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Ausgabe:

1978

Spalte:

719-722

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Tworuschka, Udo

Titel/Untertitel:

Die Einsamkeit 1978

Rezensent:

Seidel, Hans

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1078 Nr. 10

720

VIII. Theologisches Denken und lieben der geistlichen
Hirten im Zeitalter der Väter: Paolo Sana Zu nett i, Bologna,
bietet Material für das Wortfeld ,Antipsychon'. — Henri
Crouzol, Toulouse: Dio Verkündigung der Auferstehung
nach Origones geschieht oft durch Bilder und Gleichnisse.
— ESdgar Früchtel, Kuhnbaeh: Zum Todesgodankon weist
Origones auf die Wiederherstellung der ursprünglichen
Gottesebenbildlichkeit. — Elena Cavalcanti, Perugia,
erstrebt Klärung dor Aussagen über den Hl. Geist bei
Psoudo Basilius. - Manlio Simonotti, Rom, boroitet
kritischo Ausgabe von ,Do Fido' des Gregorius von Elvira
vor. Christopher Chaffiu, New Häven. Bei Maximus von
Turin sind Recht und Frömmigkeit auf eine säkulare aber
christliche Haltung ausgerichtet. — Claude Dagons,
Bordeaux: Der christliche Priester ist Sendbote des
Wortes Gottes bis ans Ende der Erde.

IX. Varia. — Arnaldo Momigliaho, London, sucht geschichtliche
Andeutungen im Buch Hl der Sibyllinen zu
erfassen. — Julien Ries, Löwen, vermittelt einen Einblick
in dio gnostischo Lehre als Offenbarung des Parakleton. —
Alberto Pincherlo, Rom, sucht die Erklärung des Lukas-
Evangeliums durch die Ambrosius-Überlieferung zu ergänzen
. — Antonio Ferrua, Rom: Der griechische Trinkspruch
als letzter Gruß am Grabe konnte christlich, fromm
(Pie!) auf erwartete himmlische Herrlichkeit gedeutet
wordon. — Antonio Quaequarelli, Bari: Älteste christliche
Kirchenbauten entsprechen in harmonischer Gestaltung
und Symboloharakter der Einheit der christlichen Lehre.

Dieso Festschrift als Gemeinschaftsarbeit zeugt von
Stoffbeherrschung, Ideenreichtum und eindrucksvoller
gleicher Zielsetzung. Anmerkungen und Literaturangaben
ergänzen die Fülle des Stoffes. Das Werk vermag auf
vielen Gebieten wertvolle Anregungen zu geben. Dio Ausstattung
in ihrer Gediegenheit entspricht dem Inhalt.
Fernwald 2 — Annerod Georg Bertram

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Tworuschka, Udo: Die Einsamkeit. Eine roligionsphäiioinenolu-
gisohe Untersuchung. Bonn: Röhrschoid [1974]. 391 S. gr. 8U
= Untersuchungen zur allgemeinen Religionsgeschichte,
hrsg. v. G. Mensching, N. F. 9.

Vorliegende Untersuchung ist die leicht überarbeitete
Dissertation dos Vfs. In der Einleitung gibt er einen kurzen
Überblick über die Bedeutung des Themas „Einsamkeit"
in den verschiedenen Wissenschaft«bereiohen und begründet
das Entstehen seiner Arbeit mit dem Fehlen einer
Untersuchung im Bcroich der Roligionsphänomenologie.
Auf die sträflicho Vernachlässigung dieses Themas innerhalb
der religionswissenschaftlichon und theologischen
Forschung hatte der Rez. bereits 1963 in seiner Dissertation
„Das Erlebnis dor Einsamkeit im AT" (gedruckt 1960)
deutlich hingewiesen. Nach Hinweisen auf dio phänomenologische
Arbeitsweise versucht der Vf. die Erarbeitung
einor Kategorialanalyse, dio durch exakte Kategorienbildung
eine „angemessene und klar überschaubare Gliederung
des Stoffes" (26) ermögliche. Das Untersuchungs-
material stammt aus allen Religionen, so daß der Vf.
wegen der Fülle des Stoffes jeweils in einem ersten Arbeitsschritt
einen engeren religionsgeschichtlichen Bereich
herausgreift und ihm Parallelen aus anderen Bereichen zur
Seite stellt.

