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Ausgabe:

1978

Spalte:

616-617

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Kettunen, Markku

Titel/Untertitel:

Der Abfassungszweck des Römerbriefes 1978

Rezensent:

Kettunen, Markku

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«15

Theologische Literat urzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 8

1,1 Ii

Prologs, die jedoch nicht direkt auf die Christologie vom ah- und
aufsteigenden Boten einwirken; folglich darf historisch-exegetisch
die Sendungschristologie nicht vom Prolog her interpretiert werden
.

Ein Forschungsüberblick belegt, daß die historische Präge nach
Herkunft und Zweck der johanneischen Botenchristologie erneut
als offen bezeichnet werden muß. Die Abkehr von der seit Bultmann
üblichen gnostischen Lösung jene beruhte bisher auf den
neueren Ergebnissen der Gnotis-Forschung - wird durch eine
kulturgeschichtliche Untersuchung der Sendungslehre weiter begründet
: die wesentlichen Elemente sowohl des gnostischen Gesandten
-Mythos als auch der johanneischen Botenchristologie gehen
unabhängig voneinander auf ein kulturgeschichtlich verhärtetes
Botenverständnis zurück. In alter Zeit ist der Bote gewöhnlich
personenstandsrechtlich an den Sendenden gebunden; entsprechend
ist der johanneische Christus als Bote gleichzeitig Sohn im
himmlischen Vaterhaus. Perner durchläuft der Bote gewöhnlich
einen dreiteiligen Weg, der aus den Stationen .Aussendung',
.Durchführung' und .Rückkehr' bestellt. Die Botenrückkohr ist
zur Heimkehr des ausgesandten Familienmitgliedes und daneben
zur Abgabe des Rechenschaftsberichtes bzw. der Überbringung
einer Rückantwort notwendig. Entsprechend kehrt der johanneische
Christus als Bote in das himmlische Vaterhaus zurück und
verbindet mit seiner Rückkehr seinen Rechenschaftsbericht. Bereits
kulturgeschichtlich haben sich mit den Wendungen .Ich bin
der und der' und .Ich bin gekommen, um das und das im Auftrag
zu tun' feste Pormen der Botenvorstellung gegenüber dem Adressaten
ausgeprägt, die auch hinter dem johanneischen eytb itui und
%X&ot> stehen. Die allgemeinen kulturgeschichtlichen Strukturen,
die immerhin zu einem grundsätzlichen Nachweis dessen ausreichen
, daß das Joh.ev. nicht von gnostischer Mythologie abhängig
ist, bilden jedoch nur den allgemeinsten Rahmen der johanneischen
Christologie. Das 4. Evangelium hat im besonderen die im rabbi-
nischen Judentum entfaltete Lehre vom DT3tt) aufgenommen, um
mit ihrer Hilfe Jesus als den von Gott Legitimierten auszuweisen:
sein christologischer Anspruch ist berecht igt, weil er Gottes gehorsamer
Vertreter und Bevollmächtigter ist, dem (Jottes ureigenste
Hechte abgetreten sind und der einen planmäßigen Botenweg vom
Sendenden her und zu ihm zurück durchläuft. Die religionsgeschichtliche
Frage engt sich infolge dieses Ergebnisses weiter ein
und mündet in die Suche nach Analogien und Vorbildern im Bereich
des rabbinisch bestimmten Judentums. Dabei ergibt sich,
daß sowohl der Prophet als auch der himmlische "TKbB als y 1'l'jttJ
Gottes verstanden sind, die als solche - beim Propheten gilt dies
zumindest teilweise - einen Botenweg als Abstieg und Aufstieg
zurücklegen. Analog zum 4. Evangelium wird das durch die rpbia-
Terminologie bestimmte Repräsentations- und Vollmachtsverständnis
im rabbinisch beeinflußten Judentum als Interpretament
auf die aus der biblischen Tradition bekannten Gottesboten angewendet
, um damit deren Verhältnis zu Gott theologisch eindeutiger
bestimmen zu können. Die johanneische Aufnahme der Vertretungslehre
in die Christologie muß mit vom Rabbinat ausgehenden
und in dessen eigenem Traditionsbereich ebenfalls durchgeführten
theologischen Normierungsbestrebungen zusammenhängen
: die jüdische Umwelt nötigte nach 70 die johanneische
Gemeinde, Jesu Sendung mit den im ,normativen Judentum' anerkannten
Kategorien darzustellen.

Dies führt zur genaueren Unterscheidung der anfangs isolierten
Themenblöcke in zwei traditionsgeschichtliche Schübe: in eine
frühjohanneische, apokalyptisch und vertikal ausgerichtete Men-
schensohn-Christologie, die mit einem anabatisch-prophetischen
Jesusbild verbunden war, und eine spätjohanneische, antirabbini-
sche Traditionsstufe, auf der die juristische Sendungsbegrifflich-
keit konsequent die gesamte christologische Tradition umformte.
Unter ihrem Einfluß erst entsteht der letzte Rahmen der johanneischen
Christologie, der Entwurf vom in die Welt gesandten und
nach Durchführung seiner mrrbia zum IlVuU zurückkehrenden
Boten Gottes.

