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Ausgabe:

1978

Spalte:

639-640

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Wilson, Bryan R.

Titel/Untertitel:

Contemporary transformations of religion 1978

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Seite 1

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63!»

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 9

640

Aufschlußreich sind auch die Ausfuhrungen darüber, daß die
oft angesprochenen sog. Menschenrechte, Gewissensfreiheit und
Pressefreiheit, überhaupt die Bruder- und Menschenliebe nicht
von den großen Religionsgemeinschaften entfaltet worden sind,
obwohl sie aufgrund ihrer Lehren besonders dazu berufen ge-
wesen wären, sondern von Kei/ern, Häretikern und den Sekten
.

Kap. V „Volksreligion und Universalrehgion" (141 — 170) und
Kap. VI „Religion und Christentum" (171—200) setzen die Ge-
dankenführung mit treffenden und geistvollen Darstellungen
fort.

Kap. Vll „Die Zukunft der Religion" (201-228) läßt uns
dann noch einmal die religiösen Probleme der Gegenwart in
ihrer Vielschichtigkeit erkennen. Hochgespielleu religiösen Mas-
lenphänomenen gegenüber ist der Vf. sehr vorsichtig: „Sie
signalisieren die allgemeine Sinn- und Identitülskrise der spät-
bürgerlichen Gesellschaft, sind primär Krankheitssymptome
ohne Signifikanz für die Zukunft der Religion" (216). Aber
auch von einem neuen Interesse an Mystik und Meditation
großer Iteligionen des Ostens ist wenig zu erwarten, wenn die
Spiritualiläl aus ihrer gewachsenen Umwelt herausgerissen, nur
privater Natur bleibt und keine Ubersetzung in gesellschaftlich
wirksame Symbolformen erfährt. „Neue Perspektiven aber
könnten sich ergeben, wenn die kontemplativen Traditionen
des Ostens in einem ,Wellgespräch der Religionen' auf ihre Erfahrungen
hin befragt würden und in einem kollektiven Lernprozeß
den westlichen Religionen, zumal dem Christentum,
Möglichkeilen vertiefter Selbsterfahrung und meditativer Frömmigkeit
erschlössen" (217).

Die hieraus entwickelten religionspädagogischen Konsequenzen
können hier leider nur angedeutet werden. Sie sind so
überzeugend entwickelt und geradezu programmatisch gestaltet
(221—27), daß sie als einer der Höhepunkte des Buches einer
gesonderten Untersuchung wert wären. „Zu entwickeln wäre
eine Religionspädagogik, die sich wissenschaflstbeoretisch (zumindest
: auch) innerhalb der Rebgionswissenschaften plaziert
und von dorther eine Bildungskonzeption vermittelt, die offene
Lernprozesse zwischen den Kulturen und Religionen der Welt
gestattet" (226).

Ein wissenschaftlicher Apparat und sorgfältige Literaturangaben
ermöglichen eine wissenschaftliche Nacharbeit auch
für den, dem die Differenziertheit und Aktualität des Problemkreises
Religion in seiner Weitscbichtigkeit so gar nicht deul-
bch war.

Greifswald Günther Kelinscherper

Wilson, Bryan: Conlemporary Transformations of Religion.
The Riddell Memorial Lectures Forty-fiflh Series delivered at
the University of Neweastle upon Tyne on 2, 3, 4 December
.1974. London—Oxford—New York: Oxford University Press
1976.XI, 116 S. 8° = University of Neweastle upon Tyne
Publication. Lw. £ 2,95.

Das schmale, aber gehaltvolle Buch enthält drei Vorlesungen
über folgende Themen: religiöser Verfall im Zuge der Säkularisierung
; neue religiöse Bewegungen im Westen und in der Dritten
Welt; soziale Tendenzen in den neuen Kulten des Westens.

Dem Buch fehlt m. E. systematische Klarheit, so daß eine
Fülle von Themen bunt durcheinander angeschnitten wird, die
sich oft überschneiden.

Der Vf. geht von der Uberzeugung aus, daß im Westen ein
allgemeiner Rückgang der Religion, also vornehmlich der Kirche
und des Christentums festzustellen sei. Die Orientierung des
modernen Menschen richte sich auf die Zukunft und ihre Gestaltung
, und diese Haltung zerstöre die traditionelle Rolle der Religion
, die sich auf die Vergangenheit beziehe, so daß Religion
und Kirche wesentlich konservativ und restaurativ seien. Für
den medernen Menschen, der rationalistisch orientiert sei, erscheine
der traditionelle Glaube schwierig wegen des Gegensatzes
der Postulat« von Religion und Kirche einerseits und der
Bedürfnisse des gegenwärtigen Menschen andererseits. So konstatiert
denn der Vf. fundamentale Wandlungen des Gottesglaubens
in England, aber auch in der übrigen westbeben Welt.
So habe sich z. B. der Begriff der Sünde grundlegend geändert;
denn was vor kurzem noch als Sünde galt (Geburtenkontrolle,
Familienplanung, Ehescheidung in Italien), wich modernen Anschauungen
. Das gilt auch für die katholische Kirche, in der
sowohl moderne Kritik an der Tradition als auch Kritik an den
Kritikern, die sich im 2. Vatikanischen Konzil durchgesetzt
haben, zu beobachten sei.

