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Ausgabe:

1978

Spalte:

575-576

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Isaacs, Marie E.

Titel/Untertitel:

The concept of spirit 1978

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 8

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eng zusammenhängt, als sekundär gestrichen wird. Die Absicht,
alle mystischen Züge von Ben Zoma fernzuhalten, ist hier allzu
offenkundig. Weiter ist gegen F. einzuwenden: Die Epikur nachgesagte
Behauptung, die Sonne sei nur einen Fuß groß, ist m. E.
nicht von Ben Zoma in seiner Spekulation über den Abstand der
beiden Wasser aufgenommen worden. Das Epikur-Zitat, das F. in
Zeile 7 entdeckt haben will, ist m. E. nicht herauszuholen.

Der als Appendix bezeichnete Teil IV - Epicurea et Rhetorica of
Ben Azzai? A Survey (S.90-97) - faßt Aussprüche von Ben Azzai
aus verschiedenen Themenkreisen skizzenhaft zusammen, die epikureische
bzw. rhetorische Einflüsse verraten könnten.

Fischeis Arbeit verdient darum Beachtung, weil sie anhand eines
breiten Vergleichsmaterials aus der griechischen und römischen
Literatur anschaulich macht, daß das rabbinische Judentum keine
isolierte Größe ist, sondern in ständiger Wechselbeziehung zu seiner
Umwelt stand. Es ist F. gelungen, die Herkunft nicht nur bestimmter
Ideen, sondern auch - und dies besonders überzeugend -
bestimmter Stil- und Redeformen aus der griechisch-römischen
Kultur nachzuweisen. Dies war nur durch eine intensive Einarbeitung
in zwei Disziplinen - Judaistik und klassische Altertumswissenschaft
- möglich. Den Bereich einer Disziplin überschreitende
Arbeiten sind immer ein Wagnis, aber ohne solches Wagnis kommt
die Wissenschaft nicht voran. Wenn diese Rezension hier und dort
auch Kritik anmeldet, so will sie damit doch nicht den Vorstoß in
ein Neuland, den der Vf. unternommen hat, abwerten. Sie will nur
Warnungszeichen dort setzen, wo in der Suche nach Analogien zu
weit gegangen sein könnte.

Das Bild, das F. entworfen hat, ließe sich m. E. noch differenzieren
, wenn in stärkerem Maße überlieferungsgeschichtliche Fragen
an den Stoff herangetragen würden. Eine Legende über einen
Rabbinen braucht nicht unbedingt einen Anhalt an seinem Auftreten
oder seinen Anschauungen zu haben, und es ist nicht jede
Autorenangabe in gleicher Weise glaubwürdig; es kommt auf das
Alter der Quelle an.

Hilfreich wäre eine Bibliographie gewesen, da der vorauszusetzende
Leserkreis - z.T. Judaisten, z.T. Altphilologen - entweder
nur den einen oder den anderen Wissenschaftsbereich überschauen
dürfte und hiermit Grundinformationen braucht.

Berlin Ludwig Wächter

1 Vgl. B. Meyer, Hellenistisches in der rabbinischen Anthropologie, BWANT
IV 22, Stuttgart 1937; L.Wächter, Der Einfluß platonischen Denkens auf rabbinische
Schöpfungsspekulationen, ZB.GG XIV (1962), S.36-56; ders.: Astrologie
und Schicksalsglaube im rabbinischen Judentum, Kairos XI (1969), S. 181-200.

Isaacs, Marie E.: The Concept of Spirit. A Study of Pneuma in
Hellenistic Judaism and its Bearing on the New Testament.
London: Heythrop College (University of London) 1976. XV,
186 S. 8° = Heythrop Monographs, ed. by M.J.Walsh, 1.
£ 3.50.

Obwohl ziemlich viel (vor allem auch englische) Literatur gelesen
und sehr viele Textstellen genannt sind, also ein umfassender
Überblick gegeben wird, lohnt sich die Lektüre kaum. Daran ist
freilich die Vfn. nicht die Hauptschuldige; denn eine so umfassende
Darstellung, die dazu noch das ganze NT bespricht (nicht nur oder
doch besonders die Einflüsse des hell. Judentums darin), ist in
einer Dissertation einfach nicht zu bewältigen. Am anregendsten,
auch zu Widerspruch reizend, sind vielleicht die kurzen Folgerungen
S. 143-145: Einflüsse des hell. Judentums zeigen sich in der
Eschatologie in der Hervorhebung des Mose, ferner in der Lösung
des Geistes vom Dämonischen, in der eigentlichen Geistlehre eher
negativ in der Exklusivität, die das Judentum und polemisch dazu
dann das Christentum für seinen Geistbesitz reklamierte, schließlich
in der Christologie, wo die Sophiagestalt die enge Verbindung
von Christus und Geist ermöglichte.

