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Ausgabe:

1978

Spalte:

738-740

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Ôppenhaimer, Aharon

Titel/Untertitel:

The 'Am Ha-Aretz 1978

Rezensent:

Baumbach, Günther

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 10

738

delt werden, enthält Teil VIII (S. 265—299) informative
Kapitel über Josef b. Jehuda b. Simon (den Maimonides-
Schülor), Josef b. Jehuda ibn Aqnin und Sa'd ibn Mansur
ihn Kammuua, die im Orient die philosophierende Theologie
abschließen, und über die spannende Entwicklung
der religiösen Diskussion in der Provence. Hier erfahren
vor allem die Tibboniden eine ausführliche Würdigung.
Im Gegensatz zu J. Baer findet C. Sirat keinen wesentlichen
Zusammenhang zwischen diesen Auseinandersetzungen
und den Konversionen zum Christentum.

Im weiteren erfolgt die Stoffeinteilung etwas stark
schematisch. Teil IX (S. 300—336) wird die Philosophie
dos 13. Jhs. vorgestellt, was aber das vorangegangene
ergänzt, denn hier erscheinen Schemtob b. Josef Falaquera,
Qerschom b. Salomo v. Arles, der Averroist Isaak Albalag,
Jeda'ja ha-Penini und (mit Recht einmal stärker betont)
Josef b. Abba Mari ibn Kaspi. Manches wird hier unmittelbar
aus Handschriftenkenntnis geboten. Die Philosophie
des 14. Jhs. (Teil X, S. 337—376) stand schon
stark untßr dem Zeichen der Auseinandersetzung mit der
christlichen Theologie und wurde weithin durch die Frage
nacli Determinismus (Abner von Burgos!) oder Willons-
Ereiheit bestimmt, also erneut auch durch das Thema der
Astrologie. Nissim von Marseille, Mose Narboni, der
Polemiker Isaak b. Josef Polegar und insbesondere Levi
Ii. Oerson (S. 360—376) werden hier ausführlich behandelt,
eini' ganze Reiho von Autoren S. 375f. noch erwähnt.

Überraschend folgt Teil XI (S. 377—393) eine regionale
Behandlung Italiens, einsetzend mit dem frühen
Sabbetaj Donnolo und dann zu den maimonidisch orientierten
Übersetzern, Avorroes-Kommentatoren und Wissenschaftlern
des 13./14. Jhs. übergehend: Jakob Anatoli
und Zerachja b. Schealtiel vor allem, Hillel von Verona
erfährt eine Reduzierung seines traditionellen Gewichts
(S. 387f.), dafür Jehuda b. Mose Romano eine erhebliche
Aufwertung (mit Angaben aus Handschriften), auch im
Blick auf seine Beziehung zur Scholastik. Zuletzt wird
Immanuel von Rom gestreift.

Auch Teil XII (Chasdaj Crescas und sein Kreis, S.
394 — 426) fügt sich nur in Grenzen in den Gesamtaufriß.
Zunächst werden einige Positionen zwischen Philosophie
und Kabbalah beschrieben: Abraham Abulafia, Isaak ibn
Latif und Josef ibn Waqär. Darnach der Konflikt zwischen
„Wissenschaft" und Tradition angesichts der verstärkten
christlichen Bedrohung bei Isaak Efodi, Abraham b.
Jehuda von Kandia, und schließlich (S. 403 — 426) Chasdaj
Crescas selbst. Beine Kritik der aristotelischen Physik und
seine eigentümliche Übereinstimmung in der Frage des
Determinismus mit Abner v. Burgos, das Verhältnis zur
Pariser „neuen Physik" und damit die Rolle des Crescas
als eines Vorläufers modernen Denkens (Annahme des
unendlichen Raumes infolge der U11teraoheidung zw iselien
Körper und Raum) werden wie üblich herausgestellt. Bemerkenswert
ist der Hinweis auf Konzessionen nicht bloß
gegenüber der Tradition sondern auch dem Volksglauben.

Im letzten Teil (XIII, S. 427 — 466) werden der Reihe
nach Donker des 15. Jhs. behandelt, die vor allem unter
der Spannung zwischen einem (philosophisch bedington)
Trend zum Universalismus und einer bewußten (durch die
Kontroverse mit dem Christentum bedingten) Abgren-
/.iiugsbemühung stehen. Simon b. Zämach Duran und
Josef Albo mit ihrer Neufassung der „Iqqarim" (maimoni-
dischen Glaubensgruridsätzo), der sozialkritische Philo-
sophiegogner Schemtob ibn Schemtob und seine philosophierenden
Söhne Josef und Isaak, der rationalistisch
orientierte Abraham Bibago, Abraham Schalom (ein
später Maimonidesverteidiger), der mit der Scholustik
vertraute Übersetzor Elia Habillo, Isaak Arama und die
provencalischen Kuzari-Kommentatoren werden hier vorgestellt
. Im Anschluß daran Isaak Abrabanel (S. 456—462)
als „letzter mittelalterlicher jüdischer Philosoph und
erster jüdischer Humanist und Rennissanee-Autor" (was
man im Blick auf Italien vielleicht doch anzweifeln

