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Ausgabe:

1978

Spalte:

35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Cullmann, Oscar

Titel/Untertitel:

Die Christologie des Neuen Testaments 1978

Rezensent:

Rohde, Joachim

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35

Theologische Literalurzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

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wenn er vom Leibe spricht, sondern er ist bestimmt durch
seine Christusschau (1 Kor 9,1; 15,8—10), die auch sein Leibverständnis
bestimmt.

Noch zwei Fragen: Ist in 1 Kor 12,3 das „Anathema Jesus"
wirklich eine Formel der enthusiastischen Korinther, die mit
ihr den pneumatischen Christus vom irdischen Jesus unterscheiden
, oder macht Paulus mit einer Formel, mit der er selbst
Jünger Jesu zur Verfluchung Jesu gegen ihr Bekenntnis „Kyrios
Jesus" veranlaßt hatte, deutlich: Im Bekenntnis „Herr ist
Jesus" wie an dem Gebetsruf, der das „Gott ist Vater" enthält
(Rom 8,15; Gal 4,6), spricht sich der heilige Geist in den von
ihm ergriffenen Menschen aus? Es erscheint mir unwahrscheinlich
, daß es um das Jahr 54 in einer Christengemeinde
eine Verfluchung des irdischen Jesus durch ihre Glieder gegeben
habe. Und ist das Verständnis der Auferstehung als
„Auffahrt des pneumatischen Wesens" ein Gegensatz zum
„eschatologischen Treuegeschehen" in der Auferstehung (Bauer-
Zitat von Zimmerli — S.90)? Man muß doch wohl unterscheiden
zwischen einem theologischen Urteil — so bei Zimmerli — und
Vorstellungsformen, die auf ihre Sachentsprechung zu befragen
sind.

K.-A. Bauer hat in seiner Studie einen die Sacherörterung
um die Leibfragc bei Paulus bereichernden und fördernden
Beitrag geliefert, und er tut das in einer Sprachfindung, die
theologische Überlieferung neu auszusagen sich bemüht, was
nicht allenthalben geglückt erscheint, aber auch oft homiletische
Hilfe darstellt. Ihm gebührt für seine Arbeit Dank und
Anerkennung, die am besten im Gespräch mit ihm zuteil wird.

Walter Grundmann f

Cullmann, Oscar: Die Christologie des Neuen Testaments.

5. Aufl. Unveränderter Nachdruck der 3., durchgesehenen
Aufl. Tübingen: Mohr 1975. XII, 352 S. gr. 8°. Lw. DM 59,-.

Die 5. Auflage des bekannten Werkes von O. Cullmann ist
ein unveränderter Nachdruck der 3. Auflage von 1963. Gegenüber
der 2. Auflage von 1958, die zum Vergleich herangezogen
wurde, sind die Veränderungen außerordentlich gering. Lediglich
im Vorwort setzt sich der Vf. mit den Kritikern der vorangegangenen
1. und 2. Auflage auseinander und verweist gegenüber
den Untersuchungen von F. Hahn und H. E. Tödt auf
seinen eigenen Band gesammelter Aufsätze sowie auf sein Buch
„Heil als Geschichte". Während der Haupttext völlig unverändert
geblieben ist, wurden an 76 Anmerkungen insofern
Veränderungen vorgenommen (vgl. die von E. Fascher in der
Rezension der 2. Aufl. gegenüber der 1. Aufl. in ThLZ 87, 1962
Sp.882 f. notierten Veränderungen), als die angeführte Literatur
nach den inzwischen erschienenen neuen Auflagen zitiert
und die Seitenzahlen auf diese neuen Auflagen umgestellt
wurden. Bei zwei Anmerkungen (S.257( und 299,) wurde diese
Umstellung auf die 3. Aufl. von Bultmanns NT-Theologie nicht
vorgenommen, und Conzelmanns „Mitte der Zeit" wird nicht
nach der 4. Aufl. von 1962, sondern noch nach der 3. Aufl. von
1959 zitiert. Käsemanns Aufsatz „Das Problem des historischen
Jesus" hätte bereits nach „Exegetische Versuche und Besinnungen
", Band I, angeführt werden können.

Einer neuen Auflage wäre zu wünschen, daß sie dann nicht
nur auf dem neuesten Stand der Literatur ist, sondern auch
eine eingehende Auseinandersetzung mit ihr erkennen läßt.

Berlin Joachim Rohde

KIRCHENGESCHICHTE:
ALLGEMEINES UND
TERRITORIALKIRCHENGESCHICHTE

Duchrow, Ulrich, u. Wolfgang Huber [Hrsg.] in Zusammenarb.
m. K. Eichholz, F. Heidler, K. Hertz, W. Kistner, G. Nagy,
H.-J. Prien, L. Reith: Die Ambivalenz der Zweireichelehre

in lutherischen Kirchen des 20. Jahrhunderts. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1976]. 242 S. 8° =
Texte zur Kirchen- und Thcologiegeschichtc, hrsg. v. G. Ruhbach
unter Mitarb. v. G. A. Benrath, H. Schcible u. K.-V. Selge,
22. Kart. DM 28,-.

