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Ausgabe:

1978

Spalte:

515-517

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Scriptum in librum primum sententiarum ordinatio 1978

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 7

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dienen, sondern auch das Material für eine bessere Erkenntnis
des Selbstverständnisses des Ordens und seiner Theologie
in Abhebung von der anderer Orden bieten. Sehr zu begrüßen
ist es, daß bei wichtigeren Werken auch die Rezensionen
vermerkt sind, die eine erste, kritische Beurteilung
erleichtern.

Diese neue Bibliographie ist ohne Zweifel übersichtlich
aufgebaut. Im vierten Abschnitt wurde die alphabetische
Ordnung gewählt, die leicht zu handhaben ist. Die gleichzeitig
mit dieser Bibliographie erschienene „Bibliographie
historique de l'Ordre de Saint Augustin 1945—1975", die die
Zeitschrift Augustiniana 26 (1976) 1—340 herausgab, wählte
die Anordnung nach dem Todesjahr der Augustiner, was
eine viel größere Vertrautheit mit der Geschichte des Ordens
voraussetzt. Die alphabetische Ordnung ist in jedem Fall
vorzuziehen.

Die gebotene Bibliographie ist überaus reichhaltig. Es
wird kaum ein Werk geben, das übersehen wurde. Bei manchen
Büchern fragt man sich, aus welchem Grund es in dieses
Verzeichnis aufgenommen wurde, da in ihm die Augustinereremiten
überhaupt nicht erwähnt werden. Bei einigen
hat man den Verdacht, daß eine Verwechslung vorliegen
könnte, so etwa bei Nr. 680, 681, 706, wo mit den ..Augustinern
" die Augustinerchorherren, nicht aber die Augustinereremiten
gemeint sind. Das Autorenregister ist sehr sorgfältig
gearbeitet. Selten findet sich ein Druckfehler oder ein
Versehen; so sind z. B. unter Fritz Hoff mann zwei verschiedene
Personen zusammengefaßt, der Erfurter Fritz Hoffmann
und der Würzburger Fritz Hofmann (Nr. 1060).

Es folgt ein „Register der Augustinereremiten" (342—353).
Eine Anmerkung weist darauf hin, daß „in diesem Register
alle bis zum Ende des Konzils von Trient feststellbaren Mitglieder
des Augustiner-Eremitenordens verzeichnet" werden
. Sollten wir wirklich nicht mehr feststellen können? Es
sind höchstens — und auch das nur mit Einschränkungen —
die in der Literatur ausführlich behandelten Augustiner genannt
. Andererseits sind so manche in die Liste der Augustinereremiten
hineingeschlüpft, die nicht dazu gehören.
Sollte z. B. Bartholomaeus Anglicus ein Augustinereremit
sein? Oder Johannes von Glogau? Erstaunlicherweise findet
sich auch Johannes Rucherat von Wesel unter den Augustinereremiten
verzeichnet. Allerdings hatte selbst ein so ausgezeichneter
Kenner wie Herbert Grundmann Johannes von
Wesel als Augustiner bezeichnet und seine Ketzergeschichte
des Mittelalters mit den beiden Augustinern Johannes von
Wesel und Martin Luther abgeschlossen (in: Die Kirche in
ihrer Geschichte, Bd. 2 G 66). Aber Johannes von Wesel war
niemals in seinem Leben Augustinereremit, sondern gehörte
stets dem Weltklerus an. Zu unterscheiden wäre auch
der Gründer Johannes Bonus (t 1249) und der erste Buchdrucker
aus dem Orden Johannes Bono (t 1476), die hier unter
einem Namen geführt werden (S. 229 und 348).

Diese neue Bibliographie ist ein höchst willkommenes
Arbeitswerkzeug. Sicherlich, keine Bibliographie ist vollkommen
. Doch die wenigen Ausstellungen, die hier gemacht
wurden, mindern den außerordentlichen Wert dieses Buches
in keiner Weise. Das Werk, das sehr sorgfältig gearbeitet ist
und in dem eine Unmenge mühevoller Arbeit steckt, verdient
den Dank aller, die sich mit der Geschichte und der
Theologie des Augustinereremitenordens und mit Reformationsgeschichte
befassen.
Erfurt Erich Kleineidam

Ockham, Guillelmus de: Scriptum in Librum Primum Sen-
tentiarum. Ordinatio. Distinctiones IV—XVIII, ed. G. I. Etzkorn
. St. Bonaventure, N. Y.: St. Bonaventure University,
Franciscan Institute 1977. 19*, 609 S. 4° = Guillelmus de
Ockham: Opera philosophica et theologica. Opera theolo-
gica, III.

Aus dem Vorwort geht hervor daß seit dem Erscheinen
der beiden ersten Bände (ThLZ 97, 1972 Sp. 922-924) von

1970 bis September 1973 die Arbeit am Sentenzenkommentar
Ockhams geruht hat, ehe sie der neue Herausgeber Girar-
dus I. Etzkorn wieder aufnahm und das Manuskript in drei
Jahren erstellte. Der vorliegende Band bestätigt wichtige
Ergebnisse der neueren Ockhamforschung. ja führt sie noch
weiter.