Weithin kommt es aber zur bloßen Aufreihung von Aussagen,
ohne daß die Probleme in Sicht kommen. Daß der (ja auch englisch
vorliegende) Beitrag des ThWNT zu pneuma im hell. Judentum
(W. Bieder) in der Bibliographie nicht und sonst nur einmal
ganz allgemein und nicht einmal abgegrenzt von Baumgärtels Artikel
erwähnt wird, ist grotesk. Wie kann man den paulinischen
Gegensatz von „Geist" und „Fleisch" behandeln, ohne jo zu erwähnen
, was seit Bultmanns NT-Theologie klar ist, daß xaxu oäpx«,
mit dem Verbum verbunden (also ein menschliches Fehlverhalten
bezeichnend), streng zu scheiden ist von einer bloßen Näherbestimmung
eines Substantivs oder auch einer Verbindung wie iv auoxi
neginaztlf (2Kor 10,3), ob man dabei (wie ich, vielleicht etwas zu
einseitig) das noch ganz im Licht des AT sieht oder (wie Brandenburger
, Fleisch und Geist; nie angeführt 1) schon beeinflußt von
einem durch das hell. Judentum vorbereiteten Dualismus (zu
S.981'.)? Wie kann man das Problem nt'Evuarixuijiliv^ixui besprechen
, ohne zu sagen, daß der Gegensatz auch Jak 3,15f. und dort
viel typischer („irdische, psychische, dämonische" / „von oben
kommende Weisheit"!) erscheint (S.77f.)? Außerdem hätte ein
Blick ins ThWNT gezeigt, daß Philo (neben vielen anderen Stellen)
Leg All III 247 sogar die Seele mit der von Gott verfluchten Erde
gleichsetzt, hier also mindestens eine Wurzel des sonst unerklärlichen
Sprachgebrauchs liegt. Wie kann man Joh 6,48-58.63 besprechen
und „Brot des Lebens" als Sakrament verstehen ohne zu
erwähnen, daß V.51b-58 fast allgemein entweder als sekundärer
Zusatz oder als aufgenommene Tradition dem eigentlich johannei-
schen Anliegen entgegengesetzt werden (S.93), oder bei Rom 1,4
nichts davon, daß die Annahme einer traditionellen Formel den
(auch nicht genannten) ungewohnten Gebrauch von xcnä odoxa und
xniä nvivud erklären könnte (S.99)? Man kann solche Scheidungen
ablehnen, aber man darf sie nicht einfach unerwähnt lassen. Man
kann auch iranischen Einfluß auf die qumranische Zwei-Geister-
Lehre abstreiten, müßte dann aber ähnliche Gegensatzformulierungen
im hell. Judentum aufzeigen, nicht nur positive Aussagen über
die Weisheit, und außerdem sehen, daß der johanneische Dualismus
von „Licht und Finsternis" ja genausogut iranisch sein könnte,
also keinen Gegenbeweis bildet (S. 107f.). Bei der Taufe „mit Feuer
und Geist" müßte geschieden werden zwischen einem Verdammungsgericht
in „Feuer und Sturmwind" (Jes 4,4; noch näher
Liegendes bei Schweizer, NTD 1 zu Mk 1,8) und einer Scheidung,
die durch „Feuer" straft und durch „Geist" rettet (so 1QS 4,
S. 114f.). Auch müßte S. 128-135 differenziert werden zwischen
Jesus als „zweitem Mose"; einer rein typologischen positiven oder
negativen Entsprechung und einer im Schema Verheißung/Erfüllung
gedachten Zuordnung. Daß in Hebr und Joh Christus als die
neue Tora verstanden wird (betont S. 112,132), bezweifle ich.

Wir hören zwar oft, was dieser oder jener Autor sagt; meist wird
dann diesem oder jenem recht gegeben, oft aber ohne Hinweis auf
Texte, geschweige denn aufgrund einer wirklichen Textanalyse.
So wird z. B. Barrett (vielleicht zu Recht) vorgeworfen, er sehe den
Geist nicht in der Eschatologie Jesu, der doch das Gleiche gehofft
haben könnte(!) wie Joel 2,28ff. S. 142 wird meine Feststellung
übernommen, Jesus habe kaum je vom Geist geredet, aber dagegen
gehalten, er könnte(!) doch seine Berufung auf den Geist zurückgeführt
haben. Texte werden keine angeführt. Für die „Armen im
Geiste" (Mt 5,3) wird auf die einzige wirkliche Parallele 1QM 14,6f.
(S.72, im ThWNT genannt, aber nicht hervorgehoben) nicht verwiesen
. Vieles ist ungenau. „Geist Gottes" oder Geist als „Ausfluß
Gottes" ist doch nicht Gleichsetznng von Geist und Gott (S.25);
daß der Paraklet die Jünger an die Worte Jesu erinnert, heißt doch
nicht, daß der Geist „located in the person of Jesus" (S.94) sei.
Engländer haben es schwerer, weil sie (vielleicht zu Recht) nicht
nach den griechischen Akzenten betonen; aber daß die Setzung der
Akzente fast zur reinen Glückssache wird, Falschakzentuierungen
(wie in Xuiano oder normale Lifinitive mit - tiv) dauernd wiederholt
, außerdem falsche Formen gebildet werden (S. 102 Subst. sing,
mit Adj. plur., S. 104 Artikel beim Adj. nach artikellosem Subst.,
Akk. statt Nom. [so auch S. 120], S. 106 falscher Gen. usf.), dürfte
in einer gedruckten Dissertation nicht mehr passieren. Ist die berühmte
klassische Bildung englischer Gelehrter derart verschwunden
?

Zürich Eduard Schweizer