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Ausgabe:

1978

Spalte:

540-541

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Lerle, Ernst

Titel/Untertitel:

Grundriss der empirischen Homiletik 1978

Rezensent:

Voigt, Gottfried

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539

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 7

540

Pohier, Jacques: Wozu oder warum? Von der Psychoanalyse
inspirierte Überlegungen über den Sinn der Frage
„Wozu sind wir auf Erden?" (S. 505-511).

Ist die alte Katechismusantwort noch ausreichend?

Tracy, David: Eine katholische Antwort (S. 512-515).

Plamadeala, Antonie: Eine orthodoxe Antwort (516—520).

Persson, Per Erik: Eine lutherische Antwort (S. 521—525).

Lochen-, Gottfried: Eine reformierte Antwort (S. 525—529).

Ogden, Schubert: Eine freikirchliche Antwort (S. 529-533).

Anregungen für eine neue Antwort

Dobraczyriski, Jan: Ein europäischer Beitrag (S. 533—535).
Garvey, John: Ein nordamerikanischer Beitrag (536—538).
Cardenal, Ernesto: Ein lateinamerikanischer Beitrag
(S. 538-540).

Mbiti, John: Ein afrikanischer Beitrag (S. 540-542).
Ching, Julia: Ein asiatischer Beitrag (S. 542—544).
Moltmann, Jürgen: Das Reich Gottes als Sinn des Lebens
und der Welt (S. 545-548).

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Mühlen, Heribert: Einübung in die christliche Grunderfahrung
. Unter Mitarbeit von A. Bittlinger, E. Griese und
M. Kießig. I: Lehre und Zuspruch. II: Gebet und Erwartung
. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag [1976]. 210 S.
und 161 S. 8° = Topos-Taschenbücher, 40 und 49. Kart.
DM 8,80 und DM 7,80.

Die beiden Bände „Einübung in die christliche Grunderfahrung
" sind vor allem ein praktisches Buch. Sie bieten
ausführliches Material für die Durchführung eines Gemeindeseminars
zur Erneuerung und Erweckung lebendigen
christlichen Glaubens, „zur persönlichen Hinwendung zu
Christus" (I, 12). Der erste Band enthält Material für sieben
Vorträge und ist vor allem für die Hand des Leiters gedacht,
im zweiten Band finden sich einzelne Betrachtungen und
Ergänzungen zu diesen Vorträgen für den Teilnehmer des
Seminars. Dabei ist eine zeitliche Gliederung bereits aus
den Uberschriften ersichtlich: Die Vorträge sollen im Laufe
von sieben Wochen gehalten werden, die Betrachtungen für
den Teilnehmer sind dann sogar auf die einzelnen Wochentage
dieses Zeitraums aufgeschlüsselt.

Das Ganze bekennt sich offen zur Bewegung der charismatischen
Erneuerung, die heute in den verschiedensten Kirchen
und Gemeinschaften Menschen ergreift, in Gebetskreisen
sammelt, in denen sie die Gegenwart und die Gaben
des Heiligen Geistes neu erleben und empfangen und sich
für die Erneuerung der Gesamtkirche zur Verfügung stellen
. Aus den Vorworten zu den beiden Büchern und den
anhangsweise angefügten Dokumenten läßt sich einiges über
die Ziele und den Charakter dieser Bewegung erkennen
und der enge Zusammenhang zwischen der vorliegenden
„Einübung" und der charismatischen Bewegung ersehen.
Aber hören wir den Vf. selbst: „Im spirituellen Aufbruch"
„kündigt sich in allen christlichen Großkirchen eine neue
konkrete Gestalt des christlichen Glaubens an." Sie ist gekennzeichnet
durch „soziale Gotteserfahrung, Enttabuisie-
rung des persönlichen Verhältnisses zu Christus, Befreiung
zum Glaubenszeugnis, missionarische Liturgie, kirchliches
Amt als Charisma für andere Charismen" (I, 9).

Man ist beeindruckt von der ökumenischen Weite, mit der
hier für die Erneuerung der Kirche gearbeitet wird. Dies
geht so weit, daß der katholische Autor an einigen Stellen
(z. B. bei Beichte und Konfirmation) besondere von evangelischen
Autoren (E. Griese und M. Kießig) erarbeitete
Paralleltexte für evangelische Leser eingefügt hat. Erstaunlich
ist auch, wie sich hier unmittelbare persönliche Anrede
des Lesers bis hin zur Du-Anrede und der Aufforderung, an
bestimmten Stellen innezuhalten und sich diese und jene

Frage vorzulegen, verbunden wird mit großer Offenheit für
das historisch-kritische Schriftverständnis und für Erkenntnisse
der Psychologie. Und erstaunlich ist schließlich auch,
wie der Vf. über die Bemühung um das persönliche Gotteserlebnis
nie den Blick für die sozialen Probleme verliert, ja
beides sogar bewußt miteinander verbindet (vgl. I, 156 ff.).

