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1978

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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527

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 7

528

Lehre in höchster Einfachheit und Reinheit, wie auch die
Reformatoren sie wieder herzustellen sich bemühten, repräsentiert
und als solche für alle Christen verbindlich ist. So
gelingt es dem Vf., die Theologie Calixts in dreifacher Hinsicht
als Voraussetzung und Grundlage seines von den übrigen
Orthodoxen verworfenen irenischen Programms herauszustellen
. Es ist das Verdienst dieser sich noch durch
viele wertvolle Einzelbeobachtungen auszeichnenden Arbeit
, einleuchtend gemacht zu haben, wie das theologische
Denken dieses orthodoxen Außenseiters zielstrebig fast allein
darauf gerichtet war, die allen Kirchen — ein Stück weit
sogar allen Religionen — gemeinsame eine übergeschichtliche
Wahrheit unabhängig von allen Zusätzen und Veränderungen
zu finden, wissenschaftlich zu sichern und zu verteidigen
.

Während dieser Grundthese der Arbeit uneingeschränkt
zuzustimmen ist, erscheint trotz einzelner Nuancierungen
gegenüber der Wallmannschen Interpretation die Darlegung
des Verhältnisses von Theologie und Glaube immer
noch problematisch. Denn so rational und vom Glauben losgelöst
, wie sie sich scheinbar gibt, ist die Theologie des Philosophenschülers
Calixt doch nicht. Weil die Offenbarung
ihr alleiniger Erkenntnisgrund ist, unterscheidet sie sich
von allen anderen menschlichen Wissenschaften „toto ge-
nere". Das „separari posse" von Theologie und Glaube ist
eine reine Unterscheidung, keine endgültige Scheidung; sonst
würde die Theologie ja schließlich zu einer voraussetzungslosen
Religionswissenschaft, was auch für den ökumeniker
Calixt ganz undenkbar ist. Um der Wahrheit und Gewißheit
willen ist die Theologie auch in Helmstedt unverzichtbar auf
den persönlichen Glauben angewiesen, andernfalls müßten
etwa die Jungfrauengeburt oder die Auferstehung der Toten
für Unsinn gehalten werden. Zweifellos ist Calixt der erste,
der sich einer unreflektierten Identifizierung von Theologie
und Glaube widersetzte und die Theologie als strenge Wissenschaft
zu begreifen und auszubauen geholfen hat, aber
ein christlicher Theologe muß für ihn doch beides besitzen:
den habitus theologiae und den habitus fidei. Das mag abschließend
durch ein bisher nicht bekanntes Zitat aus einem
nur handschriftlich überlieferten Werk des Helmstedter
Unionstheologen deutlich werden: „Theologiam esse disci-
plinam supernaturalem et fidei innixam, quod non esset, si
primum eius principium evidens foret aut evidenter probari
posset ... Illud itaque, in quo per se consistit certitudo habitus
, quod scilicet cum ipso non possit consistere deliberata
formido de contrario, perfectissime praestant hi duo Fidei
et Theologiae habitus."

Im einzelnen sei noch folgendes angemerkt: Die Unterscheidung
von Theologie und Glaube geht bereits auf Überlegungen
zurück, die Cornelius Martini während seiner
Auseinandersetzung mit Daniel Hofmann im sogenannten
Hofmannschen Streit (1598) anstellte; Calixt konnte an diese
Vorarbeit anknüpfen (vgl. dazu S. 19. 38). Die Herauslösung
der natürlichen Theologie aus der Metaphysik ist kein Proprium
bei Calixt, sondern entspricht einer verbreiteten Tendenz
, die gerade auch in Helmstedt durch C. Martini und
H. Arnisaeus vertreten wurde (vgl. S. 36). Die Ramisten haben
in Helmstedt niemals geherrscht (vgl. S. 95), sondern
von Anfang an eine untergeordnete Rolle gespielt; schon
1592 wurde unter dem Einfluß von J. Caselius die erste herzogliche
Bestimmung dagegen erlassen. Bei Calixt, welcher
den Ramismus wegen seiner Metaphysikfeindlichkeit ablehnte
, ramistische Einflüsse zu vermuten (vgl. S. 65, Anm.
78), ist wohl auszuschließen.

Göttingen Inge Mager

Bertone, Tarcisio: Benedetto XIV (1740—1758) e la Gerarchia
Ecclesiastica (Salesianum 38, 1976 S. 475-558).