In der zweiten Vorlesung behandelt der Vf. neue religiöse Bewegungen
im Wetten und in der Dritten Well: Sekten wie die
Mormonen, die l'llingstbewegung, die Zeugen Jehovas zeigen
synkretische Wege der Erlösung. Ausführlich wird die Kim-
bangu-Kirche in Zaire behandelt, die dem Verlangen nach einem
schwarzen Erlöser entspräche. Auch die Krishna-Bewegung, die
1966 begründet wurde, gehört in den hier besprochenen Kreis
neuer religiöser Bewegungen außerhalb der Kirche.

Die dritte V orlcsung behandelt die sozialen Konsequenzen
des religiösen Wandels bzw. die christbcheu Reaktionen auf die
Säkularisierung und die durch die bewirkte Zerstörung alter
religiöser Formen.

Bonn Gustav Mensdiing

Höfer, Andräs. Prunner, Gernot. Kaneko, Krika, Bezacier,
Louisf, u. Manuel Sarkisyanz: Die Religionen Südostasiens.
Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer [1975].XI,578S.
gr. 8° = Die Religionen der Menschheit, hrsg. v. Ch. M.
Schröder, 23. Lw. DM 110,-.

Mit Freude und Dankbarkeil nehmen wir das Erscheinen des
23. Bandes aus der von Christel Matthias Schröder herausgegebenen
Reihe ,Die Rebgionen der Menschheit' zur Kenntnis.

Andräs H ö f e r, Wissenschaftbcher Assistent am Südost-
asien-lnstitut der Universität Heidelberg, stellt in seinem dem
Andenken Robert Heine-Gelderns gewidmeten Beitrag die Religionen
der asiatischen Negrito sowie der Stammesgruppen Hinterindiens
dar (1—130). Durch die nach regionalen Gesichtspunkten
vorgenommene Gliederung der Negrito (hauptsächlich
Wildbeutcr) in die drei Hauptkontingente der Bewohner der
Atidamanen-Inseln, der Semang-Gruppe auf der malaiischen
Halbinsel und der Aeta auf den Philippinen sowie der Stammesgruppen
Hinterindiens hauptsächlich Schwendbauern) in die
Bergvölker Assams und der benachbarten Gebiete, die Bergvölker
von Nordbirma über Nordthailand bis nach Nordlaos und
die Besiedler der Hochlandgebietc von Südvietuam, Südlaos und
Kambodscha wird es dem Vf. mögbeh. Gemeinsamkeiten und
Unterschiede zwischen den genannten Gruppen deutbch hervorzuheben
. In Auseinandersetzung mit einer weitverzweigten und
die einzelnen Probleme alles andere als einheitlich darstellenden
Literatur wird der gesamte Stoff nach systematischen Gesichtspunkten
(Pantheon, Mythologie, Seelen- und Jenseitsglaube)
abgehandelt. Innerhalb der einzelnen Abschnitte wird der Leser
mit dem Hochgottglauben, dem Wesen der höheren und niederen
Geister, der Entstehung von Erde, Pflanzen, Tieren und
Menschen, dem Hereinbrechen frühzeitlicher Katastrophen
(Sintflut, Sonnenfinsternis, Krankheit, Tod) und dem Weg der
Seele ins Totenland ebenso ausführlich vertraut gemacht wie
mit dem Kult, insbesondere mit seinen rehgiösen Spezialitäten
(Schamanen, Medizinmänner, Priester, Seher, Wahrsager) und
den mannigfaltigen Riten und Praktiken (Jagd-, Agrar-, Opfer-,
Initiations-, Beslattungs- und Totenriten usw.), wobei dem Vf.
Hinweise auf den sozio-ökonomiseben Hintergrund als besonders
notwendig erscheinen. Eine schematische kulturhistorische
Einordnung der Negrito-Religionen, wonach sie Erben einer
durch den Hochgottglauben (im Sinne des Uromonotheismus)
bestimmten Urkullur seien, wird sowohl auf Grund der gegenwärtigen
Beschaffenheil der Quellen als auch wegen der Tatsache
, daß wir noch nicht in der Lage sind, zwischen ursprüng-
Uchen Traditionen und Fremdeinflüssen exakt zu unterscheiden,
abgelehnt. Hinsichtlich der Stammesgruppen Hinterindiens
kommt Höf er zu dem Schluß, daß eine Reihe von Problemen
in bezug auf die Geschichte ihrer Religionen rein hypothetisch
und insofern noch ungeklärt sind. Hingegen sieht er es als ge-