könnte) und die an der Grenze der Neuzeit und damit
noch stärker humanistisch geprägten Autoren Jehuda
Messer Leon, dessen Sohn David und Elia Delmedigo.
Zuletzt der Platoniker Jehuda Abrabanel, dessen „Dia-
loghi d'amore" allerdings nicht mehr als „jüdische Philosophie
" im einleitend erwähnten Sinne zählen und die
neue Kluft zwischen Philosophie und Religion anzeigen.

Das Nachwort (S. 467—513) enthält einen knappen
Rückblick und S. 466ff. einen Ausblick auf das 16./17.
Jh. Eine instruktive Zeittafel (S. 477—482), einige englisch
geschriebene Anmerkungen zum Teil II (S. 485—86), eine
Bibliographie (S. 487—502) und ein Sach- und Namensregister
schließen den stattlichen Band ab.

Wie schon im einzelnen bemerkt, wirkt die Gesamtkonzeption
der Stoffeinteilung nicht überzeugend. Man
hat den Eindruck, daß es sich vor allem um die Zusammenstellung
von einzelnen, aus der Vorlesungstätigkeit entstandenen
Komplexen als um ein Werk aus einem Guß
handelt, und dieser Eindruck wird durch die unterschiedliche
Intensität des wissenschaftlichen Charakters bestärkt:
Recht populär gehaltene Partien stehen hier neben ausgesprochenen
Forschungsmitteilungen (aus eigener Hand-
schriftenkenntnis). Auch ist eine gewisse Kopflastigkeit
in der Verwertung vorliegender Forschungen und Publikationen
nicht zu übersehen, es dominieren bestimmte
Autoren, während andere (nichtjüdische sowieso) außerhalb
des Blickfeldes bleiben. Der Stoff ist also weder
gleichmäßig durchgearbeitet noch gleichmäßig dargeboten.
Die Bibliographie bestätigt diese Beobachtung recht
augenfällig.

Didaktisch gut wirkt die durchgehende Illustration
durch treffend ausgewählte Textstücke, obwohl sie manchmal
die kritische Behandlung zu überwuchern drohen. Vor
allem bei ohnedies gut zugänglichen Autoren wie Mai-
monides oder Jehuda Hallevi mag man fragen, ob der
Raum nicht nützlicher zu verwenden gewesen wäre. Nicht
immer ist zudem die Quellenangabe bei den Zitaten ausreichend
.

Ungeachtet dieser Einwände, die am Ganzen des
Werkes zu messen sind, darf man den hebräischen Lesern
zu diesem gut vorständlichen und sachkundig geschriebenen
Standardwerk nur gratulieren.
Köln Johann Maier

Oppcnheimcr, Aliaron: The cAm Ha-Aretz. A Study in the
Social History of the Jewish Feoplo in the Hellonistic-
Roman Period. Transinted froin the Hebrow by I. H. Levinc.
Leiden: Brill 1977. Xli, 261 S. gr. 8" = Arbeiten zur Literatur
und Gesohichto des hellenistischen Judentums, hrsg. v. K.
H. Rengstorf, VIII. Lw. hfl. 80.—.

Diese ursprünglich hebräisch geschriebene und zum
Erwerb des Grades eines PhD an der Hebräischen Universität
zu Jerusalem eingereichte Studio wurde von
I. H. Levine ins Englische übersetzt und von A. Schabt
mit einem kurzen Vorwort (VII) versehen. Als Ziel seiner
Untersuchung gibt O. an, „to determine the social Status
of tho 'am ha-aretz and his placo in the social context"
(IX). Nach oiner forschungsgeschichtlichen Einführung
(1 — 22) kommt O. zunächst auf die „Zehnten und die
rituello Reinheit" (23 — 66) und danach auf den 'am ha-
aretz le-mitzvot und den 'am ha-aretz la-Torah (67—117)
zu sprechen. O. geht davon aus, daß in der Esra- und
Nehemiazeit eine deutliche Unterscheidung zwischen
solchen, die gesetzesstreng waren, und solchen, die den
Fremden nahestanden, aufkam und daß mit letzteren die
Konzeption des 'am ha-aretz verknüpft wurde. Dieser
Gegensatz vertiefte sich mit der zunehmenden Akzentuierung
der Reinheitsbestimtnungen hei den Essenern und
den biivorim; denn diese strengen Reinheitsobservanten
mißtrauten dem 'am ha-aretz hinsichtlich seiner Bofol-
gung der Zehnt- und der Reinheitsbestimmungen. Die