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Ausgabe:

1978

Spalte:

563

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

McLeod, William H.

Titel/Untertitel:

The evolution of the Sikh community 1978

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr.8

564

Summ« summaruni: eine in ilirem Kern hervorragende Arbeit,
die neues Licht auf die Entstehung des Islam und die Exegese des
Qur'än wirft. Sowohl das umfangreiche Literaturverzeichnis
(S.484-502) als auch die zahlreichen Register (S.503-542) wird
jeder, der sich kritisch mit dem Qur'än auseinanderzusetzen hat ,
dankbar benutzen.

Jena Theodor Lolmiann

McLeod, W. H.: The Evolution of the Sikh Community. Five Essays
. Oxford: Clarendon Press; London: Oxford University
Press 1976. VIII, 119 S. 8°. Lw. £ 3.50.

In traditionellen Darstellungen wird die Entwicklung der Sikh-
Gemeinschaft in drei Stadien eingeteilt: Nänak und sein Werk;
Einbeziehung von militärischen Machtmitteln im 17. Jh.; Gründung
des Sikh-Ordens (khälsä) durch Guru Gobind Singh 1699.
Der Vf. der vorliegenden Schrift ist demgegenüber um eine tiefere
Erfassung der Geschichte des Sikhismus als Synthese von historischen
und soziologischen Faktoren bemüht.

Eine gute Übersicht über die Entwicklung im ganzen bietet das
erste Essay, das zum Thema den Titel des Buches hat. Wir heben
einige wichtige Momente hervor: Nänak (1469-1539), von dem der
Sikhismus seinen Ausgang nahm, vereinigte in seinem Werk zwei
Faktoren: hinduistische Bhakti-Mystik und Einflüsse der sog.
Näth-Tradition einer Hatha-Yoga treibenden Sekte, die alle äußeren
Symbole, Riten und Kasten verwirft.

Zwei Kasten hatten auf die Entwicklung der Sikh-Gemeinschaft
großen Einfluß: Die Kaste der Khatri, eine merkantile Kaste, aus
der alle zehn Gurus stammten, und die Jat-Gemeinschaft, eine
agrarische Kaste mit militärischen Traditionen (S. 10).

Ein weiteres Entwicklungsmoment war der Konflikt zwischen
Sikhs und den Moghul-Herrschern.

Höhepunkt der Sikh-Entwicklung war die Gründung der Khälsä-
Bruderschaft (1699), in der statt der Gültigkeit alter heiliger Schriften
und des Kultes zahlloser niederer Gottheiten Verehrung nur
Gott und dem Guru erwiesen wird (S. 15).

Der auf Gobinda Singh, den Gründer der Bruderschaft, folgende
Guru führte eine Taufzeremonie ein. Aus der Jat-Tradition stammt
das Gebot der fünf „K's": kes (ungeschnittenes Haar), kanghä
(Kamm), kirpän (Dolch), karä (Armring), kachh (ein Paar Hosen,
die nicht unter die Knie reichen). Diese Dinge muß der Sikh mit
sich führen.

Der zweite Aufsatz behandelt die religiöse Literatur der Sikhs,
vor allem den Adi-Granth und die Stadien der Entwicklung der
literarischen Überlieferung (S.22ff.). Dieser Abschnitt überschneidet
sich mehrfach mit dem vierten Essay über die Sikh-Schriften.

Das dritte Essay ist von religionssoziologischem Interesse; denn
es werden darin sozial zusammenhaltende Ideale und Einrichtungen
dargestellt: zunächst wird die soziale Bindekraft der Persönlichkeit
Nänaks erörtert (S.37fF.), sodann allerlei Riten und die geglaubte
Gegenwart der Gurus in ihren Worten (S.47).

Das vierte Essay (S.59ff.) behandelt die Sikh-Schriften und
vornehmlich die Geschichte des Adi-Granth, der zentralen heiligen
Schrift der Sikhs und seine Verehrung im Goldenen Tempel in
Amrsitar (S.63ff.). Das heilige Buch wird als Leib der großen Meister
angesehen.

Im fünften Essay steht ebenfalls ein soziologisches Phänomen
im Mittelpunkt: die Kaste und ihre Bedeutung im Sikhismus
(S.83ff.). Grundsätzlich wird seit Nänak die Wertlosigkeit der
Kaste betont. Im Adi-Granth heißt es: „Beachte das göttliche
Licht in einem Menschen und frage nicht nach seiner Kaste; denn
im Jenseits gibt es keine Kaste". Für die Erlösung hat die Kaste
also keinen Wert ; denn das künftige Schicksal des Menschen wird
durch die eigenen Taten und nicht durch die Kaste bestimmt.
Gleichwohl ist in der Sikh-Gemeinschaft das Kasten-System als
soziales Ordnungsgefüge nicht abgeschafft.

Eine auf gründlicher Quellenkenntnis beruhende und wertvolle
Einsichten in die Entwicklung der höchst aktiven Sikh-Sekte vermittelnde
Arbeit, die durch einen Glossar und bibliographische
Angaben in ihrem Wert erhöht wird.

