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Ausgabe:

1978

Spalte:

733-734

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Zu seinem 65. Geburtstag am 7. Oktober 1974 1978

Rezensent:

Schmidt, Werner H.

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733

Theologische Literaturzoitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 10

734

Westerniann, Claus: Forschung am Alten Testament. Gesammelte
Studien II. Zu seinem 65. Geburtstag am 7. Oktober
1974 hrsg. v. R. Albertz u. E. Ruprecht. München: Kaiser
1974. 338 S. 8° == Theologische Büchorei. Neudrucke und
Berichte aus dein 20. Jahrh., hrsg. v. G. Sauter. Altes Testament
, 55. DM 30,—.

Ist der erste Band der „Gesammelten Studien" von
C. Westermann „Forschung am Alten Testament" (19(54)
hauptsächlich durch zwei Vorarbeiten zu den Genosis-
und Deuterojesaja-Kommentaren geprägt (vgl. ThLZ
91,19ö6 Sp. 26—30), so vereinigt der zweite Band, der
W. zum 65. Geburtstag am 7. Okt. 1974 überreicht wurde,
mit einer Ausnahmo kleinere, zuvor bereits verstreut publizierte
Aufsätze.

Die Sammlung wird durch mothodisch-herineneutische
Reflexionen eröffnet, unter ihnen der umfangreichere
Beitrag „Zur Auslogung des Alten Testaments" und die
(zuerst in ThLZ 90, 1965 Sp. 489—496 erschienenen) Erwägungen
über „Sinn und Grenzo religionsgeschichtlicher
Parallelen". Andero Arbeiten bauen auf früheren Publikationen
auf, fassen sie zusammen und führen sie weiter:
„Die theologische Bedeutung der Urgoschichto", „Der
Weg der Verheißung durch das Alte Testament" oder „Die
Rolle der Klage in der Theologie des Alten Testaments".
Ein weiterer Teil besteht aus Begriffsuntcrsuchungen, so
über 'asc/wl „Wold, glücklich" oder achalom „Frieden";
in diesem Rahmen freut man sich auch der Untersuchung
„Die Begriffe für Fragen und Suchen im Alton Testament"
wiederzubegegnen, die man in Band I vermißte. Außerdem
linden sich Arbeiten, die bestimmten Literaturberoichen
gewidmet sind: der Priestorschrift, Jes 48 oder der „Weis-
hoit im Sprichwort". Die Reiho schließt mit Beiträgen,
die ins Neue Testament („Alttestamentliche Elemente in
Lukas 2, 1 —10"; „Prophetenzitate im Nouen Testament")
oder gar in die Gegenwart hinübergreifen. Auch sonst zieht
W. aus alttestamentlichen Sachverhalten gelegentlich
Folgerungen, die über das Alte Testament hinausgehen,
etwa mit der kritischen Feststellung, „daß sowohl in der
christlichen Dogmatik wie auch im christlichen Gottesdienst
das Leid gegenüber der Sünde ganz in den Hintergrund
getreten ist", und mit der daraus folgenden Frage,
„ob Paulus und die paulinisch orientierte Theologie das
Werk Christi nicht einseitig verstanden hat" (262f.).

Vermittelt schon diese Sammlung einen Eindruck von
dem woitgestooktou Arbeitsfeld, so zeigt die beigegebene,
Ins 1974 reichende Bibliographie1 erst recht, wie vielseitig
das Interesse von W. ist. Dies ist um so mehr zu betonen,
als die Besprechung keinen Überblick über die verschiedenartigen
, hier zusammengestellten Auslegungsversuche und
Thesen zu bieten vermag, nur noch auf einige für W.
charakteristische Fragestellungen und Ansatzpunkte hinweisen
möchte.

Für W. lautet ein Grundsatz der Interpretation: „Auszugehen
ist von dein Alten Testament als ganzem als dem
vorgegebenen Zusammenhang" (18; vgl. 20 A 15. 80f.).
YV. sucht diesen Ansatz durchzuführen, indem er jeweils
Ganzheiten (vgl. das Register S. 328) zu erfassen sucht
— d. h. Zusammenhänge, sei es struktureller Art: „phänomenologisch
faßbare Ganzheiten" (85) oder geschichtlicher
.Art, „wo die Ganzheit eine Ereignisreihe und deren
Niederschlag in einer Folge von Traditionen ist" (81)2.
Fnt sprechend geht es W. woniger um „präzisere Fassung"
von Begriffen (so S. 25) als um Darstellung von Vorgängen
(230f.; vgl. 39.51). „Gegenstand der Theologie ist... ein
Geschehen zwischen Gott und Menschen" (251).

