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Ausgabe:

1978

Spalte:

532-534

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kirste, Reinhard

Titel/Untertitel:

Das Zeugnis des Geistes und das Zeugnis der Schrift 1978

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1970 Nr. 7

532

Der Beitrag der drei Autoren wird jeweils in ihr Gesamtwerk
hineingestellt und aus ihm heraus interpretiert. Jedem
wird eine umfassende Werkanalyse (Braithwaite 17—118,
Hare 119—224, Ramsey 225-366) und eine eigene Bibliographie
(420 ff.) gewidmet, die das Werk zu einer informativen
Darstellung des Gesamtwerkes dieser Philosophen auch abgesehen
von der Zielfrage des Vfs. machen. Methodisch werden
sie nacheinander in gleicher Weise in vier Etappen verhört
: Nachdem eine erste Durchmusterung nach ihren Äußerungen
zur religiösen Sprache überhaupt gefragt hat, wurde
der jeweilige Bezug zu ihren erkenntnistheoretischen und
moralphilosophischen Vorstellungen erhoben, um schließlich
zusammenfassend eine so erhellte Interpretation ihrer
Aussagen über die religiöse Sprache gewonnen zu haben.
Für Braithwaite sind christliche Aussagen zu entdoktrinali-
sierende Absichtserklärungen ihrer Sprecher, die die Bindung
an eine „agapeistische" Lebensweise ausdrücken; bei
Hare werden in einer transzendentalen Analyse wissenschaftliche
wie moralische Aussagen in einer nicht ontolo-
gischen, sondern semantischen Interpretation der platonischen
Ideenlehre auf eine gemeinsame universale Ordnungsgrundlage
zurückgeführt; Ramsey, der Theologe unter
den dreien, kann am Symbol der Jakobsleiter sein Verständnis
vom Mysterium als einer auf empirischen Tatsachen
aufruhenden, intuitiven Enthüllung von Ich und Gott deutlich
machen.

Der Schlußteil (367 ff.) faßt das schon immer wieder deutlich
gewordene Ergebnis zusammen: Trotz der Verschiedenheit
ihrer Lösungsversuche im einzelnen laufen sie gemeinsam
darauf hinaus, das christliche Reden gegen einen empirisch
-logischen Erfahrungswiderspruch zu immunisieren
(374). Das Ziel, dem Zwang der Falsifikation zu entgehen,
wird hier immer mit dem Abbau der deskriptiven Elemente
in der christlichen Herausforderungsrede erreicht (376,
390 ff.). Die gemeinsame Schlußfolgerung, daß es innerhalb
der durch die logisch-empirischen Maßstäbe gesetzten Grenzen
keine zu rechtfertigende Behauptung der Transzendenz
gibt (395), ist unverkennbar. Was bleibt, ist der Dezisionismus
einer sich selbst rechtfertigenden Entscheidung (381 ff.)
und der pragmatische Gültigkeitsmaßstab der utilitaristischen
Geeignetheit, der an die Stelle der Verifikation tritt
(383 ff.). Erscheint der „Tod jedes Aussagesatzes" (413) als
ein zweifelhafter Abbau (394), dann soll man sich nach dem
abschließenden Vorschlag des Vfs. nicht von den reduktiven
Forderungen des logischen Empirismus fixieren lassen, sondern
seine Grundsätze und Maßstäbe selbst nach ihren Voraussetzungen
hinterfragen.

Ob man daneben nicht doch, wenn man von der grundlegenden
Argumentation in IKor 15 ausgeht, zu einer anderen
Schlußfolgerung als die behandelten Autoren kommen
kann, etwa daß die christlichen Grundaussagen samt
ihren Ableitungen als falsifizierbare Aussagen auch innerhalb
der Grenzen empirisch-logischer Maßstäbe sinnvoller
Verifikation unterworfen werden können, ist die Frage, die
der Rezensent auch nach der neuerlichen Lektüre dieser
Entwürfe noch nicht zu verneinen wagt. Denn die Autoren
haben doch das undifferenzierte Feld überkommener christlicher
Tradition im Blick, so daß die Frage bleibt, wieweit
dabei das spezifisch Christliche nicht nur nivelliert wird
(385 ff.), sondern von vornherein nivelliert ist. Gerade auch
bei Ramseys Versuch liegen in dem grundlegenden Symbol-
begriff vom Metaempirischen im Empirischen letztlich neuplatonische
Denkkategorien (ähnlich wie bei Tillich) zugrunde
, wie sie für den klassischen Idealismus bestimmend
waren und nun auf einer neuen Ebene der Auseinandersetzung
weiterwirken. Die Aufgabe, die genuin christliche
Rede von Gott sprachanalytisch weiter aufzuarbeiten, bleibt,
den Theologen auf jeden Fall gestellt.

