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Ausgabe:

1978

Spalte:

51-53

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kienzler, Klaus

Titel/Untertitel:

Logik der Auferstehung 1978

Rezensent:

Gräßer, Erich

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

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SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Kienzier, Klaus: Logik der Auferstehung. Eine Untersuchung
zu Rudolf Bultmann, Gerhard Ebeling und Wolfhart Pannenberg
. Freiburg-Basel-Wien: Herder [1976]. 279 S. gr. 8° =
Freiburger Theologische Studien, hrsg. v. R. Bäumer, A. Deiss-
ler, H. Riedlinger, 100. Kart. DM 4ö,-.

„Diese Arbeit will zur Einsicht des Thomas hinführen, der
den Auferstandenen sehend als seinen Gott und Herrn erkennt,
weil er glaubt: ,Selig, die nicht sehen und doch glauben'. Diese
Einsicht besagt, daß es gilt, in die Zeugnisstruktur des
Glaubens einzuspringen, in ihr die Stringenz des Ganzen zu
erkennen und als Zeuge selbst das Zeugnis Gottes zu verifizieren
" (261).

Diese das Ziel der vorliegenden Untersuchung formulierenden
Schlußsätze der Freiburger katholischen Dissertation dünken
einen altbekannt und drücken fast eine Selbstverständlichkeit
aus. Dennoch ist der dahin führende weite Weg in
Fragestellung und Methode („strukturale Interpretation") neu
und bringt die Diskussion insofern einen Schritt weiter.

Die Überschrift in ihrer Verkürzung ist freilich unpräzis.
Denn genaugenommen geht es um die Logik des Sprechens
von Auferstehung (19; 200; 239), wobei „Logik"
wiederum nicht anderes meint als sachliche Angemessenheit.
Dagegen die Ausführung des Themas ist sehr präzis, wenn
auch gelegentlich sehr einfache Sachverhalte sehr kompliziert
umschrieben werden (z.B.: „Der einer geschichtlichen Persönlichkeit
zugewiesene Boden eigener Arbeit ist ihre Epoche", 23).

Als Methode wählt der Vf. die Religionsphilosophie, die begriffen
wird als Suche nach einem Weg, auf dem sich das
Denken der Philosophie mit dem Verstehen, wie es nur dem
Glauben eigen ist, vermitteln läßt. Dieser Weg ist die Religions-
phänomenologie, der im Medium philosophischen Verstehens
der andere Ursprung des Glaubens aufgeht und die darum
zum Verstehen des Glaubens aus eigenem Ursprung anleitet
(19). Mit dem theologischen Entscheid der Ursprungsfrage des
Glaubens ergibt sich für den Vf. sogleich der Gegenstand
seiner Untersuchung: die Auferstehung. Als „Grunddatum ihres
eigenen Verstehens" hat religionsphilosophisches Verstehen
hier anzusetzen (12). „Es zeigt sich nämlich, daß gerade an der
Auferstehungsfrage das Verstehen aus dem Glauben und das
Verstehen überhaupt miteinander konfrontiert werden" (14).
Das wiederum führt zu dem Triumvirat Bultmann, Ebeling,
Pannenberg als Demonstrationsobjekt, das beliebt zu sein
scheint (vgl. etwa Th. Goebel, Wort Gottes als Auftrag. Zur
Theologie von R. Bultmann, G. Ebeling und W. Pannenberg,
Neukirchen 1972). In unserem Falle ist es aber sachlich berechtigt
. Denn alle drei protestantischen Theologen nehmen ihr
Sprechen von Auferstehung jeweils sehr deutlich in einem besonderen
philosophisch-theologischen Kontext vor. Auf ihn
aber kommt es unserem Vf. an, um sein Problem zu präzisieren
.

Mehr als die Hälfte des Buches ist dem sehr zuverlässigen
und in der Auswertung der Primär- wie Sekundärliteratur
gleicherweise kenntnisreichen Referat der genannten drei
Theologen gewidmet. Die eigene Intention wird dabei schnell
deutlich: Vf. will den Ereignischarakter der Auferstehung als
Ursprungsgeschehen festhalten — gegen Bultmann, sofern hier
Faktum und Bedeutsamkeit zusammenfallen (145 f.); gegen
Ebeling, sofern er die Ereignisse Kreuz und Auferstehung „auf
ihre bloße Funktionalität innerhalb eines Wortgeschehens
reduziert" (101); gegen Pannenberg, sofern er Faktum und
Bedeutung zwar in der Universalgeschichte zusammenkommen
läßt, „am Sprechen der Auferstehung" aber seinen Historiebegriff
nicht durchzuhalten vermag (146). Kurz gesagt: „Die
Auferstehung ist die Krisis der Systeme. So zerfällt am Begriff
der Auferstehung Bultmanns dialektischer Zusammenhang von
Historie, Geschichte und Eschatologie, wird Ebelings herme-
neutischer Zeugnisbegriff leer und Pannenbergs Historiebegriff
vage. In all dem bekundet sich, daß dem philosophischen Vorverständnis
jeweils die Priorität im Gesamtprogramm eingeräumt
wird" (145).