Der ehemalige Kanzler der Universität Oxford, Johannes
Lutterell, verklagte Ockham bei Papst Johannes XXII., so
daß gegen den englischen Franziskaner von 1324 bis 1328 ein
Prozeß in Avignon geführt wurde, dem sich Ockham schließlich
durch seine Flucht zum deutschen König, Ludwig dem
Bayern, entzog. Es war der Forschung aufgefallen, daß Luttereil
seine Vorwürfe nur von Aussagen des ersten Buches
aus dem Sentenzenkommentar Ockhams ableitete. Infolgedessen
ist vermutet worden, daß Luttereil seine Auszüge, 56
Artikel aus Ockhams Sentenzenkommentar, schon anfertigte
, ehe er aufgrund seines Streites mit Ockham 1322 sein
Kanzleramt verlor. Der Hrsg. des vorliegenden Bandes weist
nun darauf hin, daß eine Gruppe von Ausführungen Ockhams
, die bereits in der ersten Redaktion — von dieser
Ockhamausgabe redactio incompleta genannt — der „Ordinatio
" enthalten sind, sich am besten als Apologie gegen
Angriffe Lutterells verstehen lassen. Daraus folgt, daß der
Oxforder Kanzler den Sententiar Ockham bereits während
oder mindestens infolge seiner Vorlesung über die „Senten-
tiae in IV libris distinctae" des Petrus Lombardus zu bekämpfen
begann. Weiterhin kann der Hrsg. zeigen, daß der
Kommission in Avignon, die den Prozeß seit 1324 gegen
Ockham führte, nur die erste Redaktion der „Ordinatio"
vorlag, obgleich die zweite — redactio completa — bereits
seit 1322 nachweisbar ist. Als Ockham sich gegen die Vorwürfe
auf seine eigenen Aufzeichnungen berief, fielen der
Kommission „nove rasure et additiones nove et suspecte"
auf. Daraufhin wurde er verdächtigt, den Text angesichts
seiner Vorladung gefälscht zu haben. Der Hrsg. stellt fest,
daß eine Tilgung und eine Ergänzung bereits in die handschriftliche
Uberlieferung eingegangen ist. Diese beiden
Änderungen nahm Ockham also vor, ehe er sein Manuskript
zum Abschreiben aus der Hand gab. Das beweist wiederum,
daß Luttereil den frühen Ockham bekämpfte und keine
Notiz von seiner Wandlung nahm.

Besondere Aufmerksamkeit hat die von Erich Hochstetter
und Philotheus Böhner erarbeitete Entwicklungslinie in
Ockhams Universalienlehre erregt, weil davon die Urteile
über ihn stark geprägt wurden. Gegenüber der Behauptung,
Ockham sei ein Nominalist gewesen, wurde herausgearbeitet
, daß er zwar anfangs die Allgemeinbegriffe nur für ficta
hielt, ihnen später aber eine von der Außenwelt hervorgebrachte
subjektive — d. h. nach mittelalterlicher Terminologie
selbständig vorhandene — Existenz im Geist des Menschen
zuerkannte. Böhner glaubte noch, daß Ockham in der
ersten Redaktion der „Ordinatio" die Fictumtheorie durchgehend
vertreten, der zweiten Redaktion aber seine neue
Einsicht, die Intellectiotheorie, zugrunde gelegt habe. Demgegenüber
verweist der Hrsg. auf üb. 1 dist. 17 qu. 7 und
dist. 18 (544,17-545,9; 576,20-27), wo Ockham bereits in
der ersten Redaktion neben der Fictumtheorie eine zweite
Meinung gelten läßt, die den conceptus als qualitas mentis
mit subjektivem Sein versteht. Ockham hat also schon während
der Abfassung der ersten Redaktion die ausschließliche
Geltung der Fictumtheorie aufgegeben.

In der Ockhamforschung gab es auch einen Streit über die
Zitierweise Ockhams. Charles Balic, Präsident der Kommission
für die Herausgabe der Werke des Johannes Duns Sco-
tus, hatte 1947 behauptet, Ockham zitiere nicht ganz wörtlich
. Böhner trat diesem Urteil im darauffolgenden Jahr entgegen
und wies nach, daß die von Ockham gebotene Form
der Scotuszitate in der handschriftlichen Überlieferung vorhanden
ist. Der Hrsg. bekräftigt, daß Ockham sorgfältig aus
einer handschriftlichen Überlieferung zitiert hat, der die
letzte Überarbeitung der „Ordinatio" des Duns Scotus unbekannt
geblieben ist. Wenn daher die seit 1950 in Rom erscheinenden
„Opera omnia" desDunsScotus die Variationen