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Ausgabe:

1978

Spalte:

40-42

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Siegele-Wenschkewitz, Leonore

Titel/Untertitel:

Nationalsozialismus und Kirche 1978

Rezensent:

Meier, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

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Gründen, die mich hier zu Vorsicht zwingen (Les Vaudois au
moyen-äge, S.304—307), konnte sich Vinay leider nicht mehr
auseinandersetzen.

In der überaus sorgfältigen Ausgabe werden alle Texte,
sofern sie lateinisch oder volkssprachig verfafjt wurden, in der
Originalfassung gebracht, durch eine parallele italienische
Übersetzung begleitet und mit erklärenden Anmerkungen versehen
. So liegt nun den Forschern ein sehr brauchbarer Sammelband
mit den folgenden Stücken vor: Anfrage der Walden-
ser-Barben Morel und Masson bei Oecolampad, 1530; die
beiden Antworten Oecolampads und sein Empfehlungsschreiben
an Bucer; Morels und Massons Schreiben an Bucer und
Bucers Antwort; Morels Zusammenfassung der Ansichten
Bucers über Glaubensrechtfertigung, 1530—1531; Kundgebung
der Synode von Chanforan, 1532; Brief der Böhmischen Brüder
an die Waldenser der Alpentäler, 1533; Waldenser-Konfessionen
von 1556, 1560, 1655 und 1662 sowie die Synodalerklärung von
1894.

In der ersten Antwort, die Oecolampad am 13. 10.1530
niederschrieb, wird die Anspielung auf die von den Böhmischen
Brüdern dem König Wladislaw von Böhmen und Ungarn gewidmete
Bekenntnisschrift nur durch Vermutungen erklärt
(S.54-56). In der Tat hatte Oecolampad die „Professio fidei
fratrum Valdensium ad regem Ungariae" im Sinne, die in
Basel bei Cratander 1523 als Beilage zu den Commentarii des
Aeneas Sylvius von neuem erschienen ist. Der heutige Fundort
der Antwort Bucers hätte S.116 vollständiger gebracht werden
können, d.h. Archives de la ville de Strasbourg, Epistulae
Buceri I, 1527-1934, N° 189. S.74 sind nur die Namen Morello
et Petro Lathomo der Handschrift später hinzugefügt worden,
nicht aber das Wort Georgio. S.78, Z.7 stand für una ursprünglich
sola. S.82 sind die Zeilen 8—14 am Rande der Handschrift
angebracht, und die zwei Worte nach ministris können als ex
collationibus entziffert werden. S.84, Z.6 lies sed statt sei und
Z.10 ineubuerunt et olim. S.86, Z.2 von unten würde ich der
Lesung negationem vor der Lesung negotiationem den Vorrang
geben. Es ist schade, daß Bucers Brief vom 22. 9. 1534, auf den
J. V. Pollet (Martin Bucer, etudes sur la correspondance II,
Paris 1962, S.8) aufmerksam gemacht hat und dem in der
Straßburgcr Handschrift eine spätere Hand die Vermutung
hinzufügte „Puto Waldensibus scriptam fuisse", unberücksichtigt
blieb. Bei der wertvollen und wegen der sehr verstümmelten
älteren Ausgaben von Vinay diplomatisch ausgeführten
Edition der wichtigen Kundgebung der Synode von Chanforan
(1532) vermißt man den Versuch, die Schriftstellen, wo möglich
, festzustellen. Der Brief der Böhmischen Brüder vom Juni
1533 wurde nach Herminjard auch von mir herausgegeben
(Krestanskä revue, Beilage 19, 1952, S. 78-86). Die dort benutzte
Wendung a tot seculis unum fuistis (S.144) ist an sich
kaum, wie Vinay meint, ein Beleg für die Annahme des
apostolischen Ursprungs der Waldenser, die um 1530 bei den
Brüdern bereits ins Wanken geraten ist.

Prag Amedeo Molnar

Neuser, W. H. [Hrsg.]: Die Vorbereitung der Religionsgespräche
von Worms und Regensburg 1540/41. Neukirchen-Vluyn;
Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins (1974). 232 S.
8'' = Texte zur Geschichte der evangelischen Theologie, hrsg.
v. E. Bizer u. J. F. G. Goeters, 4. Lw. DM 18,-.

Das Thema dieses Bandes ist weniger umfassend, als der
Titel zu denken gibt: es handelt sich in erster Linie um die
Vorbereitungen der Evangelischen zum Wormser Gespräch und
um eine Konsultation, ebenfalls evangelischer Theologen,
mitten im Regensburger. Auch die Einleitung gilt hauptsächlich
dem reichspolitischen Hintergrund, voran den Beziehungen
zwischen dem Kaiser und den Schmalkaldcnern. Eine Darstellung
der Vermittlungstheologie und -politik, wie sie zuletzt in
dem (hier angeführten) Werk von C. Augustijn geboten wurde,
wird hier nicht skizziert, ebensowenig wie die europäischen,
die päpstlichen oder die reichsständisch-katholischen Vorbereitungen
. Auch das Regensburger Buch (das immerhin in Worms
vorbereitet wurde und dem die Besprechungen vom Mai 1541
galten) kommt hier kaum zur Sprache.

