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Ausgabe:

1978

Spalte:

613-614

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Ahlers, Botho

Titel/Untertitel:

Die Unterscheidung von Theologie und Religion 1978

Rezensent:

Ahlers, Botho

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613

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 8

r>14

dürfen, nicht ein deutsch frisiertes oder amerikanisch gedrilltes
oder britisch gemodeltes Himmelsreichzerrbild" (221 f.).

Die Integration von Kirche und Mission in seiner Landeskirche
hat Steck nicht mehr erlebt. Sie war nicht direkt zu erreichen, sondern
erst als „Rückwirkung" des Daseins und Soseins der Kirche
in Neuguinea auf Kirche und Mission „daheim". Dieser Umweg
mindert nicht, sondern steigert eher „die historische Bedeutung
Stecks für die Neuendettelsauer und Leipziger Mission wie für die
bayerische Landeskirche und die bleibende Bedeutung seiner theologischen
Grundsätze für die Mission im Zeichen der Integration"
(228). „Daß Steck persönlich in Neucndettelsau scheiterte, war vor
allem darin begründet , daß er seiner Zeit weit voraus war...
Man kann und muß ihm postum den Titel eines Vorläufers des
Programmes der Integration zusprechen" (ebd.).

Vf. hat die hohe Aktualität dieses „Vorläufers" klar und überzeugend
dargelegt und damit die Diskussion um einen wichtigen
lutherischen Beitrag bereichert.

Leipzig Siegfried Krügel

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Ahlers, Botho: Die Unterscheidung von Theologie und Religion.
Ein Beitrag zur Vorgeschichte der modernen Praktischen Theologie
im 18. Jahrhundert. Diss. Tübingen. V, 171 S.

Die Arbeit versucht, die begriffliche Unterscheidung von Theologie
und Religion in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als
Resultat einer Problemgeschichte darzustellen, deren Anfang in
der Auseinandersetzung zwischen Orthodoxie und Pietismus zu
Beginn des Jahrhunderts liegt. Bei dieser Darstellung kommt der
Frage nach dem Zusammenhang dieses Prozesses mit der Rolle des
Praktischen für die Theologie besondere Bedeutung zu. Ziel der
Untersuchung ist es, die Ausdifferenzierung des Praktischen zu
einem besonderen Gegenstand der Theologie, der eigenständiger
theologischer Wahrnehmung bedarf, als Ausdruck des selben
Differenzierungsprozesses wahrscheinlich zu machen, dessen begriffliches
Resultat andererseits die Unterscheidung von Theologie
und Religion ist.

Dieser Differenzierungsprozeß wird zunächst erörtert anhand
zweier kontroverstheologischer Schriften, die für die Auseinandersetzung
von Orthodoxie und Pietismus kennzeichnend sind. Auf
der Basis von Samuel Schelwigs „Synopsis controversiarum sub
praetextu pietatis motarum" und Johann Wilhelm Zierolds
„Synopsis veritatis divinae" werden die wesentlichen Züge der
jeweiligen Begriffe von Theologie und Religion dargestellt, insbesondere
die Beziehungen dieser Begriffe untereinander und die
jeweiligen Konstruktionen der Einheit von Theologie und Religion.
Ist für die hier betrachtete orthodoxe Position Religion eine Funktion
der Theologie, so gilt für die sich entgegensetzende pietistische
Position, daß dort Theologie als Funktion der Religion reklamiert
wird. In den beiden Positionen drücken sich unterschiedene Auffassungen
des Praktischen aus und folglich unterschiedliche Wahrnehmungsweisen
des Praktischen. Ist das Praktische in orthodoxer
Sicht die bloße Folge supranaturaler Wahrheit, so wird in pietistischer
Sicht das Praktische in der Gestalt des empirischen frommen
Bewußtseins zum organisierenden Prinzip der theologischen Arbeit;
als Folge unveränderlicher supranaturaler Wahrheit ist das Praktische
in orthodoxer Sicht selbst unveränderlich, während es in
pietistischer Sicht veränderungsfähig erscheint. (Teil A I und 11)

Mit der Etablierung des frommen Bewußtseins als Bezugspunkt
der Theologie leistet der Pietismus zugleich einen Beitrag zur
Emanzipation des Individuums und zur Bildung von bürgerlicher
Öffentlichkeit. Das praktische Interesse gestaltet sich als Interesse
an individuell verantworteter Sittlichkeit; d. h. das Praktische
sind tendenziell die Lebensvollzüge schlechthin. Dies drückt sich
definitorisch darin aus, daß die fides qua creditur als Objekt der
Theologie bestimmt wird, d. h. die empirische Frömmigkeit, während
die Orthodoxie die fides quae creditur als Objekt der Theologie
betrachtet, d. h. die supranaturale Wahrheit. Die empirische
Frömmigkeit aber ist zugleich Moment der Geschichte der Frömmigkeit
; Theologie wird auf lange Sicht zur historischen Wissenschaft
, sobald die pietistische Voraussetzung subjektiver fides qua
creditur des Theologen ihre konstitutive Rolle für die Theologie
verliert. (Teil A III)

