ändert aber
nichts daran, daß der religionsphilosophische Ansatz der
vorliegenden Untersuchung für die Weiterführung der Diskussion
fruchtbar ist.

Witten Erich Gräßer

Shofner, Robert D.: Anselm Revisited. A Study of the Role of
the Ontological Argument in the Writings of Karl Barth and
Charles Hartshorne. Leiden: Brill 1974. X, 243 S. gr. 8°. Lw.
hfl. 64,-. ;,

Ziel dieses Buches ist es, den „Dimensionen von zwei unabhängigen
Versuchen — nämlich von Karl Barth und Charles
Hartshorne — nachzuspüren, die Bürde des Kantischen Erbes
beiseite zu setzen, insofern dies die Entwicklung des zeitgenössischen
philosophisch-theologischen Denkens beeinflußt
hat".

Ausgangspunkt dabei ist nicht so sehr „ein historischkritisches
Interesse an den Schriften dieses Heiligen vom elften
Jahrhundert", sondern eher die Tatsache, daß sowohl Barth als
auch Hartshorne, jeweils im eigenen Gebiet, im Proslogion
einen Ansatz zu einer neuen Sicht gefunden haben. Anlaß dieses
Unternehmens ist die Tatsache, daß beide Denker, die sich
auf genau das gleiche Proslogion berufen, zu völlig verschiedenen
Ergebnissen gekommen sind. Dabei ist es die Überzeugung
des Vfs., daß man über den Barthianismus hinausgehen und
'sich an Hartshornes Philosophie orientieren muß, wenn man
sich in unserer Zeit verantwortungsvoll mit der dogmatischen
Tradition der Kirche beschäftigen will.

Dieses a priori postulierte Ergebnis bedeutet nicht, daß
Barths Theologie leichtfertig abgetan wird. In vier reich dokumentierten
Kapiteln bietet der Vf. einen Umriß des Entwicklungsganges
des Barthschen Denkens. Das erste Kapitel behandelt
die Kopernikanische Revolution in der theologischen
Methodik, d. h. Barths Ablehnung von jeder Form der natürlichen
Theologie. Diese Abkehr von der natürlichen Theologie
und die Betonung der göttlichen Offenbarung erhalten, wie der
Vf. im zweiten Kapitel deutlich macht, erst in Barths Anselmbuch
(Fides quacrens intellectum) eine konkrete methodologische
Form.

Shofner weist nochmals darauf hin, daß sein Ziel nicht darin
besteht, „die historische Genauigkeit des Barthschen Ver-
stehens Anselms einzuschätzen, sondern die systematischen
Implikationen eines solchen Verstehens herauszuarbeiten und
zu verdeutlichen" (S.39).

Im dritten Kapitel bespricht der Autor ausführlich, wie der
sogenannte ontologische Gottesbeweis von Barth als Bestandteil
eines theologischen (nicht philosophischen) Programms
verstanden worden ist. Diese streng theologische Methode läßt
aber nach Meinung des Vfs. zwei Kardinalprobleme ungelöst:
die Frage der natürlichen Theologie und des Verhältnisses von
Philosophie und Theologie. Mittels einer Analyse dieser zwei
Probleme kommt Shofner zu einer Kritik an Barth: seine
monistische Interpretation der Bibel und sein metaphysischer
Monismus bleiben zu abhängig von dem Kantschen Erbe, die
sie gerade kritisieren sollen: deutlich sei die Notwendigkeit
einer philosophischen Theologie, die nicht mehr von den
Kantschen Kategorien abhängt. Die Zeit, Hartshorne zu erwähnen
, sei gekommen. Demcntspi-echend besteht das letzte
Kapitel aus einem Überblick über Hartshornes Metaphysik,
welche, eher verwurzelt in der Origenistischen Tradition, die
Probleme von Hume und Kant vermeidet. Die Philosophie
Hartshornes betrachtet die Wirklichkeit als einen panpsychischen
Prozeß, worin Gott, nach dem Gesetz der Polarität,
alle Aspekte (wie absolut/relativ, abstrakt/konkret) umfaßt und
deshalb in seiner Erkennbarkeit von Barths absoluter Offenbarung
nicht abhängt.

Obwohl der Vf. öfters betont, daß er keine historische Interpretation
Anselms beabsichtigt, statt dessen die systematischen
Implikationen dessen Denkens in den Schriften Barths und
Hartshornes sucht, bleiben einige Fragen hier ohne Antwort.
Soviel ist klar, daß Anselm nicht der eigentliche Gegenstand
dieser Arbeit ist, und die Tatsache, daß sein Name im Titel
erscheint, findet im Buch selbst keine Rechtfertigung. Natürlich
genießt der Vf. das Recht, einer solchen Methode zu folgen,
aber die Basis einer vergleichenden Untersuchung zwischen
Barth und Hartshorne wird damit erheblich eingeengt. Es
bleibt nicht viel mehr übrig als eine formelle Ähnlichkeit,
nämlich, daß beide Denker sich mit der gleichen Formel: id
quo maius nihil cogitari potest, beschäftigt haben. Also findet
ein echter Vergleich überhaupt nicht statt.

Wahr ist, daß Barth ausführlich diskutiert wird, aber der
Lösung Hartshornes wird sehr schnell der Vorrang gegeben.
Diese Methode spiegelt sich in den merkwürdigen Epitheta
wider, die der Autor Anselm, Barth und Hartshorne leiht:
Anselm wird öfters ,dcr Heilige vom elften Jahrhundert' genannt
, Barth ,der schweizerische' oder .Baseler Professor' und
Hartshorne ,unser Philosoph'.

Wäre diese Arbeit nicht fruchtbarer gewesen, fragt man sich,
wenn der Autor dem Mann, der in so vielen Interpretationen
des ontologischen Arguments so wenig berücksichtigt wird,
größere Aufmerksamkeit gewidmet hätte, nämlich Anselm
selbst?

Amsterdam Burcht Pranger