Welches sind nun aber die einzelnen Schritte, in denen sich
die Einübung vollziehen soll? Die drei ersten Kapitel haben
offensichtlich die Aufgabe, die Gottesbeziehung überhaupt
in den Blick zu bekommen und zu erneuern. M. setzt ein mit
der Frage nach dem Sinn des Lebens, spricht dann über die
Erfahrung der Anwesenheit Gottes und schließlich über die
Probleme unserer Trennung von Gott und ihre Überwindung
in der Beichte. In Thema 4 und 5 wird dann das christo-
logische Zentrum angesteuert: Jesus Christus wird als „Ur-
charismatiker" dargestellt, in dessen Leben und Handeln
sich die charismatische Grunderfahrung des Vertrauens
zum Vater und der Öffnung für den Geist einmalig verkörpert
. Die Kirche wird dann als „Fortdauer der Geisterfahrung
Jesu in der Geschichte" (I, 111) beschrieben.

In diesen beiden Kapiteln liegt zweifellos das systematische
Schwergewicht des Buches. Es wird versucht, die entscheidende
Erfahrung der charismatischen Erneuerung in
der Christologie selbst zu verankern. Tatsächlich gelingt es
dem Vf. auch, wesentliche Züge der Jesusüberlieferung aufzunehmen
, wenn er etwa von dem Abba-Gebet Jesu oder
von dem Ereignis seiner Taufe ausgeht. Trotzdem erhebt
sich natürlich die Frage, ob hier nicht das Prophetisch-Charismatische
an Jesus einseitig unter Vernachlässigung der
anderen Traditionen betont wird. So wichtig es ist, dafür
Sorge zu tragen, daß charismatische Erneuerung nicht am
/.weiten Artikel vorbei die Heilsgegenwart des Geistes herausstellen
darf, so unübersehbar ist die Tatsache, daß Tod
und Auferstehung Jesu zwar durch den Heiligen Geist für
uns aktualisiert werden, aber als Ereignisse der Geschichte
ihre Selbständigkeit behalten. Jesus Christus ist nicht nur
Prophet, sondern auch Priester und König.

Für den weiteren Verlauf des Buches selbst sind diese
theologischen Einseitigkeiten zum Glück ohne besondere
Bedeutung. Schon die mehr praktisch orientierten Betrachtungen
des zweiten Bandes zu diesem Thema lassen sie fast
vergessen. Erst recht gilt das für die ganz den Problemen
der gegenwärtigen Wirklichkeit des Geistes gewidmeten
letzten beiden Themen: „Annahme der Geistesgaben: Weg
zur lebendigen Gemeinde" und „Laßt euch vom Geist führen
, prüft die Geistesgaben!" Hier ist der Vf. wieder ganz
bei der erquickenden Gegenwart der Gebetskreise und gibt
weise Anleitung zum Empfang der Geistesgaben bis hin zu
Vorschlägen einer Öffnung der kirchenleitenden Gremien
für das gemeinsame freie Gebet und die Erwartung der
Geistwirksamkeit.

Natürlich wäre an Einzelheiten noch vieles zu erörtern.
So etwa die Deutung der Ursünde als Mißtrauen, nicht als
Hochmut oder die Verteidigung eines besonderen Sakraments
des Geistempfangs neben der Wassertaufe. Aber das
sind letzten Endes für die „Einübung in die christliche
Grunderfahrung" untergeordnete Fragen. Im Mittelpunkt
steht das Anliegen, zu einer Erneuerung der Taufe und zur
Bereitschaft für den Empfang der Geistesgaben zu führen.
Man kann nur wünschen — und darum beten —, daß dieses
Buch nicht nur als Zeugnis eines neuen geistlichen Aufbruchs
zur Kenntnis genommen, sondern im Sinne des Vfs.
von recht vielen einzelnen und Gruppen benutzt wird.

Kar!-Marx-Stadt Friedrich Jacob

Lerle, Ernst: Grundriß der empirischen Homiletik. Berlin:
Evangelische Verlagsanstalt [1975]. 81 S. 8°. Kart. M 3,50.
Vf. legt zusammenfassend den Ertrag 15jähriger Forschung
auf dem Gebiet der empirischen Homiletik vor. Hat
sich die Homiletik vor 1920 gern mit dem frommen Menschen
, in den folgenden Jahrzehnten mit dem Worte be-