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1978

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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sclf-denial and the new rcgenerate life"), g) an der Soteriolo-
gie (259: „Christ is also reconsiler and even example, but most
of all he is sanctifier"), h) am Offenbarungsverständnis (201:
,.K. clcarly continued to affirm that scripture alone is the
source and criterion of theological truth"), i) an der Lehre vom
Gesetz (282: „K. thought the proper understanding of Christian
freedom perlained not primarily to the Christian's freedom
apropos laws, but rather to the regenerate man's ability to
obey them"), j) an der Ekklesiologie (Kirche als Gemeinde der
Wiedergeborenen, Ausschluß jedoch nur aus Lehrgründen) und
k) am Sakramentsverständnis (Taufe und Abendmahl als Zeichen
der Wiedergeburt, deshalb Verwerfung der Kindertaufe
und der Realpräsenz). S. nimmt abschließend noch einmal zu
vier traditionellen Verdächtigungen Stellung: 1. K. lehrte keine
Werkgerechtigkeit. 2. Trotz spiritualistiseher Züge kann K. nicht
als schriftloser Spiritualisl bezeichnet werden. 3. K. vertrat
keinen „entirely wooden Puritan legalism", sondern er „was a
lcgalist in the sense that he found congenial the notion oft the
normative role of Old and iVew Testament law in the life of
the Christian" (300). 4. Der starke Mystikeinfluß berechtigt
dennoch nicht, K. einfach zum Mystiker zu stempeln. Die Unterschiede
zur Mystik (keine Übernahme der Auffassung von
der Sündhaftigkeit der Schöpfung an sich und der essentiellen
unio) sind gravierender als die Übereinstimmungen. Da K. die
mystische Begrifflichkeit verwendete, ohne die reformatorischen
Grandeinsichten aufzugeben, möchte S. am liebsten von einer
Protestantisierung der Mystik durch K. sprechen. Die besondere
Akzentuierung der Wiedergeburt durch K. sieht S. letztlich
in einer Rückkehr zum Augustinianismus begründet. K.
gab dabei allerdings nicht wieder auf, was er von Luthers
ßünden- und Rechtfertigungsverständnis gelernt hatte. S.
schließt mit der Feststellung, „that K. knew. as Luther did not,
what it means to begin with a petty, intensely egocentric
Personality wliich hadly needs God's regenerating grace. Thus
his Orlamünde theology represented a response not only to
Luther, but also to himself" (303). S.s Buch enthält noch den
Abdruck eines Schreibens Hans von Taubenheims (2. Oktober
1524) über K.s Weggang aus Orlamünde, eine Bibliographie,
sowie Namens- und Sachregister.

An S.s Arbeit beeindruckt die profunde Quellenkenntnis, der
sichere Umgang mit der teilweise schwierigen frühneuhochdeutschen
Diktion K.s und die kritische Verarbeitung der bisherigen
Forschung. An vielen Stellen kann er bisherige Ergebnisse und
Urteile korrigieren. Mit seiner z. T. geradezu minutiösen Nachzeichnung
von K.s theologischer Entwicklung, ist S.s Buch sicher
ein Markstein in der K.forschung. An einigen wichtigen
Punkten der Darstellung hat S. allerdings die Zusammenhänge
wohl etwas vereinfacht interpretiert, z. B. wenn für K.s starkes
Engagement in der Laien Frage die negativen Erfahrungen mit
Gelehrten eine so große Holle spielen (82. 84. 136f.). Weiter:
Für K.s Überzeugung, daß die ordnungsgemäße Berufung letztlich
nicht entscheidend für die Verkündigung des Evangeliums
ist, sind sicher nicht allein die Wittenberger Ereignisse verantwortlich
(140). Hatten wirklich nur Luthers und K.s Schriften
ei neu großen Ändcrungswillen in Wittenberg hervorgerufen,
und reicht die Zusalzerklärung, „Students, of course, are ever
impatienl" (153), aus? Gab K. seine anfängliche vorsichtige Position
in der Witlcnberger Bewegung nur auf, weil er sich von
der Aufregung der Zeit anstecken ließ, die Wittenberger Bevölkerung
Änderungen wünschte und die Stiftsherren eine starre
Haltung einnahmen (158f.)? Und was soll die Vermutung, K.
sei viel zu sehr mit den Neuerungen beschäftigt gewesen, um
sich intensiv für die Zwickaucr Propheten zu interessieren (163
Anm. 75) ? Wird der starke Mystikeinfluß auf K. 1522/23 verstehbar
mit der Begründung: „At a time when cxtcrnal activity
viu pulpit and pen were severly restricted, they encouraged
hin) to look inward" (180)? Wie ist dann der gleichzeitige ähnliche
Mystikeinlluß auf andere reforinalorische Theologen
(Müntzer. HitoUdai u. n.) zu erklären? Handelt es 9ich bei der
unterschiedlichen Stellung Luthers und K.s zu den praktischen
Urformen tatsächlich in der Hauptsache um „two divergent
strategies" (197)? Die Unterschiede in der Geselzeslehre und in

