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Ausgabe:

1978

Spalte:

692-693

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Die ökumenische Zusammenarbeit auf regionaler, nationaler und örtlicher Ebene 1978

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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091

Theologische Literaturzeitang

103. Jahrgang 1978 Nr. 9

692

Sie enthalt eine Reihe von Informationen und Dokumente,
die man bisher bei uns vergeblich gesucht hat, z. B. die „Briefe
aus Kuba" oder die guten Artikel aus Polen. Besonders instruktiv
ist die Einführung in Geschichte und I^bcn der Bulgarischen
Orthodoxen Kirche (S. 15ff.). Das alles wird nicht von
Dritten geliefert. Will man es aber richtig verstehen, muß man
es sorgfältig lesen. Denn jeder hat seiue Sprache. Glücklicherweise
ist diese durch die Übersetzung, die im allgemeinen gut
ist, nicht unhörbar geworden.

Wichtiger als die Informationen sind die theologischen Aufsätze
. Der Herausgeber versucht, die Länder möglichst gleichmäßig
zu berücksichtigen. Das ist für Bumänien und Kuba
allerdings nur dadurch gelungen, daß mehrere Beiträge eines
Autors zur Verfügung standen. In den Lünderkapiteln darf man
keine jeweils repräsentative Sammlung erwarten. Trotzdem sind
spezifische Akzente unverkennbar. Die meisten Aufsätze wollen
vom Leben und Denken der Christen in einer sozialistisrhen
Gesellschaft handeln. Darum interessiert sie immer wieder die
Aufgabe zu beschreiben, wie Christen für den Frieden wirksam
sind. Im Bereich der Anthropologie müssen sie ihre Erkenntnisse
über die Arbeit formulieren. Und wollen sie den Weg
der Kirche aufweisen, suchen sie ihn in der Nachfolge dessen,
der als diakonos" zu den Menschen kam. Sie sprechen von der
„Theologie" des Dienstes". Der aufmerksame Leser kann diese
drei zentralen Anliegen in allen Kapiteln wiederfinden.

Die orthodoxen Beiträge fordern am meisten zur Auseinandersetzung
heraus. Dabei kommt der hoch gelehrte ökumenisch
weit aufgeschlossene Metropolit der Bumänischen Orthodoxen
Kirche Nicolae Mladin aus Sibiu im Dialog mit den
Protestanten noch immer am weitesten voran. Um so interessanter
dürfte das Gespräch hier sein. Kann man z. B. von der
„göttlichen Bedeutung" der Arbeit sprechen und an die Arbeit
des Schöpfers selbst erinnern, ohne auch den siebenten Schöpfungstag
und seine Bedeutung für Gott selbst und für die Welt
zu erwähnen? Ist es möglich, die Vollendung des Menschen
ohne seine Sünde zu denken? Solche und ähnliche Fragen müssen
gestellt werden, wenn wir einander in der Hoffnung auf
die Einheit, in Christus begegnen wollen. Das dürfte auch für
die verschiedenen Beiträge zum Thema Frieden gelten. Hier
kann dies nur angedeutet werden.

Besonders erwähnt werden muß der Aufsatz des Generalsekretärs
der ORK in der CSSR, Milan Salajka (S. 69). Nach
Visser't Hoofts Schriftchen über den „Sinn des Wortes ökumenisch
'" aus dem Jahre 1954 wird hier ein ebenso gründlich erarbeiteter
eigenständiger Versuch zum gleichen Thema vorgelegt
. Man könnte es auch eine Weiterführung nennen. Freilich
ist nicht sicher, ob der jetzige Ehrenpräsident des ORK in
Genf bereit ist, die Gedanken Salajkas mitzuvollziehen. Aber
was er in der Begrifflichkeit der 50er Jahre in der missionarischen
Dimension dc"s Ökumene-Begriffs fand, wird von dem
Gelehrten aus der CSSR konsequent in den Zusammenhang
von Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit gestellt.
„Wenn die ökuinenizität nicht mehr bedeutet, als daß hier die
Einheit der Menschheit in der Einheit der Christen geglaubt,
gelebt und bekannt wird, dann ist das keine ökumenizität."
(Iwand 1958 zitiert auf S. 87) Folgerichtig hat sich ökumenizität
heute angesichts der im Sinne des Klassenkampfes gegebenen
Aufteilung der Welt zu bewähren. Die knappe Skizze
Salajkas setzt von daher eindeutige Akzente für die Arbeit des
ÖRK überhaupt und die ökumenische Bewegung in seinem
eigenen Lande und anderswo im besonderen. Das Unbehagen,
daß ökumenizität im ÖRK in Genf anders gedacht wird als
auf dem Hintergrund gesellschaftlicher Erfahrungen in den sozialistischen
Ländern, ist von manchem auch in der DDR
schon artikuliert worden. Hier ist ein Neuansatz vorgelegt, der
sehr intensiv diskutiert werden müßte, auch in Genf.

