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Ausgabe:

1978

Spalte:

633-636

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Interpreting the word of God 1978

Rezensent:

Möller, Hans

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633

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 9

634

eine säkularisierte Theologie?", während Fritz Buri aus Basel
zum Thema: „Das Heil in der permanenten Säkularisation"
referierte.

Leipzig Gottfried Kretzschmar

[Baiabas, Steven:] Interpreting Ihe Word of Cod. Festschrift
in honor of Steven Barabas. ed. by S. J. Schultz and M. A.
lnch. Chicago, III.: Moody Press [1976]. 281 S. gr. 8°. Kldr.
$ 8,95.

Diese Veröffentlichung ist es angelikaler Herkunft und Art.
Der Gefeierte und die Herausgeber sind Dozenten am Wheaton
College. Dem Beferat über den Inhalt der zwölf Beiträge werden
in Klammern Bemerkungen des Rezensenten angefügt.

1. Von vergleichender Religionsgeschichte handelt J. E. Jen-
nings, S. 11—30. Einerseits die Einheit der Bibel betonend, andererseits
Ähnlichkeiten von offenbarter und heidnischer Religion
zugestehend, bemüht er sich, vom Christentum her nicht
nur den Verlauf, sondern die Ursache der heidnischen Religionsentwicklung
zu verdeutlichen: als positiv führt er Gottebenbildlichkeit
und allgemeine Offenbarung au, als negativ dämonische
Macht und sündliche Neigung der gefallenen menschlichen
Natur. In der israelitischen Religion, meint er, beruht
einiges wie der Bauerokalender auf bloß kultureller Entwicklung
, anderes wie ethische Vorschriften und Tabus, die auch
bei anderen Völkern anzutreffen sind, auf allgemeiner Offenbarung
, das meiste in der Bibel aber wie Schöpfung, Dreieinigkeit
, inessianische Erlösung, Parakletlchre erfordere zu
voller Erklärung spezielle Offenbarung. Auf allen Stufen
konnte Gott sich auch durch entlehnte Elemente offenbaren, um
vom Bekannten zum Unbekannten zu führen. Das wird an
einigen Beispielen illustriert: Lebensbaum, blutige Opfer, primitiver
Monotheismus, Stiftshütte und salomonischer Tempel,
Verehrung der Himmelskönigin im alten Israel. Berührungspunkte
zwischen geoffenbarter und gewordener Beligion in
Wortschatz, Motiven und Biten werden dann auf den Nenner
gebracht: der Inhalt ist göttlich, auch wenn das Velükel von
Menschen hergestellt wurde. Die Form mag menschlich sein,
aber die Botschaft für uns ist göttlich, vgl. 2Kor 4,7. (Mir erscheint
fraglich, ob diese Sicht der Bibel genügend gerecht wird,
und ob diese Begel vor Mißbrauch geschützt ist.)

2. Die zweite Abhandlung, S. 31—45, von Alfred J. Hoerth,
rückt die Archäologie ins Blickfeld. Sie liefert nicht Beweise für
die Bibel, sondern Illustrationen zur Bibel. (Immerhin aber
wurden durch die archäologischen Funde Wellhausens Vorstellungen
von der Primitivität der Zeiten Abrahams oder Moses
über den Haufen geworfen, und die Hodajolh von Qumran versetzten
der Duhmschen Datierung der Psalmen in die Makka-
häerzeit endgültig den Todesstoß. Sofern Ausgrabungen falsche
Ansichten über die Bibel widerlegen, sind sie doch auch als
Beweis für die Bibel zu sehen und zu werten.)

3. Der Herausgeber Schultz lieferte den dritten Beitrag: alt-
testamentliche Propheten in heutiger Welt, S. 46—59. Von Mose
als dem ersten Propheten ausgehend, sieht Vf. die Botschaft der
Propheten an ihre und an unsere Zeit darin, Liebe zu Gott und
zum Nächsten einzuschärfen. Gerichtsdrohungen und Wiederherstellungszusagen
werden als Bestandteil prophetischer Predigt
beibehalten, gegenüber den historischen und zeitbezogenen
Elementen seien Voraussagen der Zukunft aber gewöhnlich sekundär
. (So richtig es ist, die Propheten an Mose anzuknüpfen,
so werden sie hier doch zu sehr zu Gesetzeseiferern und Ver-
gcltungsdogmatikern gemacht, und die inessianische Verheißung
und Erwartung kommt überhaupt nicht in den Blick.)

4. C. Hasscll Bullock sucht Zugang zum Pentatcuch durch die
Propheten, S. 60—77. Gemeint ist das nicht im Wellhausen-
seben Sinn (Gesetz erst nachprophetisch), aber auch nicht so,
als ob der Pentaleuch die erste Quelle für Kenntnis der Propheten
von Israels Geschichte wäre, sondern gegenüber der
Pentateuchhistorie stellen die Propheten schon eine hermeneu-
tischc Entwicklung dar, sie sehen die Geschichte in Verbindung

mit göttlichem Handeln, bilden daher die erste Stufe historisch
-theologischen Verständnisses. Als Beispiele dafür nimmt
Vf. prophetische Bezugnahmen auf Patriarchen zeit, Knechtschaft
in Ägypten, Auszug und Wüstenerfahrung. Aus den zwei letzteren
hätten die Propheten das eschatologische Zukunftsbild entwickelt
. (Wohl ist es wichtig, darauf zu achten, wie Pentateuch-
erzüblungen von den Propheten verwendet werden, aber hat
nicht schon die Pentateucherzählung selbst historisch-theologischen
Gehalt und Zweck? Auch ist die prophetische Verwendung
eine zwar maßgebliche, aber doch nur ausschnittweise
Deutung und nicht das einzige, was den Pentateucherzählungen
zu entnehmen ist.)

