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1978

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7. Geschichte und Kultur in der NT-Deutung von Alan Johnson
, S. 128—161. Den historisch-kulturellen Hintergrund kennenzulernen
ist wertvolles Hilfsmittel, die Botschaft an die ursprünglichen
Hörer recht zu deuten. In Betracht kommen politische
, wirtschaftliche, soziale, geographische, religiöse und philosophische
Gegebenheiten. Gottes Wort von der kulturellen Form
zu unterscheiden, ist manchmal wie beim Götzenopferlleisch
leicht, manchmal aber wie bei der Historizität von Adam oder
mosaischer Verfasserschaft vom Pentateuch schwer. Man darf
aber weder mit der Botschaft die kulturellen Besonderheiten
verabsolutieren noch mit dem kulturellen Vehikel die Botschaft
relativieren. 2Petr 3,5f. zielt auf die Gewißheit der Wiederkunft
Christi; auf die Art, wie da die Erdentstehung beschrieben
wird, kommt es nicht an. Für den Inhalt der Evangelien und
von Apg 1—12 sind die Jahre 26—44 wichtig, für Apg 13—28
und die Briefe 47—65, für die .Tohannesbriefe und die Offenbarung
95—97. Evangelien und Apg 1 — 12 spielen vorwiegend
in der jüdischen Welt, das übrige in der griechisch-römischen.
Im einzelnen werden dann die drei Zeitperioden durchgegangen.
(Die Grenze zwischen dem Botschaftsinhalt einerseits und der
kulturellen Form sowie dem geschichtlichen Ablauf andererseits
ist schwer zu ziehen. Das empfindet Vf. selber bei dem Beispiel
von Adams Historizität und der mosaischen Verfasserschaft des
Pcntateuchs. Das Beispiel 2Petr 3,5f. ist auch nicht gerade geeignet
, das herzugeben, wofür es angeführt wird. Der dazugehörende
V. 7 zeigt, wie sehr das Künftige und das Frühere als
Entsprechung miteinander verknüpft sind, also sich gegenseitig
stützen oder miteinander hinfällig werden.)

8. Morris Inch gehl dem nach, welchen Platz die Inkarnation
in der Bibeldeutung einnimmt, S. 162—177. Im Anschluß an
das bekannte Harnackworl über die Beibehaltung des AT im
Kanon unterscheidet er die drei Epochen: 2. Jh., 16. Jh., nach
dem 19. Jh. Im 2. Jh. wurde das AT als christliches Buch in
Anspruch genommen, und das NT kam hinzu als Ausführung
von Jesu Lehre. Im 16. Jh. trat an die Stelle Jesu die Kirche
als der Leib Christi. Vom 19. Jh. an hebt Vf. einige charakteristische
Vertreter der Theologie hervor: Renan, Rauschenbusch,
A.Schweitzer, Bultmaun, Stauffer, G.Bornkamm, C.H.Dodd, Bon-
hoeffer. Vf. konstatiert und fordert Glauben an das geschriebene
Woit als glaubcnsvolle Deutung von der Meinung des lebendigen
Wortes. Die zentrale Stellung Jesu ist nicht zu Propheten
und Aposteln in Gegensatz zu stellen, und die Bibel ist weniger
eine Verhaltensregel, als eine Beziehungsanleitung. In Zeit und
Geschichte stellt Gott die Beziehung zu uns durch seine Selbstenthüllung
her. (Dieser Beitrag verbindet weiten Horizont mit
klarem theologischen Standpunkt.)

9. Was die Reformation zur Bibeldeutung beigetragen hat,
wird von Donald Lake untersucht, S. 178—198. Trotz mancher
Unterschiede stimmten die verschiedenen Reformatoren überein
in dem Gegründetsein auf das Evangelium. Die größere Differenz
in allen Perioden der Kirche ist nicht die zwischen liberaler
und konservativer Theologie, sondern zwischen einer
„evangelical and nonevangelical" Theologie. (Da vorher und
hinterher vom „gospel" die Rede ist, wird mit „evangelical"
gemeint sein: „evangeliumsgemäß", und nicht: „evangelisch"
oder „evangelikal". Ganz so gleichgültig, wie es hier klingt, ist
die Differenz liberal-konservativ aber doch wohl nicht. Vorwegnehmend
sei schon hier erwähnt, daß im 12. Beitrag bei der
empfohlenen Literatur die Bewertung deutlich nach liberal-
konservativ erfolgt. Und wenn Bultmann, dessen Lehrart vielfach
bei Gemeinschaftskreisen recht Anklang findet, in diesem
Buch durchgehend abgelehnt wird, so spielt dabei der Gesichtspunkt
„liberal" wohl eine erhebliche Rolle.) Wir dürfen
nicht zur Autorität der Bibel zurückkehren, ohne die Botschaft
der Bibel wiederzuentdecken. Auch die katholische Kirche tritt
dafür ein, daß die hl. Schrift von Christus oder vom hl. Geist
diktiert sei. Der Unterschied besteht in der Art. wie Bibel und
Kirche zueinander in Beziehung gesetzt werden. Bei Luthers
Geringschätzung des Jakobusbriefes geht es nicht um die Inspirationsfrage
, sondern um die Frage nach der Kanonizität. Der
Schlüssel zu Luthers Hermeneutik ist die Unterscheidung von
Gesetz und Evangelium. Wichtig sind Luthers Auffassung über

