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Ausgabe:

1978

Spalte:

683-685

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Ringshausen, Gerhard

Titel/Untertitel:

Von der Buchillustration zum Unterrichtsmedium 1978

Rezensent:

Bochinger, Erich

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Seite 1, Seite 2

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083

Theologische Lileraturzeitung 10.'!. Jahrgang 1978 Nr. 9

684

6. Gruppenprozesse — ein Ersatz für die Wirkungen des Heiligen
Geistes?

Büchlein hat über die anfangs genannten Absichten
hinaus auch eine werbende, einladende Tendenz. Welche Wir-
kungsmöglichkcilcn es hat, kann der Rezensent angesichts der
unübersichtlich gewordenen Szene nicht überschauen. Wohl
aber wünscht er sich, daß theologische Reflexionen nicht so
eiligen Geistes (wie im zweiten und dritten Teil) vor sich gehen,
wenn vom Wirken des Heiligen Geistes die Rede sein soll.

Wittenberg Hansjürgeu Siliulz

KATECHETIK UND
RELIGIONSPÄDAGOGIK

Ringshausen, Gerhard. Von der Ruchillustration zum Unter-
richtsmedium. Der Weg des Bildes in die Schule, dargestellt
am Heispiel des Religionsunterrichts. Weinheim u. Basel:
Beltz [1976]. VII, 572 S., 16 Taf. 8° = Studien und Dokumentationen
zur deutschen Bildungsgeschichtc, hrsg. vom
Deutschen Institut für Internationale Forschung, 2. Kart.
DM 35,-.

Der Vf. legt hier eine historische Untersuchung zur Mediendidaktik
vor, die erziehungswisscnschnftliche Fragestellungen
(mit sozialgeschiehtlichen, kunsthistorischen, theologie- und
philosophiegeschichtlichen Ansätzen verbindet und zu einer
Revision überkommener Vorstellungen der didaktischen Wertung
des Bildes beiträgt.

Die Problemstellung des Buches wird in einem 1. Kapitel
durch eine Skizze der heutigen Mediendiskussion gewonnen.
„Mediendidaktische Fragen bilden einen Schwerpunkt der neueren
pädagogischen Diskussion'' (4). Der Einsatz neuer technischer
Medien kann den Unterricht grundlegend verändern.
R. II. Davis postulierte: „Wenn wir einen Computer in eine
Klasse stellen, haben wir nicht die alte Klasse und einen
Computer, sondern ein völlig neues System" (4). Ist ein derart
dominierendes Eigengewicht auch bei traditionellen Unterrichtsmitteln
vorauszusetzen? Was ist ein „Unterrichtsmedium",
wenn mon den Begrif streng nimmt?

R. bezieht sich auf das Berliner Modell von Heimann und
Schulz, das den Gesamtzusammenhang der unterrichtlichcn
Vollzüge und ihrer Voraussetzungen in die didaktische Reflexion
einbezieht. Dieses Modell ist für eine kritische Didaktik hilfreich
, weil es vor einer verengten Perspektive auch bei der
Wertung einzelner Unterrichtsmedien bewahrt (vgl. 414). R.
kann in seiner breilangelegten historischen Untersuchung die
sozio-kulturellen Determinanten, die den Mediengebrauch mitbestimmen
, deutlich machen. Er konzentriert sich auf das Bild
als „elementares Medium" (10) und auf seine Bedeutung im
evang. und kath. Religionsunterricht. Hier stellt sich das Problem
in besonderer Schärfe, weil der christliche Glaube bildkritisch
eingestellt ist (llf.). Daher findet sich auch in der Religionspädagogik
die ausführlichste Diskussion über die Verwendungsmöglichkeiten
des Bildes. Die geschichtlichen Zusammenhänge
der Bildverwendung im Unterricht sind bislang
kaum untersucht, obwohl sich der Bildeinsatz bis in die Gegenwart
herein auf historische Autoritäten beruft.

Die wichtigsten Ergebnisse der historischen Analyse R.s seien
im folgenden kurz angedeutet: Die reiche Bilderwelt wurde
im Mittelalter zwar insgesamt ein Bildungsfaktor von
hoher Bedeutung, wirkte jedoch kaum in die Schule herein.
Im schulischen Unterricht ließ die Dominanz begrifflicher Inhalte
nur eine Randbedeutung des Bildes als Memorierhilfe
zu. Immerhin ist damit ein Bedeutungselement gewonnen,
das bis in die Neuzeit gültig bleibt. (17—31)

Im Jahrhundert der Reformation ist einerseits zu erkennen
, daß bebilderte Bücher (Katechismus) die Ausbreitung der
reformatorischen Gedanken wesentlich gefördert haben. Der
Vorrang des Wortes in der ref. Theologie rückte jedoch die
biblischen Erzählungen zur „Veranschaulichung" des Katechismus
in den Vordergrund. Das Bild wurde nicht zu einem
Mittel methodischer Neuansätze. (32—57)