Religionsgeschichtlich sind für die Entwicklung der johanneischen
Christologie zu ihrer Letztform Grund und Analogie gegeben
in der auch dem Rabbinat bekannten, aber von außerrabbinischen
Kreisen ausgehenden Redeweise vom prophetischen Gottes.
Propheten- und Engellehre haben in apokalyptischen, esoterisch-

inystischen und <iuniranitischen Kreisen eine Annäherung erfah-
ren, die es dem 4. Evangelium erlaubt, von Jesus gleichzeitig als
prophetisch-irdischem und himmlischem Gottesboten zu sprechen.
Da wir von einer verbreiteten judenchristlichen Engelehristologie
wissen, endet die Arbeit mit der Vermutung, die johanneische
Sendungschristologie stelle dazu eine Prüllform dar, die die prophetische
Basis noch mit besonderer Betonung festhält.

' 1SI77 bei Mohr, XflbfaftgMl, als llucli ateblMML

Kattunen, Markku: Der Abfassungszweck des Römerbriefes. Hin
Beitrag zum Briefstil des Paulus. Diss. Tübingen. 270 S.

Seit dem letzten Jahrhundert hat man versucht, den Zweck der
Abfassung des Römerbriefes dem Baursehen Erklärungsmodell gemäß
entweder in der Situation der römischen Gemeinde oder in der
des Paulus zu linden. Die Rekonstruktion jener Situationen hat
sich jedoch immer als sehr schwierig erwiesen, wie die konträren
Anschauungen der Exegeten zeigen. Nach der vorliegenden Untersuchung
ist die Hilflosigkeit der Interpreten vor dem Problem des
Abfassungszwecks dieses Briefes methodischer Art: man hat bisher
keinen eindeutigen Ausgangspunkt für den Weg zur Lösung des
Problems finden können. In dieser Untersuchung hat sich ergeben,
daß schon die Angabe des Absenders und die Anrede der Adressaten
im Präskript jedes paulinischen Briefes auf den Ton des
Schreibens und auf das Verhältnis zwischen Paulus und der jeweiligen
Gemeinde anspielen. Dazu kann man regelmäßig in jedem
Proömium den Abfassungszweck sehen. Dieser Gewohnheit gemäß
stellt sich auch nach einer sorgfältigen Analyse des Präskriptes und
des Proömiums schon in diesen der Abfassungszweck des Rönier-
briefes: Paulus will mit diesem Brief die Adressaten stärken, 1,11,
um später bei seinem Besuch in Rom persönlich wegen des starken
Glaubens der Römer getröstet zu werden, 1,12; 15,24.32. Weil
Paulus in Rom dazu hofft, daß die Römer ihm für die Weiterreise
nach Spanien Unterstützung gewähren, 15,24, kann sein Besuch
nur auf der Durchfahrt erfolgen. In Rom will er nicht das Evangelium
verkündigen, weil dies keine Gemeindearbeit ist, 15,20-22.
Wie er aber einst seiner Aufgabe gemäß bereit war, auch In Rom
das Evangelium zu verkündigen, 1,13-15, so hat er auch jetzt nach
seinem Priesterdienst das Recht, sich mit dem Brief an die Römer
zu wenden, 1,9-15; 15,15-22. Immer wenn Paulus die Adressaten
anderer Briefe stärken will, wie in 1,11, sind sie in Gefahr. Ebenfalls
übt Paulus seinen Priesterdienst, 1,9; 15,16, um den Gehorsam
der gefährdeten Adressaten zu stärken oder sie zum Gehorsam
zu bringen. Weil er mit den Römern zufrieden ist, 1,8; 6,17; 15,14;
16,19, geht es im Römerbrief um die Stärkung der in Gefahr
stehenden Römer.

Alle Anspielungen im Präskript und im Proömium setzen bestimmte
außergemeindliche Gegner in Rom voraus, die dann in 3,8
und 16,17-20 direkt angeredet werden. Der Inhalt der Stärkung in
den Kapiteln 1-8 und 12-15 zeigt mit den von Paulus zitierten
gegnerischen Einwänden, besonders in 3,5-8,31; 6,1.15, daß die
Agitatoren durch das Verdrehen des gesetzesfreien Evangeliums
die Römer für das Gesetz zu gewinnen suchen. Dieser Schluß wird
schön bestätigt, wenn man bemerkt, daß auch der das gesetzesfreie
Evangelium verkündigende Paulus, der bald nach Rom zu kommen
beabsichtigt, in Rom von den Gegnern durch ihre Einwendungen
angeschwärzt ist; ihm wird sogar die Schuld der Ver-
stockung Insraels zugeschrieben, wie der apologetische Teil des
Briefes in den Kapiteln 9-11 (vgl. mit diesen Kapiteln ähnlich
apologetische Briefteile in IThess 2,1-12; IKor 9; Gal 1,12-2,21;
2Kor 10-13; Phil 3) erkennen läßt. Die Selbstverteidigung des
Apostels in diesen Kapiteln wird ähnlich wie besonders im Präskript
des Galaterbriefes schon in Rom 1,1-5 präludiert. Während
Paulus also als .Dritter' das gesetzesfreie Evangelium für die Römer
verteidigt, muß er auch sich selbst verteidigen und zeigen, daß
er sein Volk nicht verlassen habe, 9,lff. und 10,1 ff., sondern vielmehr
mit dem gesetzesfreien Evangelium unter den Heiden Diener
seines Volkes sei, ll.llff., denn auch Israel mit anderen Menschen
wird ohne Gesetz allein aus Glauben an Christus gerettet, jedoch
erst dann, nachdem die „Vollzahl der Heiden" erfüllt ist, 11,25.