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Ausgabe:

1978

Spalte:

536-538

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bastian, Hans-Dieter

Titel/Untertitel:

Kommunikation 1978

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 7

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und allgemeingültige Logiflzierung unserer Wirklichkeit
verstehen (Pannenberg) — oder läßt sich dieses Geschehen
mit Logik gar nicht angehen (Barth) ? Hinter dieser Alternative
verbirgt sich die althergebrachte Frage nach dem
Wert der „Weisheit der Welt", nach dem Verhältnis von
Glaube und Vernunft, nach der Bedeutung menschlicher
Sprache für das offenbarende Reden Gottes, nach Inhalt und
Funktion des Kriteriums theologischer Aussagen: Jesus
Christus als Offenbarung Gottes, schließlich nach der Möglichkeit
theologisch-systematischen Denkens und seines
Wahrheitsanspruches überhaupt.

Vf. nimmt methodisch die semantisch-strukturalistische
Sprachanalyse auf (unter Abhebung von der Sprachphilosophie
als Zweig der Kulturphilosophie) in der Hoffnung,
daß „die strukturale Semantik einen eindeutigen und nicht
mehr verlierbaren Platz innerhalb der theologischen Pro-
legomena in der Klärung des Wahrheitsbegriffs und der
Methode der Dogmatik einnehmen wird" (30). Sieht man
daraufhin die methodologischen Erörterungen bei Barth (KD
§ 7, 2; § 23, 2; § 24, 2; 35 ff.), Eiert (73 ff.), Tillich (83 ff.) und
Trillhaas (100 ff.) und dann bei Heim (148 ff.) und Pannenberg
(151 ff.) an, dann läßt sich zunächst ein Gefüge von
neun funktionalen Konstruktionsprinzipien mit jeweils verschiedenen
Akzentuierungen herausstellen (Axiom-Syntax
der evangelischen Dogmatik): Der Stoff (a) wird am Kriterium
(b) gemessen (c), und zwar im Medium der Betroffenheit
(d), das in sich die Pflicht zur hermeneutischen Reflexion
als anthropologischer Konstante enthält (e). Dabei
gelten die Prinzipien der Rationalität (f) wie in anderen
Wissenschaften auch, um kontrollierbare Sätze (Ai = geltenwollende
Sätze) als Ergebnis von c zu erzielen, und zwar in
Anknüpfung an den gegenwärtigen Diskussionsstand (A2)
um der Kontinuität willen und im Vollzug des „wissenschaftlichen
Wirklichkeitsbewußtseins" (A3). „Diese neun
funktionalen Axiome mit ihrer variablen konkret-inhaltlichen
Füllung erscheinen uns als die Konstanten eines jeden
von uns untersuchten dogmatisch-theologischen Denkens
" (115). Diese Axiom-Syntax läßt sich noch weiter präzisieren
im Blick auf die Bestimmung der Sprache durch
den Sprecher einerseits und das Sprechen andererseits
(143 ff.).

Die dieser Axiom-Syntax wiederum zugrunde liegende
Konstante ist die Sprache selbst (L), die ihrerseits einer
struktural-funktionalen Analyse unterzogen werden muß
(116 ff.) hinsichtlich ihres Lautbestandes, Wortschatzes, der
grammatischen Syntax und semantischen Funktionen der
Zeichen und Syntax und schließlich der Sprachsituation.
Wendet man diese Analyse etwa in der neutestamentlichen
Exegese an, dann erweist sie sich als konsequente Weiterführung
formgeschichtlicher Methode (119). Die dabei analytisch
gewonnenen Strukturen und Funktionen der Sprache,
wie etwa die Wort-Satz-Strukturierung, die verschiedenen
Leistungsdimensionen der Sprache usw., führen zur Kernfrage
: inwiefern Theologie umgangssprachlich bedingt, verwurzelt
, vorstrukturiert ist (130 ff.). Fazit: „Wissenschaftliche
Begriffs- und Theoriebildung kann demnach als die
Weiterführung und der reflexe Ausbau des umgangssprachlichen
Sprachprozesses, vor allem des Prozesses der Satzbildung
, verstanden werden. Damit wird zugleich eingesehen
, wieso wissenschaftliches Denken stets umgangssprachliches
Denken voraussetzt und weiterführt ... So ist ein
jeder Satz eine Ganzheit als die Zusammenfügung (Syntax)
von Sprachfunktionen, die wirkend gegeben und aufeinander
nicht rückführbar sind: das Signummaterial, die semantische
Funktion der Signa, die Sprachsituation und die fünf
axi omatischen Funktionen der grammatischen Syntax:
Subjekt, Prädikat, Objekt, Attribut und Adverb mit den
ihnen eigentümlichen semantischen Funktionen. Die grammatische
Syntax eines jeden Satzes ist also eine funktionale
Axiom-Syntax, d. h. ein Ganzheitsmodell, in dem das Ganzheitsmodell
(die Axiom-Syntax) der Wissenschaften formal
vorweggenommen wird" (132 f.). Von hier aus läßt sich
dann auch das Verhältnis von Objektsprache und Metasprache
bestimmen (133 ff.): Theologische Sätze sind, sofern
sie als semantische Primärsätze (Basissätze) in der Dogmatik
in einer ersten deskriptiven Phase formuliert werden,
metasprachliche Beschreibungssätze. In der folgenden kritischen
Phase werden die Stellen aufgesucht, wo „nichtsprachliche
Wirklichkeit berührt (wird)" (= Sekundärsätze).
In der dritten, existentiellen Phase werden Objekt- und
metasprachliche Aussagen zugleich gemacht, da Existenz
und sprachlich gegebenes Problembewußtsein sowohl im
Glaubensakt als auch im Vollzug der Dogmatik untrennbar
sind. In der abschließenden positiven Phase werden die
geltenwollenden Sätze formuliert (nach Trillhaas). Daraus
ergibt sich als funktionales Axiom: „die semantische Funktionsfrage
muß vor der inhaltlichen Wahrheitsfrage" gestellt
werden (A4). Dabei gilt: „Das Evangelium ist nicht
allein theologisch-inhaltlich, sondern auch semantischfunktional
, hinsichtlich seiner sprachlichen Leistungsstrukturen
das einzige Kriterium der Dogmatik" (142).