5. Schon vom Stoff her wichtig ist der Beilrag von Donald
A. Ilagner: das Alte Testament im Neuen, S. 78—104. Manche
alllestamentlichen Zitate im Neuen Testament muten willkürlich
an. Es wird aber frei und oft aus dem Gedächtnis zitiert.
Als Vorlage des Zitats erscheinen masoretischer oder vormaso-
retischer Text, LXX oder aramäisches Targum, auch Zusammenfassung
mehrerer alttestamentlicher Worte sowie eigene Paraphrase
kommen zuweilen in Betracht. An einigen Stellen beruft
sich das NT auf deutlich weissagende Worte, andere alttesta-
menllichc Worte fanden eine Art Erfüllung schon bei den Zeitgenossen
der Propheten. Es gibt den sensus plenior: einige AT-
Stellen tragen mehr Bedeutung in sich, als den Erstverkündern
bewußt war und als aus strikt grammatisch-historischer Exegese
zu gewinnen ist. Dieser vollere Sinn kann erst rückschauend
und im Licht der neutestamentlichen Erfüllung gesehen werden.
Das beruht auf der Einheit Gottes und seines Heilsplans. Entsprechungen
zwischen alttestamentlichem Material und dem Heil
in Christus sind vorhanden (Typologie). Auch was meist als
Allegorie aufgefaßt wird wie Gal 4,22—31 oder IKor 10,4 ist
dem sensus plenior einzuordnen. Apologetisch ist aus dem Weissagungsbeweis
nichts geltend zu machen. Wer die Voraussetzungen
teilt, nämlich: Gottes Herrschaft über die Geschichtsereignisse
, Einheit der göttlich inspirierten Schrift, Jesus das Ziel
der Hoilsgeschichte, für den ist der Erfüllungsaufwcis zwingend;
wer diese Voraussetzungen nicht teilt, für den sind solche Argumente
nicht überzeugend. (Es läuft also darauf hinaus, daß wir
als Christen die Art, wie das NT das AT benutzt, übernehmen
können, ja müssen. Dem stimme ich zu, obwohl ich weiß, wie
umstritten ein solcher Standpunkt ist. Zu fragen ist, ob Typologie
und Allegorie nicht doch besser vom sensus plenior abzuheben
sind, und ob nicht Stellen wie Ps 2 oder Jes 7,14 besser
als direkte inessianische Weissagung zu deuten sind. Zwar wird
erst von der Erfüllung her Vieles deutlicher, aber ist alles nur
Nachgeschichtc? Ob nicht doch die Verfasser und die zeitgenössischen
Hörer schon manches als auf Gottes künftiges Heil zielend
bewußt oder ahnend verstanden haben? Vgl. IPetr 1,11:
der Inhalt der Heilsbotschaft, Christi Leiden und Herrlichkeit,
ist den Propheten, die von der Gnade weissagten, von Gott
kundgetan worden, verborgen war ihnen nur, durch welche
Person und zu welcher Zeit das verwirklicht werden würde.)

6. Uber die Gattung neutestamentliche Literatur und biblische
Hermeneutik schreibt Gordon Fee, S. 105—127. Auch Evangelien
, Apg und Briefe haben ihre literarische Gattung. Die
Briefe sind Gelegenlieitsschriften des ersten Jahrhunderts. Bei
der Apg ist die Frage, wieweit sie die erste Christenheit beschreibt
, oder wieweit sie für die Kirche aller Zeiten normativ
ist. Wenn ein Beispiel mehrfach belegt ist, wird man es gelten
lassen. Wenn ein Fall nur einmal berichtet wird, ist es nur dann
wiederholbar, wenn göttlicher Befehl oder Ubereinstimmung mit
sonstiger Schriftlehre vorliegt. Was nur kulturell bedingt ist, ist
nicht zu wiederholen oder aber in die neue Umwelt zu übersetzen
. Die Evangelien enthalten einerseits Lehre wie die Briefe,
andererseits Erzählungen wie die Apg, aber haben doch ihre
Eigenheit. Sie sind Erinnerungen an Jesu Leben und Zeugnisse
über ihn. Die Offenbarung ist in ihrem historischen Kontext
zu Rehen, sie ist von vornherein literarisch. Zu beachten sind
Schematismus, Phantasiesymbole, Zahlen, Fixpunkt der Deutung
: Rom, dramatischer Charakter. (Ist mehrfache oder nur
einmalige Erwähnung zutreffendes Kriterium für die Maßgeblichkeit
?)