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Ausgabe:

1978

Spalte:

647-648

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wolff, Hans Walter

Titel/Untertitel:

Studien zum Jonabuch 1978

Rezensent:

Conrad, Joachim

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Seite 1

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nicht beachtet. Der Wcltschöpfer hat es primär mit der ganzen
Welt, nicht nur mit Israel zu tun. So führt die Arbeit in der
neuentfachten Diskussion über die Bedeutung der Schöpfung
im Alten Testament nicht weiter.

Auch viele exegetische Thesen und Entscheidungen des Vfs.
sind einfach fragwürdig, weil sie nur von einigen zufälligen Belegen
und nicht vom Gesamtzusammenhang der Gattung, in
die sie gehören, begründet werden. Man kann die Frage, ob Ps.
74 und 89 Fiirbiltgebete einzelner sind, nur von der Gattung
der Klage des Volkes insgesamt (vgl. Ps 44.5) entscheiden. Ärgerlich
ist ein verwirrender Gebrauch formgeschichtlicher Terminologie
[die Hymnen werden plötzlich als Liturgien bezeichnet
(S. 77), der imp. Aufruf zum Lob wird mit dem Aufruf zum
Vertrauen Ps 115,9ff. gleichgesetzt (S. 85) und schließlich als
Aufruf zur Abrenunation (!) gedeutet, S. 110]. Manchmal macht
das Buch einen unfertigen Kindruck, gerade erst aufgestellte
Thesen werden auf der gleichen Seile schon wieder korrigiert
(S. 40f.), manchmal sind die Argumente des Vfs. einfach falsch
(S. 10 Anm. 85: Gen 24,22 steht nicht wie Ps 33,22 und vom
Vf. behauptet jehi, sondern wajjehi).

So muß mein Gesamturteil lauten: leider kein weitführendes
, leider ein unbefriedigendes Buch zu diesem wichtigen
Thema.

Sandhausen über Heidelberg Rainer Albertz

Wolff, Hans Walter: Studien zum Jonabuch. 2., durchgesehene
Aufl. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins
[1975]. 132 S. 8°.

Die hier anzuzeigende Arbeit ist aus den Vorbereitungen zu
drei Bibelarbeiten, die der Vf. auf dem Kölner Kirchentag 1965
gehalten hat, erwachsen und bildet zugleich eine Vorarbeit für
die im Rahmen des Neukirchener Biblischen Kommentars vorgesehene
Kommentierung durch den Vf. Die erste Auflage erschien
bereits 1965 als Heft 47 in der Reihe „Biblische Studien".
Für die Neuauflage wurden lediglich einige Druckfehler korrigiert
und die Literaturangaben auf S. 127f. ergänzt.

Die eigentliche Untersuchung des Jonabuches ist in sieben
Abschnitte gegliedert: I. Die Vorgeschichte des Erzählungsstoffes
(S. 12—28), II. Die Jonaerzählung als sprachliches Kunstwerk
(S. 29—58), III. Das literarische Wachstum des Jonabuches
(S. 59—65), IV. Zeit und Motive der Entstehung des Buches
(S. 66—71), V. Welchen Leser wünscht sich der Novellist?
(S. 72—76), VI. Absicht und theologische Bedeutung der Novelle
(S. 77-83), VII. Übersetzung des Textes (S. 84-89). Den
Schwerpunkt bilden, schon rein umfangmäßig, die Abschnitte
I und II. Im ersten gibt der Vf. einen Überblick über die
Stoffe und Motive israelitischer sowie außerisraelitischer Her-
kuuft, die der Darstellung vorgegeben sind bzw. hinzugezogen
wurden. Im zweiten Abschnitt untersucht er Aufbau und literarische
Gestaltung. In seiner vorliegenden Form ist das Jonabuch
eine Novelle mit lehrhaftem Charakter, die daher sachgemäß
als Midrasch bezeichnet werden kann. Die wichtigsten
Gestaltungsmittel sind syntaktische Strukturen und Leitworte
(als letztere dienen vor allem „böse" und „groß"), die zeitliche
Überschneidung der einzelnen Szenen und das Nachholen früherer
Vorgänge (1,5b; 2,1; 3,6—9; 4,5) sowie die Hervorhebung
zeichenhafter Größen (Embleme, z. B. Ninive als Verkörperung
von Bosheit und Größe). Aus den folgenden kürzeren Abschnitten
ist hervorzuheben, daß das Buch zwischen 400 und 200
v. Chr. entstanden ist und mit der Gestalt des Jona ganz Israel
meint, dem es den Vorwurf macht, es sei zu sehr mit sich
selbst beschäftigt und befinde sich damit auf der Flucht vor
seinem Gott. Es setzt bereits eine kanonische Geltung der Tora
voraus (vgl. das Zitat von Ex 34,6 in 4,2), ist aber durch prophetische
Traditionen bestimmt und richtet sich gegen jede
introvertierte Toragenügsamkeit. Möglicherweise wendet sich
sein Verfasser an eschatologische Kreise, die dem eigenen Volk
zwar kritisch gegenüberstehen, aber Gottes Barmherzigkeit letztlich
doch nur auf dieses bezogen wissen wollen. Sekundäres
literarisches Wachstum hegt lediglich in l,8aß und 2,3—10
vor.

