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Ausgabe:

1978

Spalte:

579-580

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kemmler, Dieter Werner

Titel/Untertitel:

Faith and human reason 1978

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Seite 1

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Theologische Litcraturzcitung 103. Jahrgang 1978 Nr.8

58(1

Abhaiulhmgen gehalten sind. Sowohl im Text als in den zahlreichen
Anmerkungen setzt er sich mit der zeitgenössischen Forschung
auseinander. Wenn er dann aber seine eigenen Wege geht, sind
seine Interpretationen mitunter derartig subjektiv, daß man sich
nicht leicht von dem Eindruck freimachen kann, daß sein ganzer
wissenschaftlicher Apparat eher dazu dient, eine Art wissenschaftliche
Darstellung' vorzutäuschen, dort wo es tatsächlich nicht ist".

Soweit der Vf. Dazu der Rez.: Man muß gestehen, daß Bubers
Arbeitsmethode den posil ivistischcn und szientistischen Kriterien
derjenigen Wissenschaft nicht entspricht, die meint, die Wahrheit
durch taubere Methoden in den Griff bekommen zu können. Die
Arbeitsmethode von Karl Barth war ähnlich .mangelhaft' und
seine Forderung einer theologischen Exegese stand der Buberschen
ganz nahe. Anders gesagt: Buber ist „voreingenommen". Ist es
aber überhaupt möglich, die Bibel ohne eine bestimmte .Voreingenommenheit
', d. h. ohne Glauben, richtig und tief zu verstehen?
Das ist doch der wesentlichste Punkt im großen Ringen der .dialektischen
' - oder mit Buber der ,dialogischen' - Theologie mit der
negativ und skeptisch voreingenommenen ,Unvoreingenommen-
heit' der früheren theologischen Generationen! Es geht übrigens
ziemlich deutlich aus Bubers dialogischem Prinzip hervor, mit dem
Bich leider der Vf. sehr wenig befaßt hat. Das Prinzip bedeutet
(natürlich sehr vereinfacht ausgedrückt): Die Bibel ist da, um
mich anzusprechen. Indem ich aber angesprochen wurde, verstehe
ich sie im Lichte dieser Ansprache auch weiterhin als Ansprache,
und alle meine theologische Wissenschaft steht weiterhin im Dienste
des künftigen Angesproehen-Werdens. Wenn nicht, befasse ich
mich mit der Bibel als Historiker oder als Philologe, aber nicht als
Theologe. Nun, Buber ist Theologe, wohl der größte Theologe des
Judentums unserer Zeit. Und das fleißige und inhaltsreiche Buch
von Illman hat manches dargelegt und kritisiert, aber - nach Meinung
des Rez. - nicht das Wesentlichste an Bubers Hauptanliegen
widerlegt.

Prag Jan Heller

Cohen, Naomi, G.: The Theological Stratum of the Martha b.
Boethus Tradition. An Explication of the Text in Gittin 56a
(HThR 69, 1976 S. 187-195).

Collins, Adela Yarbro: Composition and Redaction of thn Testament
of Moses 10 (HThR 69, 1976 S. 179-186).

Hartman, Lars: "Comfort of the Scripture" - an Early Jewish
Interpretation of Noah's Salvation, 1 En. 10,16 11,2 (SEA
41/42, 1976/77 S. 87-96).

Slingerland, H. D.: The Testament of Joseph: A Redaction-C'ri-
tical Study (JBL 96, 1977 S. 507-516).

Weißkopf, Richard: Gematria, Buchstabenrechnung, Tora und
Schöpfung im rabbinischen Judentum (Theol. Promotion, Tübingen
1977/78).

NEUES TESTAMENT

Kemmler, Dieter Werner: Faith and Human Reason. A Study of
Paul's Method of Preaching as illustrated by 1-2 Thessalonians
and Acts 17, 2-4. Leiden: Brill 1975. XII, 225 S. gr. 8° = Supplements
to Nov. Test., ed. by W.C. van Unnik, XL. Lw.
hfl. 74.-.

Dem Buch liegt eine Cambridger Dissertation zum Erwerb des
Dr. phil. zugrunde, die unter C.F.D.Moule gearbeitet worden ist.
Es versteht sich aber betont als ein theologischer Beitrag.

Schon der Untertitel grenzt den reichlich weitgespannten Haupttitel
weitgehend ein. Auch er aber erweckt noch viel weitergehende
Erwartungen, als sie das Buch erfüllt. Denn tatsächlich will es
nicht die Predigtmethode des Paulus überhaupt behandeln, sondern
das nur tun mit Blick auf das „intellectual element", das sie
enthält (S. 1). Und auch das eben nur am Beispiel Thessalonich.