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der Ekklesiologie (kongrcgationalistischer Zug bei K.) hat S.
hier wie auch sonst mehrfach zu wenig im Blick. Unter der
Lektüre entsteht der Eindruck, daß S. trotz ausführlicher Erörterungen
der theologischen Einflüsse den eigentlichen Motor
für K.s theologische Entwicklung in den jeweiligen Ereignissen
und praktischen Erfahrungen sieht. Darauf weist letztlich auch
die Etiketlieruug „Orlamünder Theologie" (203: „Since Orlamünde
was the locus of K.s independent refonning activity
during a major portion of these hectic years") hin. Die Wechselwirkung
von Theorie und Praxis könnte bei der Darstellung
von K.s Entwicklung deutlicher in Erscheinung treten. Eine
letzte Frage zu S.s zentraler These „Regeneration was K.s
theme" (203): Lassen sich in dem Begriff „Wiedergeburt" K.s
Absichten und Anliegen klar genug fassen? Der Rezensent gesteht
, daß ihm K.s Wiedergeburtslehre auch nach der Lektüre
von S.s Darstellung nicht genügend durchsichtig geworden ist.
Die Ursache mag mit bei K. selber liegen. Einigen Anteil
daran hat sicher auch die traditionelle Unscharfe des Begriffes
„Wiedergeburt", die S. zu wenig bedacht hat. Bezeichnenderweise
verwendet er die Begriffe regeneration, rebirth, inner
renewal und sanetiiieation unreflektiert und auch synonym.
Ein störender Schönheitsfehler ist die Ordnung der Quellenausgaben
im Literaturverzeichnis teils nach Autoren, teils nach
Herausgebern. Druckfehler: July 1 and 3 (78); Orr... 1953 (310).

Krummenhennersdorf Siegfried Brfiuer

Brecht, Martin: Die gemeinsame Politik der Reichsstädte und
die Reformation (ZSavRGkan 94, 1977 S. 180-263).

Gäbler, Ulrich: Huldrych Zwingiis Lektüre von Martin Luthers
„Sermon von dem Sakrament des Leibes und Blutes Christi,
wider die Schwarmgeister", 1526 (Zwingliana XIV, 1977/1
S. 370-379).

Meyer, Helmut: Krisenmanagement in Zürich nach dem Zweiten
Kappeler Krieg (Zwingliana XIV, 1977/1 S. 349-369).

Rose, Martin: „Konrad Pellikans Wirken in Zürich 1526—1556."
Bemerkungen zur Einschätzung eines Lebenswerkes (Zwingliana
XIV, 1977/1 S. 380-386).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Hey, Bernd: Die Kirchenprovinz Westfalen 1933—1945. Bielefeld
: Luther Verlag 1974. 398 S. gr. 8° = Beitrüge zur Westfälischen
Kirchengeschichte (N. F. der Beihefte zum Jahrbuch
für Westfälische Kirchengeschichte). Im Auftrag des
Lanileskirchenamles der Evang. Kirche von Westfalen u. d.
Vereins für Westfälische Kirchcngeschichte hrsg. v. E. Brinkmann
, W. Kohl, O. Ruhbach, II. Steinberg u. R. Stupperich,
2. DM 34,-.

Im Bahmen der territorialgeschiehtlichcn Erforschung des
evangelischen Kirchcnkampfes im Dritten Reich kommt dieser
im Wintersemester 1973/74 von der Philosophischen Fakultät
der Universität Münster angenommenen historischen Promo-
tinusschrifl (Betreuer: Prot. Dr. Heinz Gollwitzer) erhebliche
wissenschaftliche Bedeutung zu. Der Vf weist im Vorwort
darauf hin, daß die Dissertation „überwiegend aus umfangreichen
Quellenstudien in zahlreichen kirchlichen und staatlichen
Archiven entstanden" ist, da „— abgesehen von den
Büchern von Pfr. i. R. D. Wilhelm Niemöller — wenig Sekundärliteratur
zum Thema dieser Arbeit vorlag" (5). Das detaillierte
Quellcnverzeichnis (371ff.) bestätigt das intensive Quellenstudium
im Blick auf die herangezogenen umfangreichen Archivalien
und zeigt — wie auch der Anmerkungsapparat der Arbeil
erkennen läßt —, daß auch gedruckte Quellen sowie eine
erhebliche Anzahl Literalurlitel nicht nur genannt, sondern
gründlich ausgewertet worden sind. Selbst wo die Quellenlage,
so bei den westfälischen Deutschen Christen, zumal in organi-

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 9