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Ausgabe:

1978

Spalte:

713-716

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Essays on the Nag Hammadi texts 1978

Rezensent:

Bethge, Hans-Gebhard

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Theologisohe Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 10

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hatte. Aber als Aufklärer kann er dann auch wieder unmittelbar
Zugang zu Jesus finden, wenn er ihn nur nicht
als den Jiingfrauensolm und leidenden Erlöser bekennen
muß. Mit Leidenschaft ist Reimarus insbesondere Pädagoge
: das erste Buch seiner Schutzschrift liest sieh wie der
Protest des Pädagogen gegen ein klcrikal-ideologisicrtes
Erziehungssystem, das Kinder zum widersinnigen Gebrauch
der Vernunft zwingt. Vielleicht ist die Verzweiflung
des Vaters, der seine Kinder einer seines Erachtens verfehlten
religiösen Pädagogik überantworten muß, ein
starkes Motiv für das Entstehen der Schutzschrift. So
wird die Theologie heute Grund haben, diesem Mann
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er hat sich verteidigt
gegen eine Kirche, die die Gewissen verengte, statt sie zu
einer religiös gebundenen, kosmopolitisch verantworteten
Humanität zu erziehen. Er ist gegen diese Kirche bitter
und polemisch und damit auch ungerecht geworden. Es ist
das Verdienst dieser Edition, daß sie Reimarus nun endlich
in aller Öffentlichkeit reden, ihn ausreden läßt. Wir weiden
gut daran tun, ihm erst oinmal zuzuhören, ehe wir mit ihm
streiten.

* KelinariiH, Hermann Samuel: Apologie oder Sehutssehrl.il für die
vernünftigen Verehrer Untlen. Im Auftrag der Joechim-Jungrua-Qessn-
seliaft <lcr Wissenschaften Hamburg hrsg. v. (J. Alexander. I U. II. Frankfurt/
Main: Insel-Verlag [1972J- !>67 S., 1 Taf. u. 0!)0 S., 1 Taf. 8°. Lw. UM 120.—.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

[LsMb, Pahor:] Kssiivs OD tli« Nag llamiuuili Tcxls. In Honour
of Pahor Labib, ed. by M. Krause. Leiden: Brill 107f>. NIM,
310 S. gr. 8° = Nag Hammatli Studios, od. by M. Krause,
.1. M. Kobinson, F. Wisse, VI. Lw. hfl. 120.—.

Festschriften wie die hier vorzustellende bieten immer
eine gute Gelegenheit, einen Kreis von Forschern zur Vorstellung
größorer oder kleinerer Ergebnisse ihrer Arbeit
zusammenzuführen. So auch hier: eine Gruppe namhafter
Gelehrter offeriert wichtige und teilweise weiterführende
Erkenntnisse zu größeren oder kleineren Problemen der
NH-Forsohung.

Dem Charakter einer Festschrift entsprechend wird
eingangs in einem „Grußwort au den Jubilar" aus der
Feder von M. Krause das Lebenswerk von P. Labib umrissen
und dabei besonders die Tätigkeit bezüglich der
NH-Schriften erwähnt. Ergänzt wird diese Würdigung
durch eine „Bibliograph v <>f (In- Books and Articles of
Pahor Labib", die V. Girgis zusammenstellte.

Die Reihenfolge der Beiträge «ml eröffnet mit einein
Aufsatz des inzwischen verstorbenen bedeutenden Papyro■
logen .1. W. B. Barns über „Greek and Coptic Papyri from
the Covers of the Nag Hammadi Codices" (S. 9—18).
Dann hebt er die Bedeutung der teilweise bereits bekannten
Kunde in den Codices I, IV, V, Vll und VIII hervor, und
Zwar in besag auf die Datierung, aber auch auf die Her
kunft, 15. lindet Hinweise auf einen „monastic backgrouud"
und mahnt zur Korrektur des oft noch vorherrschenden
Bildes vom pachominnischen Mönchtum. Ein entscheidender
Beleg aus Codex I, den 15. zur Stützung seiner These
anführt , ist jetzt allerdings hinfällig geworden, wie E. G.
Turner in einem kurzen anschließenden „Comment" aufzeigt
; das von B. als mones gelesene Wort heißt in Wirklichkeit
komes. A. Böhlig äußert sich in seinem Beitrag
„Zum .Pluralismus' in den Schriften von Nag Hammadi.
Die Behandlung des Adamas in den Drei Stelen des Seth
und im Ägypterevangelium" (S. 19—34). Die Pluralität
innerhalb des NH-Fundes ist in der Tat nachdenkenswert.
B. fragt nun, ob es sich „um eine zeitlich-historisch bedingte!
Erscheinung handelt oder um eine regionale". In der Trias
der StelSeth sieht er eine Vorform der manichäisehen
Trias. Der Vergleich StelSeth — ÄgEv ergibt, „daß die
Vorwendung der mythologischen Aussagen jeweils davon

abhängig ist, welche Funktion sie bei der Durchführung
eines Leitgedankens haben" (S. 34). B. konstatiert, daß
man bei den von ihm untersuchten Texten besser von
einem hohen Maß von Gestaltungsfähigkeit bzw. vom
freien Umgang mit Mythologcmen sprechen sollte.

