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Ausgabe:

1978

Spalte:

31-35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bauer, Karl-Adolf

Titel/Untertitel:

Leiblichkeit, das Ende aller Werke Gottes 1978

Rezensent:

Grundmann, Walter

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Theologische Litcraturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

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Motiven, Strukturelementen und Konzeptionsskopus beträchtlich
an den AT-Erzählungen, während sie sich von den nach-
alttestamentlichen Erzählungen durch ihre nichtapokalyptische
Art deutlich abheben. Entscheidend ist eine weitreichende
Korrespondenz in der Sache: hier wie da geht es um eine sehr
personale Begegnung, die Auflösung des Nichterkenncns, Verheißung
und Auftrag und entsprechende menschliche Reaktionen
zum Ziele hat. Der Vf. konstatiert daher abschließend: „Die
anthropomorphen Theophanieerzählungcn des AT standen
formal und sachlich hinter der Konzeption der Erscheinungserzählungen
der Evangelien" (265).

Das abschließende fünfte Kapitel (206-274) rekapituliert zunächst
die bisher gewonnenen Ergebnisse, um dann davon auszugehen
, daß gleichwohl direkte Bezugnahmen der Evangelien-
Erzählungen auf die betreffenden AT-Erzählungen nicht vorhanden
sind. Die Korrespondenz liegt vielmehr ganz auf der
Vorstellungsebene und ist dadurch bedingt, daß es im Prozeß
der Evangelienbildung notwendig war, das analogielose Oster-
ereignis ausdrucksmäßig in einer gewissen Kontinuität und
Identität mit der Erscheinung des irdischen Jesus darzustellen.
Die anthropomorphen Theophanie-Erzählungcn des AT boten
hierfür die geeigneten Darstellungselemente an, die sich vor
allem auch durch ihre streng theologische Orientierung empfehlen
. Für das Problem der Historizität bedeutet dies alles
zweierlei: 1. die Erscheinungserzählungen enthalten alte, selbständige
Tradition mit historischem Fundament; 2. als „theologische
Berichte" aber sind sie nicht primär an der Vermittlung
historischer Information interessiert. Ihr Zeugnis ist von vornherein
an die Diktion der Galtung gebunden, wodurch allen
nachträglichen Spekulationen der Boden entzogen ist.

Zur Würdigung dieser Arbeit sei noch folgendes angemerkt:
Von ihrem methodischen Ansatz her ist sie ein notwendiges,
heute einfach fälliges Unternehmen. Die Unabhängigkeit und
Selbständigkeit der analysierten Erzählungstradition gegenüber
Kerygma- und Grabestradition hat der Vf. überzeugend
nachgewiesen, ebenso, daß sich in der Regel von der Endgestalt
der Erzählungen eine vorredaktionelle Gestalt abheben läßt.
Fraglich dagegen erscheint, ob sich dabei schon eine einheitliche
Gattung ergibt. Die etwas stiefmütterlich behandelten
Differenzen zwischen dem Typ der Gruppenerscheinung und
dem Typ der Einzelerscheinung scheinen mir dies zu verwehren
. Eng damit zusammen hängt die andere Frage, ob tatsächlich
durchgehend die alttestamentliche Theophanie-Erzählung
als Konzeptionshintergrund angenommen werden kann, wenn
der Vf. doch selbst einräumen muß, daß einerseits direkte
Bezugnahmen fehlen und andererseits zahlreiche Berührungen
mit hellenistischen Texten unbestreitbar sind. Eine präzise
Antwort auf die Frage nach dem „Sitz im Leben" der postulierten
Gattung ist der Vf. wohl doch schuldig geblieben. Der Hinweis
auf den Prozeß der Evangelienbildung dürfte hier schwerlich
ausreichen. Vielleicht kommt man weiter, wenn man im
vorredaktionellen Bereich der Überlieferung zwischen älterem
und jüngerem Traditionsgut mit wechselndem Konzeptionshintergrund
zu unterscheiden versucht. Die neuere Forschung
hat uns ja ohnehin gelehrt, den Unterschied zwischen Hellenismus
und Judentum nicht mehr so schroff zu sehen, wie es der
Vf. offenbar noch tut. Des Dankes der Fachwelt darf er
indessen in hohem Maße gewiß sein.

Greifswald Günter Haufe

Bauer, Karl Adolf: Leiblichkeit das Ende aller Werke Gottes.
Die Bedeutung der Leiblichkeit des Menschen bei Paulus.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1971]. 206 S.
gr. 8° = Studien zum Neuen Testament, hrsg. v. G. Klein,
W. Marxsen, W. Schräge, 4. Lw. DM 44,-.