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Eine wertvolle Ergänzung der Untersuchungen sind die anfangs
erwähnten Bibelarbeiten, die in den Abschnitten VTII—X
im Wortlaut abgedruckt sind (S. 90—126). Ein Literaturverzeichnis
, ein Namens- und Sachregister sowie ein Stellenregister
bilden den Abschluß (S. 127-132).

Die Arbeit hat bereits in ihrer ersten Auflage eine breite
Resonanz gefunden. Für die Forschung weiterführend sind vor
allem die Ausführungen im zweiten Abschnitt, in denen der
Vf. Einsichten und Methoden der modernen Stilistik eingebracht
und damit das Gesamtversländuis des Buches wesentlich
gefördert hat. Die hier gewonnenen Ergebnisse hat er auch in
den drei Bibelarbeiten in überzeugender und verständlicher
Weise fruchtbar zu machen gewußt Die Neuauflage ist daher
sehr zu begrüßen. Wenn sie volle zehn Jahre später nahezu
unverändert erscheinen konnte, so ist dies ein sinnfälliges Zeichen
für die Bedeutung der Arbeit und für die Aktualität, die
sie für die weitere Erforschung des Jonabuches behalten hat.

Leipzig Joachim Conrad

Mosis, Rudolf: Untersuchungen zur Theologie des chronistischen

Geschichtswerkes. Freiburg—Basel—Wien: Herde» [1973].

248 S. gr. 8° = Freiburger theologische Studien, hrsg. v. J.

Vincke, A. Deissler, H. Riedlinger, 92. Kart. DM 40,-.

Wenn ein Buch fünf Jahre nach seinem Erscheinen noch eine
Besprechung erfährt — der Rezensent hat diese Aufgabe erst
vor wenigen Monaten von einem erkrankten Kollegen übernommen
—, so darf man annehmen, daß dieser Arbeit bzw.
ihrem Thema größere Bedeutung zukommt. In der Tat hat in
den letzten 10 Jahren gerade das Chronistische Geschichtswerk
(= Chr) versiärkt Aufmerksamkeit erfahren, und in dem Kreis
der einschlägigen Publikationen nimmt die orliegende Monographie
zweifellos einen gewichtigen Platz ein.

Als Habilitationsschrift im Sommer 1972 von der Katholisch-
theologischen Fakultät der Universität Freiburg i Br. angenommen
, hat sich das Buch das Ziel gesetzt zu untersuchen, „ob die
Anrede der eigenen Gegenwart, die das chr Geschichtswerk ohne
Zweifel beabsichtigt, dieser Gegenwart die Dimension der Zukunft
so völlig streitig macht, wie das gemeinhin angenommen
wird" und „ob in den negativ beurteilten Abschnitten der Königsgeschichte
und insbesondere im chr Saulkapitel die Herkunft
der nachexilischen Gemeinde aus der Katastrophe des
Exils und damit diese Exilszeit selbst nicht eine gewichtigere
Stelle im Geschichtsbewußtsein des Chr einnimmt, als dies die
herkömmliche Auslegung zugeben kann" (S. 16). So geht es dem
Vf. mit seiner Arbeit letztlich um den Nachweis, daß das Chr
„doch auch die Vergangenheit und die Zukunft als konstitutive
und wesentliche Faktoren der eigenen Gegenwart kennt" (S. 16).
Das Chr will also nach seiner Auffassung die vergangene Geschichte
nicht einfach nur abbilden oder ein vorgegebenes Bild
dieser Vergangenheit korrigieren oder andererseits die eigene
Gegenwart nur rechtfertigen; vielmehr verfolge das Chr das Ziel,
die bestimmenden Faktoren und die hintergründigen Elemente
der israelitischen Geschichte in vielfach stark typisierten Erzählungen
aufzuzeigen, wobei der Darstellung weithin eine stark
paränetische Tendenz zueigen sei.

Für diese Sicht des Chr ist die Erkenntnis eines deutlichen
Unterschieds zwischen dem Saulkapitel (1 Chr 10) sowie der
Davidgeschichte und der Salomogeschichte von ausschlaggebender
Bedeutung. Wird die Davidgeschichte dabei als eine ideale
Vorausdarstellung der Gegenwart des Chr verslanden, so sieht
der Vf. in der Salomogeschichte das Bild einer noch ausstehenden
, erst für die Zukunft erhofften Vollendung gezeichnet. Somit
ergibt sich ihm für das Chr eine deutliche „eschatologische"
Erwartung.

Das Buch imponiert durch seinen Mut, dem Verständnis des
Chr einen neuen Weg zu weisen und die Zielstrebigkeit, mit der
dieser Weg verfolgt wird. Dennoch ergeben sich zum Verständnis
der David- und der Salomogeschichte sowie zu Einzelaussagen
bei den nachsalomonischen Königen zahlreiche kritische

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 9