Bonn Gustav Mensching

ALTER ORIENT

JaroS, Karl, Leimlehner, Marianne, u. Grete Swedik: Ägypten und

Vorderasien. Eine kleine Chronographie bis zum Auftreten Alexander
des Großen. Linz - Wien - Passau: Veritas-Verlag;
Stuttgart: Katholisches Bibel werk o. J. 206 S. m. 45 Abb. 8°.

Das vorliegende Buch soll einen ersten Überblick über die Geschichte
Ägyptens und Vorderasiens vermitteln und besonders
Studenten der ersten Semester, aber auch interessierten Laien eine
Einführung geben. Hauptverfasser ist K. JaroS, aus dessen Vorlesungen
an der Religionspädagogischen Akademie Linz die Darstellung
erwachsen ist. Die beiden Mitverfasserinnen, zwei Studentinnen
an dieser Akademie, zeichnen für je einen Teilabschnit f zu r
syrisch-palästinischen bzw. israelitischen Geschichte verantwortlich
. Der Stoff wird in vier Hauptabschnitten dargeboten. Jeder
von ihnen umfaßt eine große Epoche in der Gesamtentwieklunj;
der altorientalischen Geschichte (Vorgeschichte, 3. Jahrtausend
und 1. Hälfte des 2. Jts., 2. Hälfte des 2. Jts., 1. Jahrtausend bis
zum Beginn der hellenistischen Zeit) und ist seinerseits in Teilabschnitte
gegliedert, die den einzelnen für die jeweilige Epoche
wichtigen Völkern und Mächten gewidmet sind. Den meisten Teilabschnitten
sind detaillierte Königslisten beigegeben. Am Ende
des Buches werden auf rund 45 Seiten Karten, Pläne und Abbildungen
verschiedenster Art zusammengestellt, so daß die vorangehende
Darstellung veranschaulicht und ergänzt wird.

Es bedarf keines Nachweises, daß den Verfassern bei dem geringen
Umfang des Buches sehr enge Grenzen gesetzt sind. Für die
Behandlung der meisten Völkerschaften stehen nur wenige Seiten
zur Verfügung, so daß noch ungeklärte Probleme allenfalls angedeutet
werden können, im übrigen aber eine thetische Darstellung
der wichtigsten Vorgänge genügen muß. Auf Einzelheiten kann
hier nicht eingegangen werden. Lediglieh zu Israel, das ausführlicher
und auch eigenständiger behandelt wird, seien einige Bemerkungen
gemacht. Dessen Anfänge (S. 79-94) sind mit der amoriti-
schen Völkerwanderung des 20. und 19. Jhs. v.Chr. und mit der
protoaramäischen vom 15. Jh. v. Chr. an in Verbindung zu bringen.
Zu der ersteren gehört der Abrahams-Clan, der in Südpaläst iim
siedelt, im Zuge der letzteren dringen der Jakobs-, der Israel- und
der Josefs-Clan in Mittelpalästina ein. Der letztere wandert nach
Ägypten ab und kommt unter Moses Führung von da auf dem Weg
über den Sinai (in Nordarabien) ins Ostjordanland, wo Josua die
Führung übernimmt. Dieser veranlaßt den Übergang in das Westjordanland
, in das Gebiet des Jakobs- und Israel-Clans, und unternimmt
von dort aus eine Reihe von Blitzkriegen gegen kanaanäi-
sche Städte, die zwar zu keiner vollständigen Unterwerfung der
Kanaanäer, aber doch zu intensiverer Besiedelung durch die einzelnen
Clans führen. Diese Vorgänge führen zugleich zu einer Vereinigung
des Josefs-Clan mit dem bereits vorher zu einer losen
Einheit verbundenen Jakobs- und Israel-Clan. Derartige Zusammenschlüsse
werden mit der altarabischen Zeremonie des hilf
(= Eid, Bund) verglichen. Das bekannte Zwölf-Stämme-Schema
dagegen ist als eine künstliche Einteilung des späteren Israel zu betrachten
und dürfte erst in der salomonischen Zeit entstanden sein
(S. 137). Eine Auseinandersetzung mit dieser, im einzelnen nicht
näher begründeten Gesamtschau ist hier nicht möglich. Sie muß an
anderer Stelle, im Zusammenhang mit eingehenderen Erörterungen
des Hauptverfassers zu diesem Thema, erfolgen (vgl. seinBuch:
Sichern, Freiburg/Schweiz - Göttingen 1976).

Überblickt man das Buch als ganzes, dann stellt man sich freilich
die Frage, welchem Leserkreis es eigentlich empfohlen werden
kann. Die Vf. sind offenbar bestrebt, trotz der ihnen auferlegten
räumlichen Beschränkung ein Höchstmaß an Fakten und Namen
mitzuteilen. Die Folge ist, daß das besondere Profil einer Epoche
oder eines Volkes weniger deutlich wird und die Darstellung weithin
einen aufzählenden, z.T. geradezu aphoristischen Charakter
hat. Auch haben die Verfasser gänzlich auf eine allgemeine Einführung
, etwa in die geographischen Gegebenheiten und die
Lebensbedingungen des Orients verzichtet. Das bedeutet aber, daß
das Buch kaum dazu anleiten kann, sich selbständig in die Geschichte
dieser alten Kulturen einzuarbeiten. Wer es sinnvoll verwenden
will, muß bereits einige Vorkenntnisse haben oder eine
zusätzliche Einführung bekommen. Es eignet sich am besten zur