Entsprechend zeichnet W. den „Weg der Verheißung
durch das Alte Testament" (230ff.) nach und gelangt zu
dem Ergebnis: „Die endgültige Erfüllung der Verheißungen
des Alton Testaments im Kommen und im Werk Christi
(kann) tiur als eine Erfüllung des ganzen Weges der
Verheißungen verstanden werden, als eine Erfüllung der
Geschichte der Verheißungen" (247; vgl. 231; auch
19,63). Indem W. so Einzolbeobachtungen und allgemeine

Einsichten zu verbinden weiß, gelingen ihm Durchblicke
durch das weite Zeiträume umgreifende und literarisch
vielgestaltige Alte Testament, wie sie im exegetischen
Alltagsbetrieb, der eher Einzelheiten nachforscht als
Linien auszieht, nur selten geboten werden. Dabei werden
zugleich „Abgrenzungen vorgenommen, die die Besonderheit
, die Andersartigkeit dessen, was im Alten Testament
... gemeint ist, anzeigen können" (202f.; vgl. 97f.,
254f., 262f. u. a.).

Allerdings wird nicht jeder Exeget W. im Aufweis und
in der Abgrenzung von Strukturen folgen, so etwa bei der
Unterscheidung von Epiphanie und Theophanie (275), von
beschreibendem und berichtendem Lob (277), von Heilszusage
, Heilsankündigung und Heilsschilderung (232ff.,
246) oder von Segnen und Retten (23,237f.).

Im übrigen nur zwei Einzelbemerkungen! Einmal: Ist
nicht statt der Klage doch die Bitte „die Mitte und der
Kern der Klagepsalmen" ?s Zum anderen: Die Untersuchung
über „Die Herrlichkeit Gottes in der Priesterschrift
" hat Westermanns Schüler E. Ruprecht, einer der
Herausgeber des vorliegenden Aufsatzbandes, kürzlich
(ZAW 86, 1974, 267ff.) mit dem Hinweis weitergeführt,
daß die Offenbarung der „Herrlichkeit (käbod) Jahwes",
mit der die Priesterschrift den Kult am Sinai begründet
und bestätigt, in der unmittelbar vorhergehenden Ge-
schiehtsdarstellung (Ex 14,4.17 f.; 16,10) eine Vorbereitung
erfährt: Am Sinai offenbart sich der Gott, der sich
bei der Herausführung Israels aus Ägypten „verherrlichte";
so ist der ständige Kult an die einmaligen Ereignisse der
Geschichte rückgebunden.

Die verschiedenartigen, in diesem Sainmelband vereinigten
Aufsätze haben eins gemeinsam: Sie verraten, wie
persönlich geprägt die Sicht des Alten Testaments ist, zu
der W. gelangte. Ist diese individuelle — nach dem Empfinden
mancher Exegeten vielleicht zu individuelle —
Note nicht ein Vorteil, zumindest eine Bereicherung, im
exegetischen Alltagsbetrieb ?

Raisdorf bei Kiel Weruer H. Schmidt

1 Zu ihrer Ergänzung Bei auf zwei neuere selbständige Publikationen von
C. Westermann verwiesen: Genesis 12—60: Erträge der Forschung 48,
1976; Die Verheißungen an die Väter: FBLANT 11«, 1976.

' So verbindet der in Band I aufgenommene Aufsatz „Struktur und
Geschichte der Klage" zwei fdr W. wichtige und bezeichnende Begriife
miteinander: Struktur und Geschichte.

• Anders W. (256) im Gespräch mit 10. Gerateuberger. Schon für H.
Gunkel (Einleitung in die Fsalmon, 1933, 218) ist die Bitte „das Herzstück
der Gattung", und dies durfte die noch heute gängige Auffassung wiedergeben
.

Rucke,Helga: Der l'ropliet Arnos. Düsseldorf: Pattnoe-Verlag
[1975]. 148 S. 8" - Geistliche Schriftlesung. Erläuterungen
/.um Alten Testament für die Geistliche Lesung, hrsg. v. H.
Eising u. H. Lubsczyk, 4.

Huppert, Lothar: Das llin li (ienesis erläutert. 1: Kap. I—20,18.
Düsseldorf: I'atmos Verlag [1976J. 27G 8. 8° = Geistliche
Schriftlesung. Erläuterungen zum Alton Testament für die
Geistliche Lesung, hrsg. v. H. Eising u. H. Lubsezyk, 6/1.

In der Reihe „Geistliohe Schriftlesung" sind bisher die
Erläuterungen zu Hiob, Jesaja, Zefanja-Nahum-Habakuk
und Jeremia (1. Teil) erschienen. 1975 legte der Patraos-
verlag das bereits 1974 im Bennoverlag Leipzig herausgebrachte
Bändcheu über Arnos und 1976 den 1. Teil der
Erläuterungen zur Genesis vor.

Nach einer kurzen Einführung in allgemeine Fragen der
Prophetie dos Amosbuehes werden die einzelnen Texte mit
einer allgemein-verständlichen Erklärung dargeboten. Die
Übersetzung lehnt sich bewußt an den Kommentar von
H. W. Wolff (KAT XXV,2) an, versucht aber, manches
sprachlich flüssiger und leichter verständlich wiederzugeben
. .Jedem Text ist eine knappe Einleitung vorangestellt
die auf literarische, historische, traditionsgeschichtliche
u. ä. Fragen eingeht und Bemerkungen zur Eigenart des