Es werden drei Kategorien unterschieden: Einsamkeit,
Alleinheit und Abgeschiedenheit. Die religiös-existentiello
Einsamkeit wird als Korrelationserlebnis der Nicht-
gemeinschaft mit dem Heiligen bestimmt. Sie ist eine
erlebnismäßige Schwebelago der Existenz und stellt für
den universalreligiösen homo religiosus das zentrale Erlebnis
der Einsamkeit dar. Die Einsamkeit zeigt verschiedene
Aspekte, die sich aus den Bezugsrichtungen (Gott-Mensch,

Mensch-Welt), den Komplementärkategorien (Seins- und
Krlebfliskatogorie), den Erlebnisphasen (primäre und sekundäre
) und den anthropologischen Voraussetzungen der
vertikalen Einsamkeit ergeben. Als zweite Kategorie nennt
dor Vf. die Alleinheit. Sie ist eine Situationskategorie mit
polaren Aspekten. Die objektive Seite ist, die Isoliertheit,
die subjektive die innere AI lei i il lei I vor Gott z. Ii. im
Gebet. Die Alleinhoit wird untergliedert in „episodische"
oder „sporadische" A., die in einer temporären Gestimmt-
hoit gründet und in „äußere Abgeschiedenheit", die in einer
permanenten Grundstimmung wurzelt. Die Abgeschiedenheit
als dritte Kategorie ist die bewußte Trennung von der
äußeren Umwelt, „die in einer permanent -pessimistischen
Weltwertuug gründet und zur Schaffung einer Sonderwelt
führt" (45). Sie wird aU [ndividual- und Communioform
gelebt. Der Haupttei* der Untersuchung gliedert sich nach
den genannten Kategorien. Absohn. 11 behandelt die vert i-
kalen Formen der Einsamkeit in den Universalroliginiirn :
E. in der Mystik (Anhang Guosis) und E. in der Prophotie.

Im Abschnitt über die Einsamkeit in der Mystik (dem
umfangreichsten des Buches) gibt der Vf. zuerst einen
Überblick über die mystische Einsamkeit in rcligiqns-
wissenschaftlichen und theologischen Darstellungen und
Stellt fest, daß kaum die verschiedenen Erlebnisrichtungen
und Kategorien unterschieden werden und meist, der
soziolokale Aspekt vor den eilebniskategorialen trete.
Seinskategoriale Grundlagen sind die in weit verneinender
Religiosität erfahrene Seinsbelindlichkeit des Menschen
(negativer Existenzpol) und das Unio-mystica-Erlobnis
(positiver Pol). Die Schichten der mystischen Einsamkeit
während des inneren Aufstiegs des Mystikers werden
.inli.nid einer Fülle von Beispielen dargestellt- Unter
Bezugnahme auf Heiler und Mensching sieht der Vf. in
dor Prophetie den polaren universalroligiösen Strukturtyp
zur Mystik. Die seinskategorialen Grundlagen der prophetischen
Einsamkeit sind die sündhafto Abwendung des
Menschen von Gott verbundon mit Selbstvertrauen (negativer
Existenzpol) und die personale Glaubensgemeinschaft
mit dem Schöpfer (positiver Existenzpol). Für die Darstellung
der vortikalen Einsamkeit der Propheten worden
Bemerkungen über dio „großen Einsamen" aus der For-
schuugsgesehichte, Hinweise auf alttostamontliche Propheten
. Zarathustra, Muhammed und Überlegungen zur
sekundären Glaubenseinsamkeit bei Luther genutzt.

Dor IM. Hauptabschnitt ist den horizontalen Formen
der Einsamkeit in den Univorsalroligionen gewidmet. Sie
werden an drei Formen des ,homo religiosus' (Religions-
stifter, Prophet, Mystiker) erläutert. Als generelles, oin-
Bamkeitsförderndes Moment sei allen dio ,Individuität'
gemeinsam. Für die Einsamkeit des ,Meisters' sei außerdem
das Wissen um heilsmetaphysisohe Zusammenhänge und
die Verständuisunfähigkeit der Menschen auslösende Ursache
, während bei den Propheten mehr die Verständnis*
losigkeit der Menschen die Einsamkeit begründe. Dio
Haltung gegenüber dem Mystiker sei woniger durch die
aktive, aggressive Verständnislosigkeit, Indifferenz und
Gleichgültigkeit charakterisiert.

Im IV. Kapitel fragt der Vf., ob der universalreligiöse
Einsamkeitsbogriff auch auf den volksreligiösen Bereich
angewandt werden könne, denn „im Boreich der frühzeitlichen
Volksreligionen werden die katogorialen Differenzierungen
. . . problematisch, ja eigentlich hinfällig; ... das
existentielle Einsamkeitserlebnis in den Volksreligionen
stellt sich dar als kategorialo Interferenzerscheinung. . ."
(153). Dor vertikale und horizontale Erlebnisberoich falle
im urtümlichen Einheitsbewußtsein von Welt und Überwelt
nicht mehr so auseinander, und Seins- und Erlebniskategorie
decken sich faktisch mit der Alleinheit. Der Vf.
geht kurz auf das .volksreligiöse Lebensgefühl', wie es sich
ihm in der israelitischen und germanischen Religion darstellt
, ein und nennt als Gründe für die seinskategoriale
Verlassenheit: Vorgehen an der Vitalgeineinschaft und
Krankheit.