Die Tendenz zur historischen Wissenschaft dokumentiert sich
nach 1750 z. B. in Johann August Erneatis Abhandlung „de theo-
logiae historicae et dogmaticae coniungendae necessitate", in der
die dogmatische Theologie der historischen als Moment eingeordnet
wird. Andererseits entfaltet die Theologie als Betrachtung empirischer
Frömmigkeit und ihrer Geschichte eine Eigendynamik, die
den Rahmen der Bedürfnisse des frommen Individuums sprengt;
solche historische Forschung läßt sich nicht mehr als Desiderat des
frommen Bewußtseins begründen, dem sie sich verdankt. ,Theo-
logenwissen' und ,Christenwissen' unterscheiden sich quantitativ
und funktional, wie anhand von David Heilmanns Arbeit „de eo
quod interest inter diuinas notitias Theologi et Christiani" gezeigt
wird. (Teil B I)

Die begriffliche Konsequenz zieht Semler im Rahmen seiner vielseitigen
Arbeit. Er lehrt die ausdrückliche Unterscheidung von
Theologie und Religion, zum einen hinsichtlich ihrer Geltung und
Funktion, zum andern hinsichtlich ihres Charakters und ihrer
sozialen Verteilung. Dabei wird Religion zum Allgemeinen, weil
Praktischen schlechthin, während Theologie einerseits zum Besonderen
gerät, sofern sie konfessionelle und damit partikulare
Theologie ist, andererseits zur allgemeinen Theorie, weil sie ihre
Partikularität sowohl als die Allgemeinheit der Religion in sich
rekonstruiert und reflektiert. (Teil B 11)

Nach 1780 wird die Unterscheidung von Theologie und Religion
zunächst systematisch gefaßt von Karl Christian Tittmann in seiner
Rede „de discrimine theologiae et religionis", in her Religion
konsequent zum Objekt einer sich historisch verstehenden Theologie
erklärt wird. Im folgenden werden in der Untersuchung
Fragestellungen dargestellt, die sich aus der seit etwa 1750 entstandenen
Lage ergeben. Hinsichtlich ,Theologenwissen' und
,Christenwissen' stellt sich das Problem der Unterscheidbarkeit,
sowohl was die Erkenntnis selbst als auch was ihre Funktion anbetrifft
. (Teil B III)

In der abschließenden Zusammenfassung wird zum einen die
Unterscheidung von Theologie und Religion als Vermittlung von
praktischem und theoretischem Interesse gezeichnet, als Befreiung
der Theologie von praktischer Funktionalisierung und der Religion
von theologischer Praeskription, zum andern die Nötigung zur
Wahrnehmung des Praktischen als eines besonderen Gegenstandes
von Theologie dargetan, d. h. die Logik, die auf diesem Niveau zur
Ausbildung einer eigenen Disziplin „Praktische Theologie" führt..
Die Unterscheidung von Theologie und Religion und die Ausdifferenzierung
einer besonderen theologischen Instanz zur Wahrnehmung
des Praktischen lassen sich so als Folgen des selben
Differenzierungsprozesses interpretieren. (Teil B TV)

Bühner, Jan-Adolf: Der Gesandte und sein Weg im vierten Evangelium
. Die kultur- und religionsgeschichtlichen Grundlagen
der johanneischen Sendungschiistologie und ihre traditionsgeschichtliche
Entwicklung. Dies. Tübingen 1976.410 S.1

Die Arbeit untersucht die johanneische Christologie vom ab-
und aufsteigenden Gottesboten in kultur-, religions- und traditionsgeschichtlicher
Hinsicht. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, daß
der johanneische Entwurf trotz Phil 2,6 11 innerhalb der neutesta-
mentlichen Tradition relativ isoliert dasteht. Eine direkte traditionsgeschichtliche
Ableitung verbietet auch der beobachtete
Sachverhalt, daß das johanneische Christusbild sich aus zwei
Themenkreisen zusammensetzt: die Aussagen vom ab- und aufsteigenden
Menschensohn stehen neben denen vom gesandten und
in den Himmel zurückkehrenden Sohn Gottes. Einen dritten tradi-
tionagesohiohtliohen Komplex bilden die hymnischen Aussagen des