Der größere Teil des Buches befaßt sich mit Act 17,2^. Allerdings
behandelt K. einerseits nicht die Gesamtaussage dieser drei
Verse insgesamt, sondern nur bestimmte t ragende Begriffe in ihnen.
Andererseits aber greifen seine Erörterungen über diese Stelle hinaus
, indem er die Beröa-Perikope Act 17,10ff. in die Betrachtung

einbezieht und vor allem ausführlich die Frage verhandelt, was
Lukas unter dem Leiden versteht, dem Paulus im Vollzug seines
apostolischen Werkes notwendig ausgesetzt ist (Act 9,16). Auch
dieses Letzte steht unter der Uberschrift des § 1 „The ,intelleotual
element' inPaul's method of preaching with respect to the sourOM:
the .argument' from scripture", ohne daß erkennbar würde, daß
der Vf. das Leiden irgendwie als intellektuell bestimmtes Argument
aus der Schrift verstünde. Aber auch sonst spielt in diesem
Paragraphen das „Argument aus der Schrift" kaum eine Rolle,
weder in methodischer noch gar in inhaltlicher Richtung. Die Einbeziehung
des Leidens- Gedankens in seine Untersuchung überhau pt
rechtfertigt sich für K. von dem Inhalt her, den nach seinen Ergebnissen
Lukas dem Leiden des Paulus gibt: es vollzieht sich in der
Christus-Predigt selbst, nämlich in der Möglichkeit und Wirklichkeit
ihrer Ablehnung, in der Christus gelästert wird; das aber ist
begründet darin, daß die Verkündigung gänzlich in der Weise
menschlicher Vernunft ergeht.

Der § 2 des ersten Kapitels, das sich mit Act beschäftigt, will das
intellektuelle Element in der Predigt methode des Paulus mit Blick
auf den Zweck darstellen, nämlich die „Überzeugung" seiner Hörer
. Er besteht fast ausschließlieh aus einer Untersuchung des
Wortgebrauchs von ntl&fi* in griechischer Literatur des 8.-4. Jh.
v. Chr.1 (S.78-138; die „Sektion 2" dieses Paragraphen, „Application
of these observations with regard to Acts" umfaßt dagegen
nicht ganz vier Seiten!).

Obwohl der Vf. gelegentlich einschränkend von dem „lukani-
sohen Paulus" (S.44) oder von „Paul's preaching - aecording to
A(cts)" (S. 138) spricht, setzt er doch offenbar voraus, daß die
Pauhisdarstellung in Act historisch so zuverlässig ist, daß einzelne
Worte und Begriffe der lukanischen Darstellung auswertbar sind
für das Handeln und Denken des Paulus. So nimmt er aufgrund
von Act an, daß die Predigtmethode des Paulus sich bei dessen
Übertritt nach Europa geändert habe. „This change can . . . be
summarized as follows: in 14,3 Paul's preaching is confirmed by
miracles, in 17,11 Paul's hearers confirm his preaching after critical
hearing" (S. 12; vgl. S. 11 mit Anm.3 zur Verbindung von Wunder
und Predigt in Act 13-16). Dieser Wandel muß nach K. ein radikaler
gewesen sein. Denn für die Predigt des Paulus in Thessalonich
und Beröa bestreitet er jede Bedeutung von „Zeichen und Wunder"
scharf (S.35). In Kapitel 2, das die beiden Thessalonicherbriefc
zum Gegenstand hat und in dem K. „will continue with the ory-
stallization of the ,intellectual element' within Paul's preaching
methods" (S.147), behandelt er zuvörderst 1 Thess 1,5 mit dem
Ergebnis, daß dort überhaupt nicht von der Predigtmethode des
Paulus die Rede ist, sondern daß bei der Redo von der Kraft, dem
Hl. Geist und der großen Zuversicht Paulus denkt an „the additio-
nal testimonies of the gospel as clear proofs of the Thessalonians
election" (S. 166). Über die Möglichkeit und die Bedeutung eines
solcherart festgestellten Wechsels in der Verkündigungspraxis des
Paulus äußert K. sich nicht.

Außer 1 Thess l,4f. bearbeitet er 1 Thess 2,2f. („naQdxX^an is
the gospel described as eonsolation", ...consolation' can only come
by way of the ,understanding'", S. 177), sowie 2 Thess 2,2 und
2,13-15. Von diesen Stellen her gewinnt er eine Parallelisierung
von „teaching of the tradition" und „Coming of the gospel". Die
Autorität der Tradition aber wird nach K. von Paulus nicht durch
die Berufung auf eine „divine authority" begründet, sondern dadurch
, daß er sie intelligibel macht (S. 195).

In der Zusammenfassung schließlich scheint sich für den Vf. das
Problem „Glaube und menschliche Vernunft" als das Problem der
„Über-setzung" von Tradition als Zeugnis in die jeweilige Erfahrungswelt
darzustellen. Mit dieser Problemanzeige endet das Buch.
Man fragt sich, ob damit das eigentliche Problem überhaupt erfaßt
ist und ob es zu dieser Problemanzeige gerade der Erörterung der
vorangehend behandelten Texte bedurft hätte.

Der Wert des Buches besteht in sorgfältigen und aufschlußreichen
philologischen Untersuchungen zu Begriffen und Wendungen
der behandelten Texte. Ihre Verbindung mit der theologischen
Fragestellung scheint mir indessen nicht recht geglückt zu sein.

Halle (Saale) Traugott Holl /.

1 Merkwürdigerweise fehlt Xeiiojilion: dagegen ist S.104ff. Polybios einbezogen
.