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Ausgabe:

1978

Spalte:

609-611

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Kasdorf, Hans

Titel/Untertitel:

Gemeindewachstum als missionarisches Ziel 1978

Rezensent:

Mendt, Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 197SNr.8

r.io

logie" (ebd.) zu einer Theologie der Seelsorge dar, die mit Karl
Barths christologischer Anthropologie konsequent ernst macht und
gerade so ein Ja zu moderner Pastoralpsychologie sprechen kann
(14 u. ö.). Anhand einer knappen Skizze des sog. „holländischen
Modells" (20ff.) der klinischen Seelsorgeausbildung schildert die
Autorin u. a. „die Entdeckung des Reichtums menschlicher Möglichkeiten
", „die Erfahrung der eigenen Armut als positives Erlebnis
" (mit theologischer Relevanz!) und die Erfahrung der Offenheit
in Gruppengesprächen. Zahlreiche Äußerungen von Kursteilnehmern
dienen ihr als Belege, unter welchen kritische Stimmen nicht
fehlen. Es folgt ein kleiner Exkurs „Abgrenzung des CPT-Modells
gegen andere gruppendynamische Versuche" (36ff.), der schon deshalb
fragwürdig ist, weil das CPT-Organisationsmodell für Seel-
Borgeausbildung nur sehr bedingt als ein „gruppendynamischer
Versuch" mit dem, was man heute in der Sozialpsychologie unter
„Gruppendynamik" versteht, verglichen werden kann. Hoch zeigt
sodann (38ff.) mit Hilfe von Protokollausschnitten den Prozeßverlauf
und die Lernschritte einzelner Kursteilnehmer. Exemplarisch
werden typische Situationen und Persönlichkeitsmerkmale,
an denen Seelsorge-Schüler zu arbeiten haben, benannt: Leistungsdrang
(Werkgerechtigkeit), Beziehungsstörungen (in der Supervisionsbeziehung
bearbeitet), Umgang mit Macht, Frage nach der
persönlichen und beruflichen Identität.

Seelsorge als „Theologia in actu" ist im Gegensatz zu einer letztlich
doketischen Auffassung methodisierbar und kritisierbar. Die
Human- bzw. Sozialwissenschaften ermöglichen uns nicht nur ein
solides „Handwerk der Predigt" (Sommerauer) oder des Unterrichts
, sondern auch der helfenden Verkündigung des Evangeliums
von Mensch zu Mensch in Krise und Konflikt. Der Heilige Geist
darf nicht als Lückenbüßer oder Ausrede dienen, wo Seelsorger sich
jeder Kritik oder harter psychologischer Arbeit entziehen wollen:
Er wirkt „im Fleisch", und das heißt auch: psychologisch. Ob er
anonym wirkt (52,3.), ist eine andere Frage.

Dorothee Hoch hat ein flüssig geschriebenes, allgemeinverständliches
Büchlein vorgelegt, das wesentliche Fragen von Theorie und
Praxis heutiger Seelsorge aufgreift. Es sollte weite Verbreitung
finden.

Bielefeld Dietrich Stollberg

MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE

Kasdorf, Hans: Gemeindewachstum als missionarisches Ziel. Ein

Konzept für Gemeinde- und Missionsarbeit. Bad Liebenzell:
Verlag der Liebenzeller Mission [1976]. 283 S. 8° » TELOS-
Bücher, Nr. 1700: TELOS-Skript. DM 17,80.

Die Aufgabenstellung des Buches ist die Entwicklung eines Programms
des Gemeindeaufbaus und der Mission auf evangcliknlcr
Grundlage. Kasdorf, Brasilianer deutscher Abstammung, ist selbst
dort als Missionar tätig gewesen. Er entwickelt aber kein eigenes
Konzept, sondern das des US-amerikanischen Theologen McGav-
ran, der nach einer Missionstätigkeit in Indien zunächst ein „Institut
für Gemeindewachstum" in Eugene im US-Staat Oregon leitete
, eine Art Forschungsinstitut für missionarische Konzept ionen.
Er wurde dann zum Leiter der „Schule für Weltmission und
Gemeindewachstum" in Pasadena im US-Staat Kalifornien berufen
, wo er die Forschungsarbeit mit der Ausbildung von Studenten
vereinigen konnte. Die entscheidende These dieses Missionsverständnisses
liegt darin, daß es in der Mission um „Gemeindewachstum
" geht, was wiederum das „Jüngermachen" (190) zur
Voraussetzung hat. „In diesem Auftrag erfährt die christliche
Mission ihre Begründung, Zielsetzung, Arbeitsaufgabe und den
Inhalt ihrer Verkündigung" (190 nach der Frankfurter Erklärung).
Man kann also am Wachstum einer Gemeinde den Missionserfolg
ablesen, was anhand einer Reihe von Statistiken erläutert wird
(214ff.). Selbstverständlich spielt die Bekehrung des Einzelnen dabei
eine wesentliche Rolle (147ff.), wie auch die Gemeinde vor
allem danach beurteilt wird, in welcher Weise sie die „Neubekehrten
" behandelt: sie muß ihnen „mit Taufe und Abendmahl" dienen,
sie „in ihren Gemeinschaftskreis aufnehmen", sie „aufbauen und