Besonders erwähnt sei schließlich noch einmal die Tatsache,
daß Kuba ein eigenes Kapitel des Buches gewidmet ist. Das ist
um so interessanter, als es schon aus Gründen der Sprache und
der Entfernung sehr schwierig ist, von der DDR aus mit Kubas
Christen in ein Gespräch zu kommen. Dabei würde man sich
wohl gegenseitig einiges zu sagen haben. Das ist den Artikeln

von Arce-Martinez anzumerken. Hier ist ein Partner der sogenannten
„dritten" Welt auf dein Plan. Wie wir als Christen
aus einer sozialistischen Gesellschaft mit den Christen dieser
südlichen Hemisphäre ökumenische Gemeinschaft haben, ist
eine der offenen Fragen, die in nächster Zeit sicher häufiger
noch als bisher zu stellen sein wird. Darum sollte man das
Kuba-Kapitel mit besonderer Aufmerksamkeit lesen.

S«i öffnet sich die Sammlung an dieser Stelle der weitergehenden
größeren ökumenischen Bewegung. Nur in diesem
Rahmen ist Diakonie, wie sie das Buch leisten will, ökumenisch.
Man kann nur wünschen, daß sich viele in das begonnene Gespräch
hineiubegeben.

Berlin Johannes Auhausen

Becker, Werner: Die ökumenische Zusammenarbeit auf regionaler
, nationaler und örtlicher Ebene, eingeleitet und kommentiert
. Von den deutschen Bischöfen approbierte Obersetzung
. Trier: Paulinus-Verlag 1976. 147 S. 8° = Nachkon-
zilare Dokumentation, 56. Kart. DM 19,80.
Mit Datum vom 22. Februar 1975 veröffentlichte das Vatikanische
Sekretariat zur Förderung der Einheil der Christen
am 7. Juli 1975 ein weiteres Dokument von ökumenischer Tragweite
: „Die ökumenische Zusammenarbeit auf regionaler, nationaler
und örtlicher Ebene". In der vorliegenden Ausgabe im
Rahmen der Reihe „Nachkonziliare Dokumentation" wird es
einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in seinem
Verständnis erschlossen. Den bewährten Gepflogenheiten
der Reihe entsprechend, wird der Text des Dokumentes in seiner
authentischen französischen Fassung geboten, parallel dazu
die approbierte deutsche Übersetzung (vom Herausgeber). Vorangestellt
ist ein ausführlicher Kommentar des Herausgebers,
der instruktiv über den Kontext unterrichtet.

Das Dokument ist hervorgegangen aus mehrjährigen Vorarbeiten
. Seit Anfang der siebziger Jahre wurde das Thema
disuktiert auf Vollversammlungen des Einheitssekretariates, auf
Konferenzen der ökumenischen Kommissionen der Bischofskon-
ferenzen wie auch in speziell eingesetzten Arbeitsgruppen. Insofern
ist es, wie im Kommentar betont wird (S. 11), ein durchaus
katholisches Dokument. Dennoch muß nicht nur sein Inhalt,
sondern auch seine Entstehung in einem größeren Rahmen gesehen
werden. Es steht im Zusammenhang mit Erwägungen im
ökumenischen Rat der Kirchen über das Verhältnis zu den
Christenräten, im Zusammenhang auch mit den inzwischen abgeschlossenen
Überlegungen in der Gemeinsamen Arbeitsgruppe
des ökumenischen Rates der Kirchen und des römischen Einheitssekretariates
über die Möglichkeiten des Beitritts der römisch
-katholischen Kirche zum ökumenischen Rat, und nicht zuletzt
muß es gelesen werden im Hinblick auf die gesamtökumenische
Situation, der verbreiteten Bildung von Christenräten in den
verschiedensten Bereichen. Die Einführung von Joh. Kardinal
Willebrands gibt einen guten Einblick in diese Zusammenhänge.

Obwohl es an dieser Stelle nicht darum gehen kann, das
Dokument als solches einer eingehenden Analyse zu unterziehen
, sei dennoch auf einiges wenige ausdrücklich hingewiesen
:

Eine Besonderheit liegt in seinem Zweck und seiner offenbaren
Zielrichtung. Während die Dokumente, die bisher vom
Einheitssekretariat herausgegeben worden sind, alle deutlich
dirigistischen Charakter tragen, z. B. das Ökumennische Direktorium
, gibt sich dieses Dokument rein deskriptiv. Kardinal
Willebrands spricht in der Einleitung von Information und
Orientierung (61), der Herausgeber W. Beeker von einer Bestandsaufnahme
(22). Daß etwas mit Gesetzeskraft gesagt werden
solle, wird ausdrücklich zurückgewiesen (61). Angesprochen
sind in erster Linie die Bischöfe als die für die örtliche Arbeit
Verantwortlichen. Diesen soll das Dokument helfen, „angesichts
einer bestimmten Situation zu entscheiden, welche Form
die ökumenische Zusammenarbeit auf der Ortsebene annehmen
soll" (ebenda).