Neben einigen schon oft edierten Stücken, wie dem Frankfurter
Anstand von 1539 oder den Aufzeichnungen des Martin
Frecht und Sebastian Aitinger, bringt der Band große, zum
Teil noch unveröffentlichte Textpartien aus dem Codex
Musculus (Bern, Burgcrbibliothck A 39) und einem Wiener
Ms. mit Reichstagsakten (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichstagsakten
, Fasz. 7, Teil 1), hauptsächlich zur Vorgeschichte des
Wormser Gespräches, im Anhang dann auch zum Regensburger
(Einleitung S. 9-73; Worms S.75-209; Regensburg S.210-232).
Beide Mss. sind in extenso aufgeschlüsselt, wobei eigenartigerweise
die Rückseite eines Blattes (wie auch stets im Apparat
des Bandes) „verto" heißt.

Auch sonst enthalten Einleitung und Apparat Ungenauig-
keiten: der Erzbischof von Lund wird Bischof (S.12), der
Kanzler Granvellc Orator (S.19), Louis de Flandrc „Lous de
Flandres" (S.226); der Kaiser, statt „... Mehrer des Reichs, in
Germanien, zu Hispanien ... König" heißt hier stets (S.75, 84,
108) „Mehrer des Reichs in Germanien, zu Hispanien ...
König".

Die Transskription der Mss. ist ebenfalls fehlerhaft. Z. B.
S.125, Linck 9. Nov. 1540 über die Rechtfertigung: es gibt
nichts „quo gratiam Christi per quod (recte: quam] iustifi-
camur, apprehendamus, quam ipse (r.: ipsa] fides ..." Ebenda
Schnepf: „negari non posse, paratissimos [r.: paucissimos]
esse ex patribus, qui nobiscum sentiant [r.: sentiunt]. S.127,
Brenz: die Glaubensgerechtigkeit „ad bene venendum (r.:
vivendum] .. . qualitatcs generat" und Grynaeus: „quaerendum
an fides nc ipsa sit iustitia [r.: q' fides, an re ipsa sit i']". Diese
Beispiele mögen genügen.

Wo das Heft frühere Editionen aufgreift, sind sie teils verbessert
, teils verschlimmbessert; so die Regensburger Konsultation
über die Wandlungslehre vom 8. Mai 1541. Wo Bucer
(S.220) anführt „obiiei nobis scriptum Lutheri" hatte der Rcz.
in seiner Ausgabe an „Von Winkelmesse" gedacht; der Herausgeber
berichtigt: „Von Anbeten des Sakraments"; Ecks Zitate
daraus in den 404 Artikeln bestätigen diese Identifizierung. In
Calvins Votum las ich über den altkirchlichen Usus, das
Sakrament nach Hause zu nehmen „is enim [r.: erat], quod",
was aber hier zu „oret" geworden ist (S.225). Mein falscher
Hinweis auf Tertullian „De oratione" (damals noch unbekannt)
ist neben dem richtigen auf „Ad uxorem" stehengeblieben.
Mißglückt ist auch der Versuch, den (unechten) nizänischen
Kanon in Musculus' Votum, der fordert „ut non humiliter
[fideles] panem et poculum in altare attendant, sed mentem
sursum tollant ..." als den echten Kan. 13 bzw. Decreti 2a pars,
causa 26, quaest. 6, can 9 zu identifizieren. Er stammt, wie ich
seinerzeit in Occumenica 1968 angab, aus der damals noch
ungedruckten Kirchcngcschichtc des Gelasius von Cyzikus. Ein
Aufsatz über Herkunft und Verwendung dieses, später besonders
von Calvin aufgegriffenen, Kanons erscheint, wohl noch
vor dieser Rezension, in der Festschrift Jedin des Archivium
Historiae Conciliorum.

Genf Pierre Fraenkel

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Siegele-Wenschkewitz, Leonore: Nationalsozialismus und Kirche.

Religionspolitik von Partei und Staat bis 1935. Düsseldorf:
Droste [1974]. 235 S. 8° = Tübinger Schriften zur Sozial- und
Zeitgeschichte, hrsg. v. G. Schulz in Verb. m. K. E. Born u.
K. Scholder, 5. DM 32,-.

Die vorliegende Untersuchung, aus einer Tübinger theol.
Promotionsschrift (1972) erwachsen, bemüht sich mit Erfolg
um differenzierte Analyse und eindringende Interpretation der