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Ausgabe:

1978

Kategorie:

Psychologie, Religionspsychologie

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Neuerscheinungen

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schweren Schuldgefühlen litten, die sie häufig an den Rand der
Verzweiflung brachten und große Ängste auslösten (S. 113),
aber das Gnadenerlebnis bei Paulus und Luther kann „überhaupt
nicht zur Deckung gebracht werden" (S. 113). Luther hat
„mit seiner vermeintlichen Neuentdeckung der paulinischen
Rechtfcrügungslchre als Mitte des Evangeliums den christlichen
Glauben in seiner Struktur so verändert, daß nur noch in geringem
Maße gestaltende Kraft von ihm ausgehen konnte"
(S. 115).

Sicher ist solche stark abgekürzte Wiedergabe ungewohnter
und schockierender Gedankengänge problematisch. Es sei daher
ausdrücklich versichert, daß Fischer es versteht, Freud und
seine eigenen, darauf aufbauenden Interpretationen recht überzeugend
und um Verständnis werbend darzulegen. Aber natürlich
bleiben zwei ernsthafte Einwände bestehen. Freuds Konstruktionen
in Totem und Tabu bleiben nun einmal, wie suggestiv
und psychologisch plausibel sie auch vorgetragen werden
mögen, in der Sache, in bezug auf ihren wissenschaftlichen
Wahrheitsgehalt mehr als problematisch, und ein gleiches
gilt — wenn auch in anderer Hinsicht — von der Religionskritik
Freuds in „Die Zukunft einer Illusion", womit Fischer
sich kurz im Schlußkapitel auseinandersetzt. Es fragt sich daher
, ob eine derart radikale Reduktionsapologetik, auf die Fischers
Verfahren hinausläuft, der richtigste und zukunftsträchtigste
Weg der Auseinandersetzung mit Freuds Religionskritik
ist. Obwohl es m. E. richtig ist, daß Jesus in einem entscheidenden
Gegensalz zum Gottesglauben des zeitgenössischen Judentums
, insbesondere der Pharisäer stand, kann man dennoch
wohl weder unter historischen, noch unter sachlichen, religionsphilosophischen
Gesichtspunkten die alttestamentliche Komponente
so radikal aus dem christlichen Glaubon eliminieren.

Trotz entschiedener Kritik im Grundsätzlichen, möchte ich
jedoch nicht verschweigen, das Duch nicht nur mit großer
Spannung gelesen zu haben, sondern ihm auch Anstöße zu
ernsthaftem Nachdenken zu verdanken.

Auf Seite 128 wird der Titel von Luthers Schrift De servo
arbitrio leider auf Grund eines Druckfehlers falsch zitiert.

Berlin Hans-Hinrich Jenssen

Auchter, Thomas: Psychoanalytische Überlegungen zum Thema

Liebe (WzM 27, 1975 S. 137-150).
Benson, John E.: What is the Church to Make of Psychology?

(Dialog 13, 1971 S. 97-103).
Berk, Tjeu van den: Bonhoeffer en de dood (TijdschrTh 15, 1975

S. 158-181).

Bittner, Günther: Todestrieb als .innerer Tod' (WzM 27, 1975
S. 150-156).

Bühles, Michael: Beligion ist Projektion. Zwischen Psychologie

und Theologie (Wort und Antwort 16, 1975 S. 8-12).
Denker, Rolf: ödipus und das Böse. Uber den Ursprung des

Schuldgefühls nach der psychoanalytischen Theorie (ZW 46,

1975 S. 142-156).
Dick von, Charles W.: Logothcraphy and the Redcmptive En-

counler (Dialog 13, 1974 S. 110-114).
Domay, Erhard: Lehrt Angst leben? Notizen zur Frage, was

über das Eingeständnis der Angst hinaus möglich ist (DtPfrBl

75, 1975 S. 303-305).
Hammers, Alwin J.: Zurück zur Theologie? Nachbetrachtungen

zu einem pastoral-psychologischen Kongreß in Rüschlikon/

Schweiz (TThZ 84, 1975 S. 364-371).
Bollbrügge, Theodor: Die schützende Nähe der Mutter. Frühe

Kindheit in Erziehung und Therapie (LuMo 14, 1975 S.

263-266).

Hertz, Anselm: Aggression und Aggressionsbewältigung, über

die Voraussetzungen für eine Erziehung zur Friedfertigkeit

(Wort und Antwort 17, 1976 S. 76-82).
Homans, Peter: Psychology and Hermeneutics: An Exploration

of Basic Issues and Resources (JR 55, 1975 S. 327-347).
Hotz, Erich A.: Gott als Archetyp? Das religiöse Erleben in der

Sicht der analytischen Psychologie C. G. Jungs (ZW 46, 1975

S. 205—212).

Jappe, Gemma: Libido (WzM 27, 1975 S. 129-137).
Narr. Karl J.: Der Frühmensch: Halbtier oder Homo religio-
sus? (ZW 46, 1975 S. 193-204).