gründen" und sie „ermutigen und ermahnen" (alles 160ff.). An
einer Fülle von Beispielen wird nachgewiesen, daß die Gemeinde
das auch wirklich kann (168 ff.). Natürlich setzt sich das Buch mit
Missionsverst ändnissen auseinander, die nach Absicht des Vfs. (und
der Schule, die er vertritt) falsch sind. So gehe es „vielen ökumeni-
kern" nicht mehr um die „Evangelisierung aller, die nicht an Jesus
Christus als den gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn glauben
" (87). Die Kommission für Weltmission und Evangelisation
des ökumenischen Rates werde „vielfach von Personen kontrolliert
", die sich auf die Seite „eines blassen Liberalismus bis hin zur
extremen ideologischen Linken der Säkularisations- und Revolutionstheologie
stellen" (87). Begriffe wie „Christliche Präsenz,
Dialog, Entwicklungshilfe, Industriemission, Friedensmärsche,
Schalombestrebungen, finanzielle Unterstützung von Befreiungsbewegungen
, wirtschaftliche Selbsthilfe, Schlagworte wie .christo-
zentrischer Synkretismus', .Spiritualität für den Kampf" weisen
auf ein pluralistisches Missionsverständnis hin, das wirkliche Evangelisierung
unmöglich macht (88f.). So kann es auch nicht heißen
„Kirche ist (im Buch gesperrt) Mission", sondern es muß heißen
„Kirche hat eine Mission" (89). Mission ist in erster Linie am Wort
orientiert, und wo dieser Vorrang des Wortes gefährdet erscheint,
kann es sich nicht mehr um christliche Mission handeln. Das macht
eine evangelikale Beurteilung missionarischer Theologien und Strategien
leicht: sowie in irgendeiner Weise nonverbale Aktivitäten in
missionarisches Handeln einbezogen sind, macht es sich verdäch-
tig.

Den Kenner wird das nicht wundern. Wundern wird ihn vielmehr
, daß sich bei Kasdorf trotzdem erstaunliche Übereinstimmungen
finden mit denen, die er verurteilt: So wird etwa in einem
Kapitel vom „Kulturgebundenen Menschen" (29 ff.) so etwas wie
eine Situationsbezogenheit der Verkündigung und die Suche nach
einem Anknüpfungspunkt vertreten, wenn auch in einer völlig
neuen Terminologie. Vicedoms Buch „Missio Dei" wird ebenso
positiv zitiert (122) wie Hoekendijk (120), auch wenn man sich an
anderer Stelle mit ihm auseinandersetzt.

Im Anschluß an ein Zitat Vicedoms kann gesagt werden, daß es
„um die Verkündigung des Evangeliums zur Errettung der Seelen
und um den Dienst der Barmherzigkeit am bedürftigen Mensehen
geht" (261).

Es gibt auch „keine evangelistische Handlung, aus der nicht auch
soziale Aktion erfolgt" (93).

Um der Gaben in der Gemeinde willen kann man nicht unterscheiden
zwischen dem „kleros („Geistlichkeit") und dem laikos
(„Nichtgeistlichkeit")" (125).

In diesem Zusammenhang wird die Kritik der Evangelikaien an
den Durchschnittsgemeinden (und deren Missions Verständnis)
überzeugend und schwer widerlegbar. Auch dafür ein paar Zitate:
„Eine Gemeinde, die nicht evangelisiert, ist auf dem Wege zum
Friedhof." (50) Die Gemeinde „ist nicht nur ein Werkzeug Gottes
in seinem wunderbaren Heilsratschluß. .., sondern vor allen Dingen
der Gegenstand seiner ewigen Freude, Wonne, Liebe und
Glückseligkeit" (81). „Wenn das ganze Wirken einer Gemeinschaft
erst vom Selbsterhaltungstrieb bestimmt wird, ist eine Vermehrung
undenkbar und man kann mit einem sicheren, wenn auch
langsamen Sterben desselben rechnen" (129). Von einem Evangelisten
in Costa Rica wird gesagt: „Er hat eine Anzahl ,Timo-
theusso' hinterlassen . . . (Er) trug darum Sorge, daß junge Einheimische
herangezogen und für den Dienst ausgebildet werden"
(162).

Zweifellos ist K.s Buch ein wichtiges Buch, so wie das evangelikale
Missionsverständnis eine notwendige Korrektur darstellt im
Blick auf Einseitigkeiten anderer Missionsverständnisse. Die Frage
nach dem Wachstum der Gemeinde wie auch nach der Bekehrung
des Einzelnen zum Jünger Jesu taucht in missionarischen Theologien
der Gegenwart oft überhaupt nicht auf bzw. man wagt sie
nicht mehr zu stellen, wenn man etwas auf sich hält. In diesem
Sinne kann ein Ruf zur Bibel keiner Gemeinde schaden. Trotzdem
hat man wie oft gegenüber evangelikalen theologischen Versuchen
den Eindruck, daß man es sich weithin zu leicht gemacht hat. Da
sind die Pauschaiurteile über den ökumenischen Rat und den
Internationalen Missionsrat (105). Da wird der sogenannte „Theologe
" wie auch der „Anthropologe" im Gegensatz zum „Ethno-
t licologen" (30) abqualifiziert, ohne daß man daran denkt, daß