Die an der Leuenberger Konkordie beteiligten Kirchen haben
sich zu Lehrgesprächcn verpflichtet. Und der in Leuenberg gebildete
Fortsetzungsausschuß hat auf Grund der Vorschläge
aus den Kirchen zwei Themen als vordringlich ausgewählt,
deren eines lautet: „Zwci-Reiche-Lehre/Lehrc von der Königsherrschaft
Jesu Christi". Durch die Dclcgicrtcnversammlung
vom 10. bis 16. Juni 1976 in Sigtuna (Schweden) werden die
Kirchen aufgefordert, zunächst in kleinen Gruppierungen auf
regionaler Ebene mit den Gesprächen zu beginnen, deren
Ergebnisse dann im Herbst 1979 in einer Delcgiertenversamm-
lung auf europäischer Ebene aufgenommen werden sollen.

Das vorliegende Qucllenheft, das von der Studienkommission
des Lutherischen Weltbundes initiiert ist (S.10), bietet
allen Teilnehmern an den Lehrgesprächen, aber auch den
Kirchen, die dann diese Gespräche beurteilen sollen, eine unschätzbare
Hilfe. Es wird ergänzt durch zwei andere Hefte der
„Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte": Heft 17 „Die
Vorstellung von zwei Reichen und RegimcnLcn bis Luther" und
Heft 21 „Umdeutungen der Zwcireichelehrc Luthers im 19. Jahrhundert
". Zu diesen drei Veröffentlichungen bemerken die
Herausgeber: „Die Leitfrage ist historisch und systematisch
zugleich: Was hat die Geschichte der lutherischen Kirchen aus
Luthers Vorstellung von zwei Reichen und Regimenten gemacht
? Welches waren die historischen Bedingungen und
Folgen? Welches sind deshalb die Gefahren und Chancen, auf
die wir, die wir von dieser Geschichte mitbedingt sind, bei
einem heutigen Gebrauch von Luthers Vorstellungen achten
müssen?" (S.7). Zum Titel des Heftes 22 wird in der Einleitung
erläutert: „Das Stichwort ,Ambivalenz' im Titel dieses dritten
Hefts soll andeuten, daß diese .Lehre' in ihrer seit dem 19. Jahrhundert
ausgebildeten Form keineswegs immer der kritischkonstruktiven
Kraft des Wortes Gottes diente wie einst bei
Luther, sondern daß sie sehr leicht und häufig als Ideologie
zur schweigenden oder ausdrücklichen Legitimation bestehender
, selbst ungerechter Machtverhältnisse mißbraucht
werden konnte" (S.7).

Diese Ambivalenz der Zwcireichelehrc wird durch die abgedruckten
Texte aus den lutherischen Kirchen eindrücklieb
erwiesen. Es handelt sich bei diesen Stellungnahmen nur zum
Teil um Aussagen bekannter Theologen — so etwa für die Zeit
des ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik. Die
meisten Äußerungen und Erklärungen sind kirchenamtlichcr
Art oder von kirchlichen Zusammenschlüssen verfaßt. Daneben
sind Stimmen einzelner abgedruckt, die aber für die Einstellung
von Kirchen einen typischen Wert haben. Ein Literaturverzeichnis
weist auf die wichtigsten theologischen Arbeiten
hin, die „zur Zweircichelchre und zum zeitgeschichtlichen Zusammenhang
der in diesem Band wiedergegebenen Dokumente
" in der Weltchristcnheit erschienen sind (S.13).

Die Wiedergabe der Dokumente ist in sechs große Abschnitte
aufgeteilt, die jeweils im Ganzen und in ihren Unterteilen
durch sachkundige Einführungen eingeleitet werden. Teil I
berichtet über den deutschsprachigen Raum (S.19—140) und berücksichtigt
dabei in einem Unterabschnitt auch die DDR
(S.100-128). Teil II befaßt sich mit Ungarn (S.141-152),
Teil III mit dem südlichen Afrika (S.153-193), Teil IV mit
Lateinamerika (S.195-210), Teil V mit den USA (S.211-236)
und Teil VI mit dem Internationalen Luthertum (S.237—242).
Die Texte aus den verschiedenen Ländern und die Einführungen
dazu sind jeweils in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern
aus diesem Bereich ausgewählt beziehungsweise verfaßt. Von
den beiden Hauptherausgebern ist besonders Ulrich Duchrow
als guter Sachkenner der Zwci-Reiche-Lehre durch sein 1970
erschienenes Buch „Christenheit und Weltvcrantwortung" ausgewiesen
.

Heft 22 der „Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichtc"
hilft durch seine zum Teil erschreckenden Dokumente dazu.