Erstmals durch Evenius und Comeni us wurden
Bilder gezielt in den Dienst des Schulunterrichts gestellt. Das
erste Buch, in dem dies geschieht, ist die „Christliche, Gottselige
Bilder Schule" des Evenius von 1636; sie wurde zum
Vorbild des „Orbis sensuahum pictus" von Comenius (1658).
Iiier werden zum ersten Mal Bilder in die theologisch-didaktische
Gesamtstruktur der unterrichtlichen Intentionen einbezogen
. Freilich wirkte das zunächst nicht weiter. Bei den Nach*
folgern wurde das Bild wieder zum bloßen methodischen Hilfsmittel
. (59—78) Auch im Pietismus wurden die Neuansätze
kaum aufgegriffen (99).

Aus dem Jahrhundert der Aufklärung ergibt sich ein
ambivalenter Eindruck: Einerseits wandte man sich in einem
früher nicht gekannten Ausmaß dem Bilde zu (120). R. vertritt
auch gegen Döring die These, „daß bei den Philanthropen
der Mediencharakter des Bildes ansatzweise erkannt und praktiziert
wurde" (121). Aber diese Ansätze fanden keine direkte
Nachfolge. In die sokratische Methode, die einen Abstraktions-
prozeß mit begrifflichen Zielen beinhaltete, ließ sich nur das
Realienbild einordnen, nicht das erzählende, deutende biblische
Bild (137).

Mit der traditionellen Berufung auf Pestalozzi setzt
sich R. kritisch auseinander. Er weist auf, „daß gerade Pestalozzi
für die Bildbenutzung weder im Anschauungsunterricht
noch gar im Religionsunterricht die entscheidenden Anstöße
gegeben hat" (188). Die entscheidende Einführung des Bildes
in den Religionsunterricht vollzog sich vielmehr bei den Pädagogen
der Erweckungsbewegung. Für sie, wie für liberale Pädagogen
„erschien das Bild als nützliches Mittel, um die einzelne
biblische Erzählung in ihrer Faktizität dem Kinde nahe
zu bringen" (189).

Auffälligerweise wird die Diskussion des 19. Jahrhunderts
über die Einsatzmöglichkeiten des Bildes in keiner
neueren Veröffentlichung erwähnt. R. wehrt die Voraussetzung
;ib, das 20. Jh. sei durch völlig neue Problemstellungen bestimmt
, und er zeigt folgende Schwerpunkte der Diskussion
im 19. Jh. auf: daß Bilder den Kindern die Auffassung biblischer
Erzählungen erleichtern — daß sie eine affektive Beziehung
zum Lerninhalt herstellen — daß sie biblische Inhalte
interpretieren und daher die sachliche Übereinstimmung von
Text und Bild zu fordern ist (217).

In den reformpädagogischen Bewegungen
dient das Bild zur Steigerung des Erlebnisses. Das künstlerische
Bild — selbst Ausdruck religiösen Erlebens — wird zu einem
eigenständigen Bildungsgegenstand. Man befragt es auf seine
„innere Wahrheit und Echtheit" (285). Im 20. Jh. bekommen
theologische Gesichtspunkte zunehmendes Gewicht (329).

Im Schlußkapitel wird zusammenfassend die Frage nach den
vielfältigen Zusammenhängen, die bei der Verwendung des
Bildes als Unlerrichtsmedium wirksam werden können, reflektiert
. Das Bewußtsein von der Differenz bildlicher Darstellung
zu anderen Kommunikationsformen ist die Grundlage für die
Bildverwendung zu allen Zeilen. Es „verhinderte das Eindringen
des Bildes in die sprachorientierte Schule und ermöglichte
es, als sich in der Neuzeil mit dem sozio-kullurellen
Rahmen die Ansprüche an die Schule veränderten" (405). Verschiedene
Intentionen wurden bei der Bildverwendung wirksam
: die memorative Funktion bei Wiederholung, Vertiefung,
Zusammenfassung; die Bereicherung des Unterrichts vor allem
im affektiven Bereich (Enrichment); das Bild wirkt als Impuls
zu eigenen Überlegungen der Schüler, als Anreiz zur Selbsttätigkeil
; es kann einen nachhaltigen Eindruck für Denken
und Handeln vermitteln; es interpretiert und ist selbst für
unterschiedliche Inlerpretalionsintenliouen offen.

Die didaktischen Möglichkeiten des Bildeinsatzes sind nicht
durch das Bild selbst festgelegt, sie stellen sich durch das Einwirken
methodischer, inhaltlicher und didaktischer Motive
heraus (vgl. 411). Die Voraussetzungen des Unterrichts gehen
in seine Ergebnisse ein (412). Die Einsicht in den Zusammenhang
von Medium, Methode, Inhalt und Ziel muB den Bild-