Der Titel der sehr gründlichen und gut informierenden
Studie, die K.-A. Bauer vorlegt, geht zurück auf eine Formulierung
F. Chr. Oetingers und ist eine These, die gegen den
idealistischen Spiritualismus gerichtet ist. Sie rückt gegenüber

dem konkreten Begriff „Leib" bzw. „Körper" die Abstraktformulierung
„Leiblichkeit" in den Vordergrund. Bauer versucht
eine Definition des schillernden Begriffs, wonach sich „Glieder
und Vernunft" als Leiblichkeit vom Leib, der aus Gliedern
besteht, unterscheidet. Aber was unterscheidet diese »Leiblichkeit
" von leibhaft erscheinender Personalität? Ob man im Blick
auf Paulus wirklich von .Leiblichkeit" als „Ende der Werke
Gottes" reden kann, wird wohl Bauer selbst fraglich, denn
nicht nur in immer neuem Anlauf auf die Texte zu, sondern
vor allem in der Schlußzusammenfassung wird erklärt, das
„Thema der Leiblichkeit" gehöre „nicht unmittelbar in die
Mitte paulinischer Theologie", sondern in ihren „Umkreis",
während Gottes Gerechtigkeit und die Rechtfertigung des
Gottlosen diese Mitte prägnant bezeichne (B.S.188). Das ist zutreffend
, wenn auch zu einseitig. Aber inwiefern ist dann
„Leiblichkeit", ein Begriff, den Paulus so nicht kennt, „das
Ende der Werke Gottes"? Was für Paulus das Ende ist, sagt
er 1 Kor 15,23—28 (vor allem V.28) genau — im Kapitel von der
Auferstehung des Leibes, das seinerseits Auferstehung als vollständige
Verwandlung des Leibes durch den Tod hindurch begreift
. Hier dürfte der entscheidende Grund für die Ersetzung
des konkreten Begriffes „Leib" durch die Abstraktion „Leib
lichkeit" liegen. Man wird also die Frage gleich am Anfang
stellen, ob der Titel der Untersuchung, in der der unpaulinische
Begriff „Leiblichkeit" dominiert, sich nicht wie ein Zwang auswirkt
, der Exegese und Untersuchung der Texte beeinträchtigt,
und man wird sie mit der anderen Frage nach der Funktion
des Leibes im Umkreis der paulinischen Anthropologie und
Theologie verbinden müssen.

Der Vf. gibt in seiner Arbeit, die aus seinem Theologiestudium
als Dissertation herausgewachsen ist, „für den Druck
geringfügig verändert und erweitert", zunächst als ersten Teil
einen Überblick über die Forschungsgeschichte, die er bei
A. Schlatter und R. Bultmann beginnt und bis zu H. Conzel-
mann führt. Die Motive in Schlatters Exegese, die den Leib
unter der Offenbarung des Zornes und der Gerechtigkeit Gottes
sieht, sind nach B. einerseits die Erkenntnis, daß der Leib als
NaLur in den Geist hineinrage und die menschliche Existenz
mit der Kreatur verbinde, und andererseits die Einsicht, daß
der Leib durch die Vollendung und Erneuerung der Schöpfung
selbst vollendet und neu werde. In dieser Vollendung kommt
„mit Christus nicht nur wieder, was einst war, sondern die
Vollendung, die nicht schon im Anfang war" (Schlatter, Theologie
des NT S.285, Bauer S.18). Creatio und filiatio sind zu
unterscheiden; das Verständnis des Leibes ist nicht nur schöpfungsmäßig
, sondern ebenso eschatologisch bestimmt. Bauer
bemerkt in seinem Referat über Schlatter kritisch, er habe kein
Interesse daran, „die Kontinuität vom alten zum neuen Leib
ontologisch auszuarbeiten" (B.S.21, vgl. auch S.18). Das dürfte
doch wohl darauf hinweisen, daß nicht im Leib selbst die
ontologischc Kontinuität gegeben ist, sondern im freien Handeln
Gottes am Menschen; denn Auferstehung ist für Paulus
neuer Leib aus dem Tod als Erweckung der Person hinein in
die Vollendung, einer Person, die nicht leiblos ist. Bultmann
betont zutreffend den weithin unprägnanten Gebrauch des
Terminus bei Paulus selbst; soma beschreibt „die Existen-
tialität des menschlichen Seins" (B.S.34). So kann soma geradezu
den Menschen, die Person als ganze, meinen und die
„die konstitutive Struktur des Menschseins" als „ontologischc
Kontinuität des Menschen über den Tod hinaus" beschreiben
(B.S.35). Den Unterschied zwischen Schlatter und Bultmann
formuliert Bauer: „Während Schlatter im Leib des Menschen
Solidarität mit der Schöpfung und dem Bereich der Natur gegeben
sieht, findet Bultmann im Sorna-Begriff des Menschen
Selbigkeit, sein Wesen formuliert" (S.36). Bauers Ergebnisse
kommen den Einsichten Schlatters sehr nahe; bei Bultmann
sieht er, ohne seine „faszinierende Geschlossenheit" (B.S.65)
aufweisende Erkenntnis abzustreiten, verborgene idealistische
Tendenzen wirksam. Beide bilden die Grundlage für die ihnen
folgenden Erörterungen, denen durch sie die Frage nach dem
Verhältnis von Person-Sein und Leib-Sein des Menschen gestellt
ist (S. 65). Aus ihnen sei hingewiesen auf E. Käsemann,
der „soma als Relation des Geschöpfes zu seinem Schöpfer und