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Adiaphora und sein Grundsatz: was in der Bibel nicht ausdrücklich
verboten ist, ist erlaubt. Dagegen sagt Calvin: was in
der Schrift nicht ausdrücklich befohlen wird, ist verboten. Charakteristisch
für Calvin ist das Wertlegen auf den hl. Geist als
Antrieb, die biblischen Bücher zu schreiben, und als Bedingung,
die Bibel zu verstehen. Die neue Orthodoxie (Barth) kam in
Verlegenheit durch die Lehre von der Verbalinspiration und der
Verbalirrtumslosigkeit. Für Heidegger, Bultmaun und E. Fuchs
steht im Vordergrund nicht, was der Text meinte, sondern was
er jetzt meint. Dagegen tritt Vf. ein für die Priorität des Evangeliums
, das in der Geschichte verwurzelt und durch inspirierte
Propheten und Apostel bezeugt ist. Es ist auf die konkrete
Lcbenswirkliehkeit bezogen durch das geschriebene Wort der
Schrift, das für Prüfung durch Grammatik und Historie offensteht
, und es ist auf den jetzigen Menschen bezogen durch das
souveräne Handeln des hl. Geistes, der aus jedem neuen Bibel-
leser eine neue Kreatur in Christus machen kann.

10. Robert Webber: Biblische Autorität, eine Studie zur Geschichte
, S. 199—216, beobachtet das Auftauchen rationalistischer
Sicht von Autorität in der Orthodoxie, die nicht Wort und Geist,
sondern Wort und Vernunft zusammenbringt bei der Frage
nach der Gewißheit; in der Erkenntnislehre von Baeon, Locke
und Descartes; in der Kosmologie von Kopernikus. Galilei,
Kepler und Newton; in Tolands und Tindals Deismus, der die
Vernunft an die Stelle der Bibel setzt. Ferner das Auftauchen
einer subjektiven Sicht von Autorität im Pietismus Speners und
in der Neulebens-Bewegung J. Wesleys, bei denen die Erfahrung
erst der Bibel Autorität verleiht. Schließlich schildert er
den subjektiven Rationalismus bei Schleiermacher und im Zusammenhang
mit Darwinismus, Hegelianismus, Leben-Jesu-For-
schung Bauers bei Ritsehl, wogegen die Oxfordbewegung wieder
zur Autorität zurüekzulenken begann. All diese Strömungen
wirken noch heute nach. Demgegenüber ist gellend zu machen:
Vernunft und Erfahrung können die Autorität der Schrift nicht
begründen, sondern bestenfalls bestätigen und begleiten. Die
Autorität der Bibel liegt in ihr selbst, steht in Beziehung zur
Autorität der Kirche und zur apostolischen Tradition und besteht
darin, daß sie die Wahrheit über unser Menschenleben
sagt. Als Einzelchrist und als Kirche der Bibel gemäß handeln
wird uns spüren lassen, daß sie uns den rechten Weg wies.
(Beachtlich ist, wie selbstkritisch die Evangelikaien beim Erfahrungstest
unter die Lupe genommen werden. Die Quellengruppierung
im Pentateuch ist nicht beim Darwinismus, sondern
bei Hegels N achfolgern, nämlich Vatke / Wellhausen, unterzubringen
. Zum Darwinismus gehört die religionsgeschichtliche
Schule. S. 205 Z. 2 v. o. muß es nicht 1965, sondern 1665
heißen.)

11. Als Bereiche der Hermeneutik umschreibt Herbert Jacob-
sen, S. 217—237, die historische Dimension, die personale, wie
ich bin und wie ich sein sollte, mit den drei Leitlinien: Demut,
Kenntnis der eigenen Situation, von anderen Gemeindegliedem
lernen, und die interpersonale Dimension: als Diener Christi
und als eigen befähigter Haushalter auf den anderen wirklich
hören.

12. Bibliographisches Handwerkszeug führt Steven Barabas
auf, S. 238—272. Er nennt unter evangelikalem Blickpunkt die
wichtigste, nur englischsprachige Literatur. Zum Schluß gibt er
Ratschlüge, wie Literatur zu benutzen ist, was das Bibelstudium
in sich schließt, was als Handwerkszeug nötig ist, und wie eine
Exegese verläuft.

(Alle zwölf Beiträge spiegeln eine einheitliche Grundhaltung
wider, durch alle Disziplinen hindurch, und vermitteln recht
gut ein Bild von dem beachtenswerten evangelikalen Standpunkt
.)

Trebitz Hans Möller

Bonhoeffer-Auswahl. 1: Anfänge 1927—1933. 2: Gegenwart und
Zukunft der Kirche 1933-1936. 3: Entscheidungen 1936-1939.
4: Konsequenzen 1933—1944. 2. Aufl. Hrsg. v. 0. Dudzus.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn. (Lizenzausgabe
d. Chr. Kaiser Verlages, München [1977]. Je 189 S. 8° =
Gütersloher Taschenbücher/Siebenstern 149—151. DM 19,80.
(s. Besprechung in ThLZ 96., 1971 Sp. 530).

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 9