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Ausgabe:

1978

Spalte:

601-602

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kraus, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Reich Gottes - Reich der Freiheit 1978

Rezensent:

Langer, Jens

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Seite 1

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001

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1078 Nr.8

002

Willen seinem Sohn eingebildet und erhält damit eine Weise, die
als ,Sein in Christus' oder ,Sein Christi in ihm' eine bestimmte ist"
(278). Gleich danach wird auf die Geistlichen Übungen des Ignatius
von Loyola verwiesen. Damit wird der theologiegeschichtliche
Ort Balthasars völlig deutlich. Überstiegenheiten einer Vergot-
tungsmystik weist er zurück: was das geistige Wesen im Gläubigen
erhorche, sei „nicht eigentlich erfüllend, sondern verheißend"
(365).

Ausgespart für einen späteren Band ist die Bedeutung Christi als
Mittler zwischen Gott und den Menschen (393). Das zentrale
Thema wird in den letzten Partien des Buches nur umrissen, so
wie auch die Themen „Sünde", „Versuchung", „Tod", „Auferstehung
". Sehr aphoristisch - um nicht zu sagen: verspielt -
wirken die Andeutungen zu eucharistia und communio. Man wird
gewiß sein, daß das alles in folgenden Bänden noch in Breite entfaltet
werden wird.

Wenigstens hingewiesen sei auf große Exkurse - wir nennen sie
so, nicht der Vf., der sie als gleichrangig seiner Dogmatik einreiht,
so über die beiden Schöpfungsberichte der Genesis, über das theologische
Verhältnis von Mann und Frau, von Individuum und
Gemeinschaft u. a.

Würde ein biblisches Stellenregister beigegeben sein, würde
hervortreten, in welch hohen Rang Aussagen des Kolosser- und
Epheserbriefes und der Apokalypse erhoben sind. Balthasar folgt
auch darin Maximus, der „die kosmische Zentralstellung Christi"
mit Nachdruck vertreten hätte (201).

Wir mußten uns damit begnügen, Hauptlinien des Werkes nachzuziehen
. Was im Übermaß nebenher geschieht, konnte nur angedeutet
werden. Nur Wenige werden sich im dogmengeschichtlichen
Wissen mit Balthasar messen können.

Auf dem linken Titelblatt wird jetzt die Gesamtanlage des Werkes
bekannt gegeben. Dem hier besprochenen Teilband soll ein
zweiter Halbband „Die Personen in Christus" folgen. Band III hat
die Überschrift „Die Handlung", Band IV „Das Endspiel". Ob
und inwieweit die in Aussicht stehenden Bände in Teilbänden erscheinen
werden, wird nicht verraten, steht aber zu befürchten.
Zum Gespenst der Aufblähung haben wir uns am Schluß unserer
Besprechung von Band I geäußert und wollen es nicht wiederholen
.

Rostock (iottfried Holtz

Kraus, Hans-Joachim: Reich Gottes - Reich der Freiheit. Grundriß
Systematischer Theologie. Neukirchen / Vluyn: Neukircbe-
ner Vorlag des Erziehungsvereins [1975]. 442 S. 8°.

Dieses ist ein konservatives Buch, und es ist ein progressives
Buch. Worin liegt dieses Zwei-Naturen-Paradoxon begründet?

Konservativ im besten Sinne kann dieses Werk genannt werden,
weil es die Geschichte Gottes mit seinem Volk bewahrt. Wer gewohnt
ist, zuerst den Lehrgehalt auf Vollständigkeit zu prüfen,
kann seines Amtes getrost walten und wird kaum eines Fehls angesichtig
werden. Der Leser wird in den Prolegomena u. a. über die
Bibel beider Testamente und - kritisch - über das Problem der
Iteligion unterrichtet. Gotteslehrc, Christologie, Pneumatologie
Und Ekklesiologie werden knapp, aber instruktiv dargestellt.

Progressiv wirkt der Grundriß nach Meinung des Rez. vor allem,
weil der Autor dio I^eser in die eschatologische Spannung christlichen
Lebens und Glaubens hineinnimmt. Treue zur Erde in diesem
Entwurf (vom ersten Abschnitt an!) wird nicht zuletzt auf die
Kenntnis des Autors, die er vom Leben und Glauben im Alten
Testament besitzt, zurückzuführen sein. Bestanden wird darauf,
daß eine in der Relation Theorie-Praxis wirkende Denkweise der
auf die Umwälzung des Reiches Gottes bezogenen Theologie angemessener
ist als die des deutschen Idealismus. „In der Rezeption
der Theorie-Praxis-Relation hat die Theologie nach dem Tatcharakter
des ihr anvertrauten Worts und nach den weltveränderndem
Konsequenzen des kommenden Reiches Gottes zu fragen"
These 15.9, S.82. Original wie alle Thesen kursiv).