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Nida, Eugene A.: Language and Psvchology (The Bible Translator
26, 1975 S. 308-313).

Richter, Klaus: Ritualismus junger Katholiken? Anmerkungen
zur Synodenumfrage (ThGl 66, 1976 S. 196-210).

Roidan Viller, Alejandro SJ: Temperamento y fe, hoy (Revista
Agustiana de Espiridualidad 16, 1975 S. 285-354).

Schweriner, Josef: Gewissensentscheidung und partnerzentrierte
Gesprächsseelsorge (ThGl 66, 1976 S. 178-195).

Steiner, Gerhard: Erforschung und Entwicklung des menschlichen
Verhaltens — Zum Stand der Sozial- und Verhaltenswissenschaft
(Universitas 29, 1974 S. 727-733).

Tenzler, Johannes: Der imaginierte Teufel. Zum tiefenpsychologischen
Aspekt des Bösen (Bibel und Kirche 30, 1975 S.
44-50;.

Tworuschka, Udo: Was bedeutet Einsamkeit? Ausdrucksformen
eines vielschichtigen Phänomens (LuMo 13, 1974 S. 335—337).

Vangerud, Richard D.: Psychology and the Church: The Parish
as Encounter Point (Dialog 13, 1974 S. 91-96).

Wehr, Gerhard: C. G. Jungs Weg zu Christus (DtPfrBl 75, 1975
S. 460-462).

Winkler, Waller Th.: Die Psychotherapie und der heutige
Strukturwandel der psychiatrischen Institutionen (Universitas
30, 1975 S. 799-806).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Rahner, Karl: Schriften zur Theologie. Bd. XII: Theologie aus
Erfahrung des Geistes. Bcarb. v. Karl H. Neufeld. Zürich—
Einsiedeln-Köln: Benziger [1975]. 622 S. Lw. DM 49,-.
R.s Aufsatzband erschien zu einer Zeit, in der allgemein die
Theologie intensiv nach dem Heiligen Geist fragte (vgl. z. B.
Hollen weger, Moltmann). Auch R. mühte sich immer wieder
um „Die Frage nach dem Heiligen Geist und seinem Wirken
in Kirche und Theologie" (7). Obwohl Kirche und Theologie
aus der Erfahrung des Geistes und von seinem Wirken her
leben, war doch dieser Gesichtspunkt zeitweilig in den Hintergrund
getreten.

R. selbst möchte „ein Theologe sein und eigentlich sonst
nichts" (599). Aber er ist sich dessen bewußt, daß er weitergehende
Aussagen wagen muß, wenn er sich um das Heil des
Menschen bekümmert. „Was heute eigentlich gesagt sein will,
das läßt sich gar nicht mehr mit wissenschaftlicher Exaktheit
und Durchreflektierthcit sagen." (602) Das Wesentliche des
Menschseins läßt sich wissenschaftlich nicht verrechnen oder
mich nur zureichend beschreiben; diese Erkenntnis verbindet
R. z. B. mit Heidegger und Schwarzwäller.

Diese Zeit ist gekennzeichnet dadurch, daß Christenheit und
Kirche zu einer „kognitiven Minderheit" (Peter Berger, 19)
geworden ist (514ff.). Ein Pluralismus von Erkenntnissen und
Möglichkeiten hat sich aufgetan. Wir befinden uns in einer
„gnoseologischen Konkupiszenzsituation" (102), in einer Situation
, die auf Mehrung und Verbreiterung des Wissens und der
Erkenntnis ausgeht. Daraus läßt sich freilich kein System mehr
bauen, zu vielfältig, zu disparal sind die Methoden und Ergebnisse
. Nicht einmal mehr eine Summe des Christlichen ist
heute noch möglich. „Das ändert aber nichts daran, daß die
eine Wahrheit das ursprünliche Ergebnis des Geistes ist und
zwar als das Geheimnis, das als ein solches und bleibendes
aufgeht und von sich her den Menschen in seiner ursprünglichen
Wahrheitshabe konstituiert." (298) Trotz der Mannigfaltigkeit
menschlichen Wissens und Erkennens hält B. an
der einen Wahrheit fest, wenn Menschen ihr auch immer nur
nachstreben, sie nie ganz haben können. Der Mensch empfängt
die Wahrheit, die ihn konstituiert, als freie Gabe des Geistes;
„der ,deus absconditus' ist als solcher die ursprüngliche Wahrheit
des Menschen" (298). Auf diese Weise bleibt „eine richtige
,theologia gloriae' (. . .) immer noch Theologie des ,deus
absconditus'" (305).

So bleibt Gott das „unbegreifliche" und „unumgreifbare Geheimnis
" (30, 94, 196, 287ff. u. ö.), in das der Mensch sich
lassen kann, „so daß der Vollzug der Freiheit im ursprünglichen
Sinn unweigerlich ein Ja oder Nein zu Gott ist" (92).

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 9