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Ausgabe:

1978

Spalte:

642-644

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Arapura, John G.

Titel/Untertitel:

Religion as anxiety and tranquillity 1978

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung

103. Jahrgang 1978 Nr. 9

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sichert an, daß viele Slamniesreligionen auf Grund des Einwir-
kens mehrerer Faktoren (Einilnßnahme der Hochreligionen;
Maßnahmen der Kolonialverwallung und der nachkolonialen
Nationalstaaten; Kriegscreignisse) „wahrscheinlich nicht einmal
ah Aberglauben mehr weiterleben können".

Gernot Prunner, Leiter der Abteilung Süd- und Ostasien
am Museuni für Völkerkunde in Hamburg, befaßt sich mit den
Religionen der nicht-chinesischen Minderheiten des südlichen
China (131—246). Wie der Vf. selbst ausdrücklich vermerkt,
werden von ihm keine neuen Forschungsergebnisse gebracht,
sondern eine dem gegenwärtigen Forschungsstand entsprechende
Ubersicht über die religiösen Vorstellungen von vier nach
sprachlichen Gesichtspunkten unterschiedlichen Völkergruppen:
Minoritäten mit 1. tibeto-buimanisehen, 2. daischcn, 3. Miao-
und Yao-Sprachen und 4. eine Minderheit, die zum Mon-Khmer,
Zweig der austro-asiatischen Sprachfamilie, gerechnet wird. Da
der Stand der Erforschung der einzelnen Minoritäten sowie der
einzelnen Religionssachbereiche außerordentlich verschieden ist,
konnte eine gleichmäßige Behandlung der einzelnen religiösen
Phänomene nicht erfolgen. Eine ausführliche Darstellung
derselben war deshalb nur bei der einen oder anderen besser bekannten
Gruppe (z. B. Lolo, Nakhi, Ch'iang, Miao, Yao und Wa)
möglich. Eine weitere Schwierigkeit der Darstellung hegt in der
Tatsache begründet, daß die nichtchinesischen Minderheiten
einer unterschiedlichen Beeinflussung hauptsächlich durch die
chinesische Volksreligion und den Buddhismus ausgesetzt waren,
so daß sie sich in einem recht unterschiedlichen Grad der Reinheit
erhalten haben. Ähnlich wie bei Höfer wird der Stoff systematisch
aufgegliedert (hauptsächlich in: Schöpfung und Urzeit,
die höheren Wesen, Priester, Tod und Jenseits). Als ein den
meisten Völkern gemeinsames Gedankengut werden die Sonnenschuß
- und Sintßutmythe sowie der Mythos von dem Inzest des
Urelternpaares. der Glaube an Geister, die Zweiteilung des Priesleramtes
in einen Opferpriester und einen Exorzisten, der
Glaube an eine oder mehrere Seelen, die den Menschen beim
Tod verlassen und ihn im Falle der rituellen Vernachlässigung
durch die Hinterbliebenen als Dämonen Schaden zufügen, und
die Wahl einer vom normalen Brauch abweichenden Bestattungsform
für Menschen, die eines außergewöhnlichen Todes gestorben
sind, herausgebteilt. Als ein Fremdkörper unter den
nicht-chinesischen Völkern Südchinas wird die Religion der Wa
bezeichnet, die mit ihrer Vorstellung von der magischen Kraft
des Kopfes und des Hintes sowie mit dem Kult der hl. Trommeln
eher Beziehungen zu Assam, Indonesien oder Melanesien
aufweist. Hei manchen noch offenbleibenden Fragen hält Prunner
es für sicher, daß infolge der zunehmenden politischen und
kulturellen Beeinflussung seitens der Chinesen der Zeitpunkt
vorauszusehen ist, an dem zumindest die zahlenmäßig kleineren
(■inppen in der modernen chinesischen Zivilisation aufgegangen
sein werden.

Erika K a n e k o , Archäologin und Ethnologin in Kamakura
(Japan), beschreibt die Religionen der bodenbebauenden Altvölker
Taiwans (259—290), die zunächst infolge planmäßig
durchgeführter Isolierung (Reservationssystem), dann durch
Unterwanderung seitens chinesischer Siedler und durch enge
KuIturkontakte mit Hochreligionen (Bekehrung zum Christentum
) einem unaufhaltsamen Verfall preisgegeben waren, so daß
heute die beschriebenen religiösen Phänomene von den Eingeborenen
radikal aus dem Gedächtnis gestrichen werden und insofern
fast ausnahmslos der Vergangenheit angehören. Auf Grund
kultureller, linguistischer und ethnohistorischer Kriterien werden
diese Altvölker Taiwans in folgende Gruppen eingeteilt:
1. Ataynl, 2. Saisiat, 3. Bunun, 4. Tsou, 5. Paiwan, 6. Puyuma,
7. Amis und 8. Yaini und dieser Gliederung entsprechend auch
behandelt. Fragmentarisch bleibt die Darstellung insofern, als
von den einzelnen Allvölkcrn immer nur ein einziger Teilaspekt
(z. B. Seelen- und Jciispilsvorstrllungen bei den Atayal, Kopf-
j.'igd bei den Saisiat, Festkalender bei den Bunun) beschrieben
wird. Eine Zusammenfassung, die das Wesentliche und allen
Altvölkern Taiwans Gemeinsame herausarbeitet, gleicht diesen
Mangel aus.