Beumer, Johannes: Konrad Martin, Bischof von Paderborn,
und seine Haltung gegenüber dem Güntherianismus
(ThGl 67, 1977 S. 83-91V

Engelhardt, Paulus: Ein Märtyrer für den Frieden und die
Einheit der Kirche. Dr. Max Josef Metzger (Bruder Paulus
) — hingerichtet am 17. 4.1944 (Wort und Antwort 18,
1977 S. 47-52).

Grotz, Hans: Aus dem Nachlaß des Grafen von Senfft-
Pilsach. Ergänzungen zu einer Gesamtausgabe der Korrespondenz
de la Mennais' (ZKTh 99, 1977 S. 47-73).

Maas-Ewerd, Theodor: „Modellfall" für die Bewältigung
einer Krise. Der Streit um die „liturgische Frage" in
Deutschland (1939-1944) (Erbe und Auftrag 53, 1977 S. 243
bis 250).

Pfeiffer, Arnold: Zur Vorgeschichte des religiösen Sozialismus
in Deutschland (NZSTh 19, 1977 S. 127-149).

Stern, Jean: La communion universelle comme lieu theolo-
gique de Vatican I selon J. H. Newman (NRTh 99, 1977
S. 171-188).

PHILOSOPHIE UND
RELIGIONSPHILOSOPHIE

Casper, Bernhard: Sprache und Theologie. Eine philosophische
Hinführung. Freiburg—Basel—Wien: Herder [1975].
208 S. 8°. Kart. DM 28,50.

I

Ziel des Vfs., Ordinarius für Fundamentaltheologie an der
Universität Augsburg, ist es, zu einer theologischen Sprachlehre
hinzuführen, die die Auseinandersetzung mit moderner
Sprachphilosophie und Sprachwissenschaft nicht zu
scheuen braucht und es ermöglicht, „verantwortet" von
Gott, vom Heil des Menschen und von Offenbarung zu reden
. Um dieses Zieles willen geht er auf verschiedene philosophische
Sprachtheorien, vor allem auf die von L.Wittgenstein
initiierte Sprachanalyse, ein, um dann, nach deren kritischer
Rezeption, eine eigene Sprachtheorie zu entwerfen,
die die Grundlage für die Verwirklichung der Zielvorstellung
bilden soll.

In diesem Rahmen nimmt die Auseinandersetzung mit
Wittgenstein einen verhältnismäßig breiten Raum ein. Nach
grundsätzlich positiver Beurteilung der Sprachspieltheorie
kritisiert C. aber u. a., daß Wittgenstein „die Probleme des
Selbst" (S. 38) eliminiere, Kommunikation als selbstverständlich
voraussetze (S. 39) und die Frage, wie man ein
fremdes Sprachspiel verstehen könne, übergehe (S. 39). Im
übrigen sieht er in J. L. Austins Theorie der Sprachhandlungen
einen entscheidenden Durchbruch, der über Wittgensteins
Sprachspieltheorie hinausführt, ohne diese allerdings
aufzuheben.

Von einer solchen Sicht der Dinge aus entwickelt C. nun
eine eigene Sprachtheorie, die sich vor allem am hermeneu-
tischen Denken (M. Heidegger), am dialogischen Denken
(F. Ebner, F. Rosenzweig), an den theologischen Ansätzen
einiger sprachanalytisch arbeitender Theologen im englischsprachigen
Raum (J. T. Ramsey, J. Macquarrie, D. M. High,
D. D. Evans) und an der Philosophie H. Marcuses und J. Habermas
' orientiert.

Als erstes betont der Vf. hier die Dialogsituation, aus der
die Sprache erwächst, die aber immer schon ganz bestimmten
Arbeits-und Herrschaftsverhältnissen, kurz, spezifischen
gesellschaftlichen Bedingungen, unterworfen ist. Neben
einer so verstandenen ..Gesellschaftlichkeit der Sprache"
wird im Kapitel V ihre Geschichtlichkeit betont. Es folgt ein
Kapitel über das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit,
in dem der Gedanke ausgeführt wird, daß Wirklichkeit und
sprachliche Erschließung immer nur korrespondierend zueinander
gegeben seien.

Wichtig ist das Kapitel über die transzendierende Bewegung
der Sprache. Diese transzendierende Bewegung soll
sich dort zeigen, wo das im einzelnen Gesagte auf den Zusammenhang
hin überschritten wird, der von innen her die
Teile der Rede zu einem Ganzen und Einen zusammenhält