Um diese angeblichen „Engführungen" zu vermeiden, geht
der Vf. den Weg „geradezu in umgekehrter Richtung". „Wir
sehen unsere Aufgabe darin, streng von der Auferstehung her
zu denken und uns von daher die Fragen der Theologie, Philosophie
und Geschichte stellen zu lassen. Um zuerst den Begriff
der Auferstehung zu gewinnen, sind wir an ihre Bezeugungen
in der Schrift verwiesen. Die Frage lautet also zunächst: Wie
spricht die Schrift von der Auferstehung?" (148).

Daß der Vf. mit dieser Frage seinerseits in einen hermeneu-
tischen Zirkel einsteigt, der nur durch ein wie auch immer bestimmtes
Vorverständnis in Bewegung gerät, müßte er sich
eigentlich klarmachen. Oder anders gesagt: Die „phänomenologische
Methode", die der Vf. zur eigenen Standortbeschreibung
wählt, hat also nicht als solche schon ein sachliches
Prae etwa vor der existentialen Bultmanns. Sondern im Vollzug
muß sich zeigen, ob sie den Vorzug verdient. Um die Antwort
gleich zu geben: Sie verdient ihn, wo es um die Erhebung
der Zeugnisstruktur von Auferstehung geht. Zur Erhebung
ihres sachlich-inhaltlichen Sinnes trägt sie weniger aus.

Abgesehen von diesem grundsätzlichen methodischen Einwand
ist das weitere Vorgehen des Vfs. jedoch einleuchtend.
Aus einer Analyse von IKor 15,3 ff. gewinnt er die These, daß
„die genuine, theologische Weise des Sprechens von Auferstehung
... das Zeugnis" ist, und eine Untersuchung des Begriffes
„Zeugnis" im Neuen Testament ergibt „den fundamentalen
Zusammenhang von Auferstehung und Zeugnis". Informanten
dafür sind letztlich jedoch nur Lukas und Johannes.
Denn nur sie entwickeln innerhalb des Neuen Testamentes eine
ausgesprochene Zeugnistheologie. Dabei ist Lukas derjenige,
der jenen fundamentalen Zusammenhang von Auferstehung
und Zeugnis ausdrücklich thematisiert (vgl. die stereotype
Formel „welchen Gott auferweckt hat aus Toten, des wir
Zeugen sind", Apg 3,15 u.ö.). Dagegen hebt Johannes mehr auf
die Frage der Konstitution des theologischen Zeugnisses überhaupt
und so auch des Zeugnisses der Auferstehung ab (257)
und benennt mit dem Gesandtsein des Sohnes zugleich „das
Konstitutionsgeschehen des Zeugnisses" und als solches also
das „Ursprungsgeschehen". „Jesus ist als der Selbstoffenbarer
Gottes die genuine Gestalt des sich selbst erschließenden
Ursprungs" (258).

Wenn ich recht sehe, ist es jedoch die lukanische
Sprechweise von Auferstehung, die dem Vf. die theologisch
angemessene zu sein scheint. Sie ist „die besondere Redeform
des Auferstehungszeugnisses" (239 f.). Ein philosophischer
Exkurs zeigt, daß die „Zeugnis-Rede performative Rede
ist" (204 ff.). Der Grund dieses Exkurses ist der folgende: Vf.
will die Logik der Sprechakte, wie sie sich aus einer Phänomenologie
performativen Redens ergibt (252), für die Logik
des Zeugnisses der Auferstehung fruchtbar machen. Das gelingt
— da er sich stets an verläßliche Fach- und Gewährsleute
anlehnt - erstaunlich gut. D.h., Vf. achtet auf die „Kommunikationssituation
", „in der das Zeugnis der Auferstehung entstand
, auf die .Regeln' dieses Zeugnisses und auf die .sprachliche
Gestalt der Auferstehungsaussagen, wie sie sich in der
Zeugnisrede artikuliert'" (252). Für die „Theologie des Zeugnisses
der Auferstehung" (252) bedeutet das: Situation der
Auferstehung und Osterzeugnis sind nur in ihrem „Ineinander"
das, was sie sind (252). „Denn zum einen antwortet das Osterzeugnis
der einzigartigen Situation der Auferstehung, deren
Zugang allein das Zeugnis vermittelt; zum anderen qualifiziert
die Situation des Auferstandenen das Osterzeugnis auf solche
Weise, daß sich dieses Zeugnis im Rang und Gestalt von jedem
anderen Zeugnis unterscheidet" (252). Im Zeugnis kommt die
Auferstehung zuallererst zur Gegebenheit für uns: sie ereignet
sich, indem sie sich zugleich ins Zeugnis gibt (253). Für diesen
Sachverhalt wird wiederum Lukas als Gewährsmann aufgeboten
(253 ff.). Denn „gerade Lukas liegt an der geschichtlichen
Erfahrbarkeit und Aussagbarkeit der Auferstehung;
denn sie soll ja weitergesagt und weiter verkündet werden"
(253).

Daß ausgerechnet Lukas gegen die angeblich defizienten
Entwürfe von Bultmann, Ebeling und Pannenberg aufgeboten
wird, ist zweifellos eine besondere Pikanterie des vorliegenden