Die sich daraus ergebende weitere Kernfrage besteht in
der inhaltlichen Bestimmung des Denkhorizontes (As) im
Sinne von „Selbstverständnis der jeweiligen Epoche". Hier
liegt das komplizierteste wissenschaftstheoretische Problem
, während das zentralste in der Klärung von b (= Kriterium
) liegt (146 ff.): „Jesus von Nazareth, wie er im neu-
testamentlichen Schrifttum ausgesagt wird und in einer
konkreten Begegnung den Charakter der gegenwärtigen
Anrede, der unbedingt geltenden Freiheit gewinnt" (148 f.).
Hier liegt das Proprium dogmatischer Methode, die weder
nur empirisch-historische Beschreibung noch axiomatische
Deduktion sein kann. Indem Pannenberg der hierin steckenden
Gefahr einer Selbstisolierung der Dogmatik durch die
universalgeschichtlich verallgemeinerte Bedeutung Jesu
entgehen will (152 ff.), gerät er seinerseits in Gefahr, die
sprachliche Gebundenheit aller historischen Ereignisse ge-
schichtstheologisch zu überspringen (158). Bleibt als Fazit,
daß einerseits das Kriterium „Jesus von Nazareth ..."'die
Einheit der funktionalen Axiome (Syntax) „generiert", daß
andererseits diese Erweiswahrheit (= Kriterium) „das dienende
, sich entäußernde, die Bedingungen entfremdeter
Existenz, entfremdeten Denkens und Redens auf sich nehmende
Kriterium der Ausdruckswahrheit", nämlich der
menschlichen Sprache ist (162).

Abschließend nur einige Bemerkungen zu dieser Wiener
Habilitationsschrift, der man viele geduldige Leser wünschen
möchte: Es haben sich einige sinnentstellende Druckfehler
eingeschlichen. — Eine Tabelle aller Zeichen mit kurzen
Erklärungen und Seitenverweisen trüge zur Handlichkeit
bei. — Wenig, aber exemplarisch weiterführende Literatur
im Text wäre wünschenswert gewesen. — Sachlich
wäre außer der allseits bekannten Grundsatzdiskussion
über die Form-Inhalt-Zuordnung und der Debatte über
mögliche linguistische Ansätze/Methoden auf die doketisti-
sche Tendenz bei Tillich hinzuweisen (98 f.), deren Uberwindung
die Versuche Heims, Pannenbergs, Rendtorffs
u.a.m. gelten (150 ff.). Wir sind gespannt auf das im Vorwort
angekündigte Werk zu den beiden Fragen der Aussage
-Geltung unter dem besonderen Gesichtspunkt der
„Idee der Ganzheit" (g; 141, 144) und der Rechtfertigungslehre
als Ausformulierung des theologischen Wahrheitskriteriums
.

Rohburg-Loccum Uwe Gerber

Bastian, Hans-Dieter: Kommunikation. Wie christlicher
Glaube funktioniert. Stuttgart—Berlin: Kreuz-Verlag
[1972]. 175 S. 8° = Themen der Theologie, hrsg. von H. J.
Schultz, 13.

Im Vorwort weist Bastian darauf hin, daß Theologie sich
traditionell mit Inhalten befaßt habe; Funktionieren, Wirkungen
, Folgen zu bedenken, lag unterhalb ihres Niveaus.
Sie stimmte für Geisteswissenschaften und Kultur, nicht