I.ouis B e z a c i e r, einer der bedeutendsten Vietnamforscher,
Mitglied der Ecole Francaise cTExtreme Orient und Inspektor
des Service Arehi'ologiqnc in Vietnam, liefert einen Beitrag zu

den Glaubensvorstellungen der vietnamesischen Völker (291 bis
382). Das Manuskript des bereits 1966 verstorbenen Gelehrten
wurde von Dr. Käthe Neumann aus dem Französischen ins
Deutsche übertragen und von G. Prunner bearbeitet und um
einige Abschnitte, die die jüngste Geschichte des vietnamesischen
Buddhismus, die Höa-hao-Scktr und den Caodaismus betreffen,
erweitert. Dieser Beitrag darf als die erste gute Gesamtdarstellung
der unter starkem chinesischen Einfluß stehenden vietnamesischen
Religion bezeichnet werden, zumal er ihrer charakteristischen
Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit vollauf gerecht
wird. Er umfaßt in erster Linie die wechselvolle Geschichte der
drei im 2. Jh. n. Chr. aus der Fremde eindringenden und sich
gegenseitig beeinflussenden Hauptreligionen: Buddhismus, Taois-
mui und Konfuzianismus sowie den geschichtslosen volkstümlichen
Geister- und Ahnenkult, der die eigentliche Religion des
vietnamesischen Volkes bildet. Der Leser wird es sehr begrüßen,
in einer kurzen und prägnanten Darstellung einen — wenn
auch wegen der Vernachlässigung dieses Forschungsgegenstandes
und wegen der Ereignisse während des Vietnamkrieges lückenhaften
— Überblick über die jüngste der vietnamesischen
Religionen, den Caodaismus (1926 offiziell proklamiert), zu
erhalten, der ein Konglomerat aus Buddhismus, Taoismus,
Konfuzianismus, kath. Christentum, Geisterglauben und spiritistischen
Praktiken ist und sich die Verschmelzung der Glau-
bensweisen Indochinas zu einer neuen Universalreligion zum
Ziel gesetzt hat. Schließlich ist der zweite Teil dieses Beitrages
einigen immer noch wenig bekannten Stämmen Nordvietnams
wie den Muöng, Thai, Man und Meo gewidmet, die aus dem
Süden Chinas engewandert sind und eine gewisse Gleichartigkeit
untereinander zeigen.

Manuel Sarkisyanz, o. Professor am Südasien-Institut
der Universität Heidelberg, gibt abschließend einen umfassenden
Beitrag zu den Religionen Kambodschas, Birmas, Laos', Thailands
uud Malaysias (383 -560;. Der Vf. stellt in großer Sachkenntnis
die historische Entwicklung der Indisierung Südostasiens
dar, wobei der Buddhismus als die Religion der großen
Mehrheit und Birma (Zentrum des Theravuda-Buddhismus) als
Hauptinteressengebiet des Vfs. besondere Bedeutung finden.
Vor allen Dingen wird derjenige Leser auf seine Kosten kommen
, der gern über den neuesten Stand der religionsgeschichtlichen
Entwicklung, insbesondere über den Buddhismus und
seine politischen Auswirkungen auf der indochinesischen Halbinsel
, informiert werden möchte. Da der Buddhismus in der
Ijaienbevölkerung Hintcrindiens jedoch nirgendwo die alleinige
Religion geworden ist, kommen in diesem Artikel auch die
animislischen Vorstellungen und Kulte in den einzelnen Ländern
, vor allem der (Geister)-iNat Glaube der Birmanen, rei<h-
lich zu Wort.

Betrachtet man das Gesamtwerk, so regen sich hinsichtlich
der vorgenommenen Aufgliederung der Religionen nach regionalen
Gesichtspunkten von Anfang an gewisse Bedenken, die
durch den von Sarkisyanz auf S. 388 gegebenen Hinweis, daß
animisüsch gebliebene Bergstämme in allen Staaten Hinterindiens
leben, „deren Religionen anderswo in diesem Band behandelt
worden sind" (vgl. z. B. S. 35ff.; 226ff.) bestätigt werden
. Störend mag auch die uneinheitliche Behandlung des Stoffes
einmal nach vorwiegend systematischen, andermal wiederum
nach vorwiegend historischen Gesichtspunkten empfunden werden
. Alles in allem betrachtet, reiht sich das Werk — einschließlich
der den einzelnen Beiträgen beigefügten Transkriptions-
und Aussprachehinweise, Literatur- und Abkürzungsverzeichnisse
— als eine hohe wissenschaftliche Leistung den anderen
bereits erschienenen Bünden dieser religionswissenschaftliehen
Reihe würdig ein.

Jena Theodor Lohmano

Arapnra, .1. G.: Religion as Anxiety and Tranquillity. An Essay
in Compaiative Plienomenology of the Spirit. Paris—The
llague: Mouton [19721. VIII, 146 S. 8° = Religion and
Heason. Method and Theory in the Study and Interpretation
of Religion, ed. by J. Waardenburg, 5. Lw. hfl. 19,—.
Der Autor erläutert sein Anliegen in einer aufschlußreichen

Einleitung (1—9). Der Untertitel signalisiert, worum es in die-