A. Guillaumont wendet sich mit seinem Aufsatz ,,Une
citation de l'Apocryphe d'Ezechiel dans l'Exegese au
sujet de l'äme" (S. 35 — 39) der schwierigen Stelle NHC p.
135,29—136,4 zu, die bisher mit lClem 8,3 in Vorbindung
gebracht wurde. G. weist demgegenüber — und das
überzeugt den Rez. — auf eine Stelle aus einem Apokry-
phon Ezechiel, das nur in Fragmenten orhalten ist (1922
ed. K. Holl; vgl. auch Rießlor, 336), hin.

J. Helderman, dessen Beitrag „Anachoreso zum Heil.
Das Bedeutungsfeld der Anachorese bei Philo und in
einigen gnostischen Traktaten von Nag Hammadi"
(S. 40—55) der Frage einer Einwirkung Philos u.a. auf
die valentinianische Gnosis nachgeht, kommt hier zu einem
bejahendon Ergebnis in bezug auf das Vokabuiar und das
Denken; diese Einwirkung habe „indirekt, d.h. mittols
Traditionen und Schriften" (S. 55) stattgefunden. Die
Klassifizierung der in Betracht gezogenen NH-Schriften
scheint dem Roy., allerdings nicht glücklich zu sein; solch»!
Einteilungen sind problematisch.

R. Kasser wendet sich mit „Citations des grands
prophetes bibliques dans [es textes gnostiques coptes"
(S. 50—64) einem wichtigen Sachverhalt zu und bietot
eine gute Materialzusammenstellung u.a. zum Gebrauch
von Jes 45,5; 40.0 und zu der bemerkenswert ausführlichen
Zitation in ExAn.

Den NH-Fund insgesamt nimmt M. Krause mit seinen
Ausführungen „Zur Bedeutung des gnostisch-hermetisohen
Handsohriftenfimdes von Nag Hammadi" (05 — 89) in den
Blick und geht auf den — inzwischen fortgeschrittenen —
Stand der Veröffentlichung, die Bucheinbände, Hand-
sclirift und Sprache (neue Wörter), abschließend auf den
Inhalt der Schriften ein, die er in verschiedene Gruppen
einteilt (nicht-christlich-gnostisch, christlich-gnostisch, hermetisch
, weisheitlich und philosophisch).

Mit seinen „Critical Prolegomcna to an Edition of tho
Coptic Hypostasis of the Archons (CG 11,4)" (S. 90—109)
we ndet sich B. Layton nach einem kurzen Blick auf dio
Forschungsgesehichto der Methode! der Kollationiorung
zu und diskutiert einige unsichere Stellen, wobei er überzeugende
Lösungen anbietet. L. hat inzwischen eine vorzügliche
Ausgabe von HA vorgelegt (vgl. HThlt 07, 1974.
352ff.). Mit einigen Problemen von Rheg beschäftigt sich
.1. E. Menard in seinem Beifrag „La notion de rösurrectiOD
dans l'epitro ä Rhöginos" (S. HO—124). Nach der Präson-
lalinn des zu untersuchenden Text materials beschäftigt
sieb M. zunächst mit „lCor 15,39ss etsuii tnilieu historique"
unter Hinzuziehung von biblischem und außerbiblischem
Material und untersucht in einem zweiten Gedankengang
„L idee de vetomont".

Eine bemerkenswerte, ja sensationelle Entdeckung
■teilt Chr. Ooyon vor: „Fragmonto einer subachmimischen
Version der gnostischen ,Schrift ohne Titel'" (S. 125—144).
In mühevoller Kleinarbeit ist es O. gelungen, 72 Zoilen
von z. T. kaum identittzierbareu Fragmenten von UW, die
sich im Besitz dor British Library befindon, zu rekonstruieren
. Für dio Erforschung von UW orgoben sich aus dioser
Entdeckung natürlich ganz neue Möglichkeiten und auch
Notwendigkeiten; O. selbst deutet bereits einiges an.
Inzwischen hat O. weiter an den Fragmenten gearbeitet
und Paralleltexte zu NHC II p. 106,14 — 20 und p. 115,5—9
sowie möglicherweise p. 115,31 — 30 identifizieren können.

Auf einen wichtigen Sachverhalt macht B. A. Pcarson
aufmerksam: „Anti-horetical Warnings in Codex IX from
Nag Hammadi" (S. 145—154). Es ist in dor Tat bemerkenswert
, daß in einigen NH-Schriften nicht nur Ansichten
dor (Groß-)Kirche bekämpft werden, sondern auch Gnosis
gegen Gnosis auftritt, so z. B. in ApcPt und eben vor
allem in Molch und Test Vor, wofür P. verschiedene Stollen