Berlin Wolfgang Schenk

Böschenstein, Bernhard: Die Dichtung Hölderlins. Analyse
ihrer Interpretation durch Martin Heidegger (ZW 48, 1977
S. 79-96).

Eigeles, Marian: Gudsbegrepets problem hos Martin Buber
(NTT 77, 1976 S. 45-47).

Fankhauser, Margit: Der Kreis zerbricht. Das naturwissenschaftliche
Weltbild und seine Verarbeitung in der Existentialphilosophie
und den ihr nahestehenden Strömungen
(Theologische Beiträge 7, 1976 S. 69-76).

Gisel, Pierre: Paul Ricoeur ou le discours entre la parole et
le langage (RPhTh 109, 1976 S. 98-110).

Jaurata Marion, F.: El probleme fundamental del „Post-
scriptum" de Soeren Kierkegaard (Stromata 31, 1975
S. 299-311).

Krzywon, Ernst Josef: Schreiben angesichts des Absoluten.
Das Werk Hans Jürgen Badens (StZ 102, 1977 S. 179-190).

Masset, Pierre: „Ce que je crois" de Maurice Clavel (NRTh
108, 1976 S. 60-72).

Mueller, Philip J.: Lonergan's Theory of Religious Expe-
rience (Eglise et Theologie 7, 1976 S. 235-251).

Patry, M. OMJ: Pierre Teilhard de Chardin et les Communications
sociales (NRTh 108, 1976 S. 447-455).

Pöggeler, Otto: Es fehlen heilige Namen. Das Denken Martin
Heideggers in seinem Bezug auf Hölderlin (ZW 48,
1977 S. 65-78).

Ricker, Friedo: Die Renaissance des Aristotelismus im
1. Jahrhundert vor Christus (Theologie und Philosophie
51, 1976 S. 267-274).

Rose, Mary Carman: The Maximal Mysticism of Bonaven-
ture (AThR 58, 1976 S. 60-75).

Rudolph, Enno: Freiheit als Seinkönnen. Der epochale Anspruch
Martin Heideggers (LuMo 15, 1976 S. 362-363).

Scheurer, Paul B.: La science et l'imagination du possible
(RThPh 109, 1976 S. 241-267).

Secretan, Claude: L'idealisme radical de William Rivier
(RThPh 109, 1976 S. 268-281).

Siegwart, Geo: Zum „Wissenschaftlichen Briefwechsel"
Gottlob Freges (ThPh 52, 1977 S. 429-434).

Vitre, M.-M.: Tous „fils dans le Fils" (NRTh 108, 1976
S. 15-32).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Kirste, Reinhard: Das Zeugnis des Geistes und das Zeugnis
der Schrift. Das testimonium Spiritus sancti internum als
hermeneutisch-polemischer Zentralbegriff bei Johann
Gerhard in der Auseinandersetzung mit Robert Bellarmins
Schriftverständnis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1976]. 253 S. gr. 8° = Göttinger theologische Arbeiten
, hrsg. von G. Strecker, 6. Kart. DM 34,—.

Vorliegendes Werk ist im Gemeindepfarramt entstanden
und 1974 von der Kirchlichen Hochschule Berlin (West) als
Dissertation angenommen worden. Vf. ist überzeugt, daß
„das Problem sachgemäßer Schriftauslegung und ihrer entscheidenden
Kriterien" sicher nicht erledigt ist (13). Vf. will
fragen, ob der damalige Disput zwischen Gerhard (G.) und
Bellarmin (B.) „um die Bedeutung des hl. Geistes in und
bei der hl. Schrift inzwischen Früchte getragen habe" (ib.).
Durch die Auseinandersetzung „nehmen wir an einer her-
meneutischen Debatte teil, die zur damaligen Zeit ihresgleichen
sucht", wobei zutage tritt, daß die Lutheraner „mit
ihrer Schriftauslegung nicht auf die Tradition der Kirche
verzichten können und sie ständig als hermeneutisches Kriterium
benutzen, wenn sie die biblischen Texte interpretieren
" (14). B. und G. geraten dabei in Gedanken näher aneinander
, als sie „gewollt haben" (15). Dabei ermöglicht es
die Übernahme aristotelischer Kategorien G. erst, die
Schriftlehre zu systematisieren.

Der I. Teil „Metaphysische und ontologische Voraussetzungen
für die Schriftlehre Bellarmins und Johann Gerhards
(Ursachen und Einflüsse)" (17—43) gibt einen guten
Literaturbericht, der kürzer hätte gefaßt werden können.

II. Teil: „Das testimonium spiritus sancti intemum als
Schlüsselbegriff im Verhältnis von Inspiration und Heiliger
Schrift nach den ,loci theologici' Johann Gerhards" (41—97):
Vf. fixiert kurz das lutherische Verständnis von Inspiration