Auf den zentralen Punkt der Botschaft Jesu wird inmitten der
Wirrnisse aller Christentümer jeder Punkt theologischer Überlegung
bezogen. Dio Theologie z. B., dio als kritische Wissensethaft

im Erkennen und im Denken des Glaubens definiert wird, ist nach
Kraus „primär dem durch die Stimme der Zeugen eröffneten Kommen
des Reiches Gottes zugewandt" (TheseI. 5.1, S.64); von der
Systematik speziell wird erwartet, daß sie ihr Erkennen „auf die
Geschichte des befreienden Wortes und Werkes Gottes in seinem
kommenden Reich" bezieht (These I. 6, S. 85).

Bei diesem Grundriß handelt es sich in erster Linie um ein Lehrbuch
- vermutlich vor allem für Lernende höherer Semester, und
das werden sie alle einmal, die darin lesen wollen. Das Anliegen besteht
mehr in Vergewisserung als in dem Angebot neuartiger Ideen.
Dem Vf. ist Respekt dafür zu bezeugen, daß er es wagte, einen
Grundriß vorzulegen und dabei seine eigene Position so unver-
brämt auszudrücken. Die Leistung liegt wesentlich inder Beschränkung
und dem Verzicht, ohne den Leser in der Möglichkeit der
Auseinandersetzung einzuengen. Dabei stellen sich die Anmerkungen
übrigens häufig als Fundgruben (und nicht als Fundgruben)
heraus.

Die eschatologische Spannung, von der weiter oben die Rede war,
gibt der Lektüre bisweilen etwas Mitreißendes, wenn der Leser
nämlich in Anforderungen des Reiches Gottes hineingezogen wird.
Auch das ist sicher bemerkenswert bei einem Band, in welchem nie
der Rahmen eines Grundrisses und eines seriösen Lehrbuches verlassen
wird.

Berlin Jens Langer

ETHIK

Ginters, Rudolf: Typen ethischer Argumentation. Zur Begründung
sittlicher Normen. Düsseldorf: Patmos Verlag [1976]. 147 S. 8°
= Texte zur Religionswissenschaft und Theologie, hrsg. v.
H.Feld, H.Halbfas, G.Hasenhüttl, J.Nolte. Ethische Sektion,
IV, 1.

Rudolf Ginters, wissenschaftlicher Assistent an der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster, legt hiermit eine Textsammlung
vor, die mit einigen klassisch-geschichtlichen, vor allem aber
neueren Strömungen in der Ethik bekannt macht und hierbei das
Problem verfolgt, daß zu unterscheiden ist „zwischen der Frage
nach dem guten Handeln und der nach der richtigen Handlung
" (S.7). Hierbei wird ein Gefälle von reiner Pflichtethik zur
Nützlichkeitsethik sichtbar, das in Schlußausführungen von Ginters
selbst (der aber auch in kommentierenden Begleittexten seiner
Textauswahl Gestalt gibt) indes aufgefangen wird durch Geltendmachen
beachtlicher Einwände, wenn man das ganze Gebiet ethischer
Normierung unter die Regel stellen wollte, einfach nur nach
dem größtmöglichen Nutzen für möglichst viele zu fragen.

Ein erster Teil breitet „deontologische Normierungstheorien"
aus und unterscheidet hierbei „akt-deontologische Normierung"
und „regel-deontologische Normierung". Für das Erstere steht als
einleitendes Beispiel Sartre, der die „Einmaligkeit jeder Situation
und die Unanwendbarkeit allgemeiner Kriterien" vertritt.
„Wonn die Werte unbestimmt sind und immer zu weit gespannt
für den bestimmten und konkreten Fall, den wir eben betrachten,
so bleibt uns nichts, als uns auf unseren Instinkt zu verlassen. Das
hat jener jungo Mann versucht zu tun" (S.19). Das Problem wird
freilich erst durch die im anschließenden Text (Phillips Griffiths)
aufgeführten Einwände recht deutlich: „Sicherlich würde überhaupt
kein moralisches Problem entstehen, wenn nicht solcho
Dinge wie die Teilnahme am Widerstand (Verteidigung des Vaterlandes
) und die Sorge für seine alte Mutter (Sorge für seine Angehörigen
) sittlich relevante Merkmale einer Situation darstellen
würden. . . . Wenn es aber in dieser Situation sittlich relevante
Merkmale gibt, dann gibt es für sie auch entsprechende moralische
Prinzipien" (S.22). - Die „regel-deontologische Normierung" wird
vor allem an Texten der katholischen Ethik gezeigt: an V. Cathrein,
Papst Paul VI., Thomas von Aquin, B. Schüller u. a.

Der zweite Teil hebt konzentrierend das Prinzip der Unparteilichkeit
bzw. der Universalisierbarkeit als entscheidendes
Kriterium für die Bestimmung des sittlich Richtigen hervor und
verweist hierfür u. a. auf Kants Kategorischen Imperativ sowie
dio Goldene Regel. Aber auch die Opposition eines Vertreters der